Freitag, 1. Januar 2010

Reinhard Mey: Die Kinder von Izieu

Sie war'n voller Neugier, sie war'n voller Leben,
Die Kinder, und sie waren 44 an der Zahl.
Sie war'n genau wie ihr, sie war'n wie alle Kinder eben,
Im Haus in Izieu hoch überm Rhonetal.
Auf der Flucht vor den Deutschen zusammengetrieben,
Und hinter jedem Namen steht bitteres Leid,
Alle sind ganz allein auf der Welt geblieben,
Aneinandergelehnt in dieser Mörderzeit.
Im Jahr 44, der Zeit der fleiß'gen Schergen,
Der Spitzel und Häscher zur Menschenjagd bestellt.
Hier wird sie keiner suchen, hier oben in den Bergen,
Die Kinder von Izieu, hier am Ende der Welt.

Joseph, der kann malen: Landschaften mit Pferden,
Théodore, der den Hühnern und Küh'n das Futter bringt,
Liliane, die so schön schreibt, sie soll einmal Dichterin werden,
Der kleine Raoul, der den lieben langen Tag über singt.
Und Elie, Sami, Max und Sarah, wie sie alle heißen:
Jedes hat sein Talent, seine Gabe, seinen Part.
Jedes ist ein Geschenk, und keines wird man denen entreißen,
Die sie hüten und lieben, ein jedes auf seine Art.
Doch es schwebt über jedem Spiel längst eine böse Ahnung,
Die Angst vor Entdeckung über jedem neuen Tag,
Und hinter jedem Lachen klingt schon die dunkle Mahnung,
Dass jedes Auto, das kommt, das Verhängnis bringen mag.

Am Morgen des Gründonnerstag sind sie gekommen,
Soldaten in langen Mänteln und Männer in Zivil.
Ein Sonnentag, sie haben alle, alle mitgenommen,
Auf Lastwagen gestoßen und sie nannten kein Ziel.
Manche fingen in ihrer Verzweiflung an zu singen,
Manche haben gebetet, wieder andre blieben stumm.
Manche haben geweint und alle, alle gingen
Den gleichen Weg in ihr Martyrium.
Die Chronik zeigt genau die Listen der Namen,
Die Nummer des Waggons und an welchem Zug er hing.
Die Nummer des Transports mit dem sie ins Lager kamen,
Die Chronik zeigt, dass keines den Mördern entging.

Heute hör' ich, wir soll'n das in die Geschichte einreihen,
Und es muss doch auch mal Schluss sein, endlich, nach all den Jahr'n.
Ich rede und ich singe, und wenn es sein muss, werd' ich schreien,
Damit unsre Kinder erfahren, wer sie war'n:
Der Älteste war siebzehn, der Jüngste grad vier Jahre,
Von der Rampe in Birkenau in die Gaskammern geführt.
Ich werd' sie mein Leben lang seh'n und bewahre
Ihre Namen in meiner Seele eingraviert.
Sie war'n voller Neugier, sie war'n voller Leben,
Die Kinder, und sie waren 44 an der Zahl.
Sie war'n genau wie ihr, sie war'n wie alle Kinder eben
Im Haus in Izieu hoch überm Rhonetal.

(Reinhard Mey)


Prekarität im Finanzmarktkapitalismus

Es gibt durchaus Erwartungen, auf die man noch immer eine sichere Wette gründen kann: Zum fünften Jahrestag der sogenannten Hartz-Gesetze werden wir – gestützt auf die Ergebnisse einer aufwendigen Evaluationsforschung – eine positive Bilanz des Reformwerks präsentiert bekommen. Wetten dass? Ein realitätsnäheres Bild vermittelt ein gelegentlicher Blick in die Leserbriefspalten der Tagespresse. Dort wird punktuell sichtbar, was die politische Aufwertung prekärer Beschäftigung mit befördert hat: Lohndumping, fristlose Kündigungen im Krankheitsfall, Hausverbote für entlassene Leiharbeiter, elektronische Überwachung, Demütigung und Entrechtung am Arbeitsplatz sind inzwischen an der Tagesordnung. Wer nach den Ursachen für diese Verrohung der Arbeitswelt fragt, wird indessen mehr in den Blick nehmen müssen als die Hartz-Gesetze. Die Prekarisierung der Arbeitswelt ist, so meine These, das Resultat eines funktionierenden Finanzmarktkapitalismus. Nun besteht die Gefahr, dass die globale Wirtschaftskrise diesen Trend zusätzlich verstärkt. (...)

Häufig noch innerhalb der überkommenen institutionellen Hüllen hat sich auf diese Weise ein dramatischer Wandel des Produktionsmodells vollzogen. Veränderte Eigentümerstrukturen in den Unternehmen, aber auch die Beschneidung des Sozialeigentums von Lohnabhängigen haben die Herausbildung einer flexiblen Produktionsweise gefördert, die auf einer starken Polarisierung des Arbeitsmarktes und einer inzwischen auch strategischen Nutzung prekärer Beschäftigung beruht. Strategische Nutzung meint, dass prekäre Beschäftigungsformen wie die Leiharbeit, aber auch Werkvertragsvergaben, befristete Beschäftigung, Mini- und Midijobs zunehmend genutzt werden, um die Beschäftigung flexibel an die Konjunktur anzupassen. Was das bedeutet, ließ sich beim Ausbruch der Krise am Beispiel der Leiharbeit nachvollziehen. Binnen kurzer Zeit war die Zahl der Leiharbeitskräfte um mehrere Hunderttausend reduziert, und das zumeist ohne nennenswerte Widerstände in den Betrieben. Während die Eigenkapitalrendite trotz Krise bei 16, 18 oder gar 25% fixiert ist, werden die flexibel Beschäftigen zu einer Manövriermasse, deren "Aussteuerung" der Absicherung des Gewinnziels dienen soll.

(Weiterlesen)

Der Wohlfahrtsstaat nach der Krise oder: Die doppelte Privatisierung des Sozialen

Der Wohlfahrtsstaat der demokratischen-kapitalistischen Gesellschaften kann auf eine lange, erfüllte Krisengeschichte zurückblicken. Spätestens mit der vorletzten schwarz-gelben Regierungsübernahme zu Beginn der 80er Jahre wurde auch hierzulande die permanente "Krise des Sozialstaats" ausgerufen. Er gilt seinen vornehmlich (aber keineswegs nur) wirtschaftsliberalen Kritikern seither nicht nur als grundsätzlich "zu teuer", sondern auch als ein institutionelles Arrangement, das systematisch "falsche Anreize" setze. Vom "Versorgungsstaat" für "faule Arbeitslose" oder von der "sozialen Hängematte" im "Freizeitpark Deutschland" ist typischerweise die Rede, wenn es darum geht, eine staatliche Politik des materiellen Ausgleichs und der relativen Angleichung ungleicher sozialer Lebenslagen und individueller Lebenschancen nicht als Lösung, sondern als Quelle sozialer Probleme zu kritisieren. (...)

Wenn es nun irgendetwas Erfreuliches an den gegenwärtigen, finanzmarktkrisengezeichneten Zeiten gibt, dann ist es der (zugegebenermaßen schwache) Trost, dass man wohl kaum – nicht einmal als überzeugter Neoliberaler – wird behaupten können, dass diese jüngste Krise, die ja den meisten Beobachtern mittlerweile schon wieder als überwunden gilt, "überbordenden Soziallasten" geschuldet war. Viel eher steht sie – umgekehrt – im Zusammenhang gerade mit den genannten Prozessen des Rückbaus und der (teilweisen) Privatisierung öffentlicher sozialer Sicherungssysteme, insbesondere mit der international zunehmenden Umstellung der Alterssicherung auf Kapitaldeckungsverfahren, die in Gestalt gigantischer Pensionsfonds die globale Renditesuche institutioneller Anleger in den letzten Jahren in nicht unwesentlichem Maße mit angefeuert hat. (...)

Man muss nicht hellsehen können, sondern nur die Zeichen der Zeit erkennen, um zu wissen, dass sich im Zuge der Materialisierung der wirtschaftlichen Krisen- bzw. Krisenbewältigungsfolgen die regulative Umorientierung des deutschen Sozialstaats fortsetzen und tendenziell verschärfen wird – einschließlich der Tendenz zur politisch-moralischen Entwertung all jener Lebensweisen und Sozialmilieus, die nicht der neuen wohlfahrtsstaatlichen Norm privatisierter Sozialverantwortlichkeit entsprechen. In dieser Konstellation wird jede Form sozialstaatsfreundlicher Politik in den nächsten Jahren vor weiter verengten Handlungsspielräumen und nochmals verschärften Legitimationsnöten stehen. Umso mehr und desto dringlicher ist eine offensive Strategie der politischen Verteidigung eines starken Wohlfahrtsstaates gefragt – als institutioneller Garant der Lebenschancen und Bürgerrechte gerade derjenigen, die erwartbar von den unmittelbaren und mittelbaren Kriseneffekten besonders betroffen sein werden, ohne für die Krisenphänomene selbst verantwortlich zu sein.

(Weiterlesen)

Merkels Kinder-Kabinett feiert Weihnachten

Wer die Fäden zieht

Gespräch mit dem Soziologen Hans Jürgen Krysmanski über globale und nationale Macht- und Funktionseliten.

Hans Jürgen Krymanski ist emeritierte Professor für Soziologie an der Universität Münster und hat sich in seinem Buch "Hirten und Wölfe. Wie Geld- und Machteliten sich die Welt aneignen", das nun in einer zweiten und gründlich überarbeiteten sowie erweiterten Auflage erschienen ist, der Erforschung jener gewidmet, von denen Carl Schmitt in einer lichten Stunden sagte: "Eliten sind diejenigen, deren Soziologie keiner zu schreiben wagt." Inspiriert vom Modell der amerikanischen Herrschaftsstrukturforschung "Power Structure Research", rückt er jenen zu Leibe, welche die monetär gefasste Welt regieren, dabei so einflussreich sind, dass sie öffentlich nicht in Aktion treten müssen und dennoch trotz aller Machtfülle gestürzt werden können. (...)

Hans Jürgen Krysmanski: Diese ultimative Oberschicht - um die sich alles dreht und in deren Safes und auf deren Konten der von allen arbeitenden Menschen erzeugte Reichtum zusammenfließt - steckt in einer Zwickmühle. Einerseits möchte sie sich abschotten, in Ruhe und Muße genießen, beispielsweise den gerade für 90 Millionen Dollar ersteigerten Cezanne oder Picasso oder den für 21 Millionen Dollar erworbenen geschnitzten Art Deco Sessel oder die Turns mit der 150-Millionen-Megayacht oder den Rückzug in den Privatpalast an der Côte d'Azur. Andererseits müssen auch die Superreichen sich in dieser Mediengesellschaft auf irgendeine plausible Art rechtfertigen und deshalb auch sehen lassen. Schon von 120 Jahren hat der amerikanische Soziologe Thorstein Veblen auf die propagandistische Funktion des auffälligen Luxuskonsums hingewiesen. Die 500.000 Euro teure Extraanfertigung eines Ferrari signalisiert [eher: suggeriert] dem Golf-GTI-Fahrer, dass er "eigentlich", mit einigem Glück, doch "vielleicht" auch einmal in diese Kategorie aufsteigen könnte. Und schon ist dieser junge Mann auf diese Art von Glücksgesellschaft fixiert.

(Weiterlesen)

Wilfried Schmickler: Frohe Weihnachten

Putzkräfte leisten für die Gesellschaft mehr als Banker

Die "Leistungsträger", die sich gerne so nennen, um ihren Anspruch auf hohe Einkommen zu rechtfertigen, und politische Parteien, die für den Mittelstand eintreten und damit die "Leistungsträger" meinen, degradieren gerne andere Tätigkeiten und sagen, man müsse den Reichen noch mehr geben, damit sie mehr investieren und Arbeitsplätze schaffen. Der britische Think Tank nef (new economic foundation) hat sich nun mal daran gemacht, den gesellschaftlichen Wert von Tätigkeiten einzuschätzen und kommt dabei keineswegs zu dem Ergebnis, dass gesellschaftlich wertvolle Tätigkeiten mit einem höheren Einkommen belohnt werden.

Natürlich stehen die exorbitanten Boni der Banker und Spekulanten, deren Gewinnstreben für die Finanzkrise mit verantwortlich gemacht wird, im Vordergrund der Studie "A Bit Rich", die die Leistung von Tätigkeiten für die Gesellschaften anhand von drei hoch bezahlten Jobs (Banker, Werbedesigner, Steuerberater) und drei schlecht bezahlten Jobs (Putzkraft in einem Krankenhaus, Arbeiter in einem Recycling-Werk, Kinderbetreuer) quantitativ durch den "social return of investment" (soziale Kapitalrendite) zu bewerten sucht.

(Weiterlesen)

Gegen die Uniformierung des Denkens

Jürgen Roses Buch "Ernstfall Angriffskrieg. Frieden schaffen mit aller Gewalt?"

Im Oktober 1997 fiel der damals 39-jährige Oberstleutnant Jürgen Rose, Sohn des WKII-Jagdfliegers Hans-Joachim Rose, mit seinem Artikel "Die allgemeine Wehrpflicht ist nicht mehr zu halten" nicht nur den Lesern der Frankfurter Allgemeinen Zeitung auf. Aufgeschreckt und anscheinend verunsichert nahmen die Vorgesetzten Einfluss auf die bis dahin mustergültige Karriere des jungen und vielversprechenden Stabsoffiziers. Mit der folgenden Strafversetzung an das Luftwaffenamt Köln-Wahn wurde zwar die militärische Karriere beendet, dafür sollte aber eine publizistische beginnen.

Seither sind Roses Artikel in den Wochenzeitschriften wie Der Freitag, der Neuen Rheinischen Zeitung oder Ossietzky legendär. Das brachte ihm dann weitere Strafversetzungen und Disziplinarbußen bis hin zu 3.000 Euro ein. Doch damit stieg auch sein Bekanntheitsgrad. Nun entwickelte sich Rose zum gern gesehenen Vortragsredner in den Aulen von Universitäten und Talk-Shows bemühen sich um ihn als Gast.

(Weiterlesen)

Jean Zieglers heiliger Zorn

"Erniedrigung, Ausgrenzung, Furcht vor dem Morgen sind das Schicksal hunderter Millionen Menschen. Besonders in der südlichen Hemisphäre. Für ihre Völker sind die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und die Charta der Vereinten Nationen nur hohle Phrasen", erbost sich Ziegler. Wie lassen sich der in Jahrhunderten gewachsene Hass des Südens entschärfen, der Westen zur Wahrnehmung seiner Verantwortung bringen, der globale Dialog aufrechterhalten? "Wie lässt sich eine Weltgesellschaft schaffen, die versöhnt und gerecht ist, die die Identität, die Erinnerungen und das Lebensrecht eines jeden Menschen achtet?" Als einen Beitrag zur Antwort auf diese großen Fragen versteht Jean Ziegler sein neues Buch ["Der Hass auf den Westen"]. Wir müssten "der Tragödie ein Ende setzen", sonst werden Wahnsinnige unseren Planeten mit in den Abgrund reißen, warnt er.

Das klingt pathetisch, fast vermessen im Anspruch. Doch es ist der Weltlage angemessen. Eine tiefe Sorge, dass wir die Chance zur Neuordnung verspielen, durchzieht den Text. Der durch vergangene und gegenwärtige Verbrechen eines selbstgerechten Westens provozierte Hass lähme heute die Arbeit der Vereinten Nationen. Exemplarisch schildert Ziegler das Scheitern der Weltkonferenz gegen Rassismus in Durban. Dort sollte auch das dunkle Erbe des Kolonialismus aufgearbeitet werden. Abdelaziz Bouteflika betonte – als einer der Staatschefs des Südens – dass "ohne Rachsucht" angesprochen werden müsse, "was die einen erlitten und die anderen verübt haben". Auf dieser Basis wäre Wiedergutmachung anzustreben, wären "die Funktions- und Gleichgewichtsstörungen eines Systems" zu beseitigen, "das unbarmherzig auch weiterhin den Mächtigsten zu noch mehr Reichtum verhilft und die Schwächsten in alle Ewigkeit zum Elend verurteilt". Darauf wurde in den Delegationen der Franzosen, Belgier, Briten, wie Ziegler berichtet, mit Hohn und Spott reagiert. Bouteflika habe mit diesem Paukenschlag nur versucht, die Aufmerksamkeit der algerischen Bevölkerung von der Not in seinem Land abzulenken und sie auf die verteufelten Feinde zu richten. Gedächtnisarbeit? Reue? Alles nur eine politische Erpressung, um dem Westen finanzielle und wirtschaftliche Zugeständnisse abzuringen! "Das roch verdächtig nach kolonialer Verachtung." Statt eines Dialoges, wie ihn Kofi Annan erhofft hatte, hagelte es Beleidigungen und Vorwürfe. "Türen knallend verließen Delegierte den Saal, kamen zurück, brüllten, gingen wieder." Später wurde an einer Folgekonferenz in Genf keines der Konfliktthemen auch nur erwähnt; die Schlussresolution blieb "ein Monument sinnentleerter, realitätsblinder Diplomatie".

(Weiterlesen)

Lobbyisten in Berlin - Beispiel Mobilfunk

(...) Das Beispiel Vodafone zeigt, wie Monopole und Staatsorgane miteinander verwoben sind und die Expansion personell abgesichert ist. Vodafone hat in kurzer Zeit ein ausgefeiltes Netzwerk an den Schalthebeln der Macht gestrickt. Hier einige Beispiele: Mark Speich stellte als Planungschef der CDU/CSU-Bundestagsfraktion bis 2008 die Weichen in Berlin, gleichzeitig war und ist er Geschäftsführer der Vodafone-Stiftung. Vito Cecere war Referent im SPD-Planungsstab und in der Wahlkampfzentrale Kampa 02, dann Leiter des Büros des SPD-Bundesgeschäftsführers. Auch war er Referent im Bundeskanzleramt, Leiter der Planungsgruppe der SPD-Fraktion, Leiter der Planungsgruppe im Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS), Referent im Auswärtigen Amt. Zwischendurch war er Leiter von Public Affairs bei der Berliner Vodafone. Cem Özdemir, Bundesvorsitzender der Grünen, sitzt gleichzeitig im Beirat der Vodafone-Stiftung.

Solche Netzwerke bestehen auch bei anderen Konzernen: Dagmar Wiebusch war in der Politikberatung bei ECC Public Affairs (Agentur PLEON), dann elf Jahre Sprecherin und Medienberaterin des SPD-Bundesvorstands. Heute ist sie Geschäftsführerin des IZMF (Informationszentrum Mobilfunk), der PR-Zentrale aller Mobilfunkbetreiber. Andreas Krautscheid war CDU-Bundestagsabgeordneter von 1994 bis 1998, von 1999 bis 2002 Konzernsprecher der Readymix AG, von 2000 bis 2002 Lehrbeauftragter für Medienrecht an der Fachhochschule Bonn/Rhein-Sieg. Ab 2002 leitete er bei der Deutschen Telekom in Bonn die politische Kommunikation, von 2005 bis 2006 war er als Leiter des Bereichs "Interessenvertretung Wirtschaft und Politik" bei T-Systems beschäftigt. Seit 2006 bis 23. Oktober 2007 war Krautscheid unter Jürgen Rüttgers Mitglied der Staatskanzlei NRW, Staatssekretär für Medien, seit dem 24. Oktober 2007 ist er als Nachfolger von Michael Breuer Minister für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien des Landes Nordrhein-Westfalen.

(Weiterlesen)

Dienstag, 29. Dezember 2009

Rote Karte für das System: Deutschland braucht einen neuen Sozialvertrag

Deutlicher hätte der Vertrauensentzug für das politische und wirtschaftliche System Deutschlands nicht ausfallen können. Ausgerechnet die konservative Bertelsmann-Stiftung hat das in einer Studie anhand von Tiefeninterviews jetzt festgestellt ("Vertrauen in Deutschland, eine qualitative Wertestudie"). Danach haben nur noch 31 Prozent ein entgegen dem gesellschaftlichen Gesamttrend relativ hohes Vertrauen und hoffen auf eine Verbesserung des bestehenden Systems. Eine zweite Gruppe von etwa 24 Prozent erklärt sich zwar mit dem bestehenden System grundsätzlich einverstanden, fordert aber einen tiefgreifenden Zielwechsel und eine Neudefinition in zahlreichen Bereichen. Eine dritte Gruppe von ungefähr 20 Prozent der Befragten verlangt als Konsequenz einen "Systemwechsel" in Bezug auf Marktwirtschaft und Demokratie mit mehr Beteiligungsmöglichkeiten für die Bürger. Und 25 Prozent der Befragten erklären, dass sie ihr Vertrauen in "das System" grundsätzlich verloren haben. Sie glauben nicht, dass es überhaupt eine Lösung für ihr Vertrauensproblem gibt.



(Weiterlesen)

Wie unser Essen manipuliert wird

Brot und Milch, das klingt nach unverfälschtem Geschmack. Doch unsere Grundnahrungsmittel verkommen zu Industrieprodukten – durch Zusatzstoffe aufgepeppt, mit Hightech haltbar gemacht.

Falls Sie heute morgen ein Brötchen gegessen haben, könnte es sein, dass sich jetzt diese Stoffe in Ihrem Magen befinden: Mono- und Diacetylweinsäureester von Mono- und Diglyceriden von Speisefettsäuren (E 472 e), Guarkernmehl, Diphosphat, Calciumphosphat, gehärtetes pflanzliches Öl, Ascorbinsäure. Dies klingt schlimmer, als es ist, Calciumphosphat haben wir sogar in den Zähnen, Ascorbinsäure ist auch als Vitamin C bekannt und die anderen Backzutaten sind wahrscheinlich nicht giftig, auch wenn das noch niemand genau untersucht hat. Aber: Ist es das, was wir wollen, wenn wir morgens beim Bäcker Brötchen holen?

Unverpackte Backwaren dürfen in Deutschland ohne Zutatenliste vertrieben werden, daher erfährt niemand, was er kauft. Brötchen mit gerade diesem Chemiecocktail nehmen viele aber besonders gern, weil sie groß, leicht und luftig sind. "Mono- und Diacetylweinsäureester machen Brötchen groß und hohl, dafür schmecken sie aber auch nach nichts", spottet der Lebensmittelkritiker Udo Pollmer. "Sie sind ein Beispiel dafür, wie man mit Zusatzstoffen Lebensmittel pervertieren kann: Man fügt einen Stoff hinzu, um ein Produkt schlechter zu machen." Und steigert dadurch den Absatz, weil die Kunden gerne mehr Geld für große Brötchen ausgeben, auch wenn es Luft ist, die sie kaufen. Das Aufblähverfahren macht gleichzeitig den traditionellen Bäckern das Leben schwer, weil deren Brötchen dagegen mickrig aussehen. (...)

Dabei steht das Grundnahrungsmittel Milch nur beispielhaft für eine allgemeine Entwicklung. Milch ist nicht mehr Milch und Brot nicht mehr Brot. Erdbeerjoghurt ist nicht Joghurt mit Erdbeeren, sondern mit Aroma aus Pilzkulturen versetzt, die nach Erdbeeren schmecken. Käse wird heimlich durch Analogkäse ersetzt und Schinken durch zusammengepresstes Fleisch.

(Weiterlesen)

Grippepanik: Jahrelange Desinformation im "Spiegel"

Jedesmal, wenn eine Virus-Panik wie die Vogelgrippe oder die Schweinegrippe von den Gesundheitsautoritäten losgetreten und von Medien wie dem Spiegel noch mal so richtig angeheizt wird, hieß es immer wieder, alles werde so schlimm wie bei der so genannten "Spanischen Grippe", die zwischen 1918 und 1920 gut 50 Millionen Menschen dahingerafft haben soll. Für dieses Drama soll angeblich das so genannte H1N1-Virus allein verantwortlich [gewesen] sein, hieß es bis dato stets. Dies wollte uns der Spiegel zum Beispiel 2007 in seinem Artikel "Spanische Grippe: Millionen starben an Überreaktion des Immunsystems" weismachen, und auch bei der diesjährigen Schweingegrippe-Panikmache war es nicht anders (...).

Doch nun zitiert Spiegel Online plötzlich eine aktuelle Studie, in der Forscher zitiert werden, die das Fazit ziehen: "Die Spanische Grippe" ist "weit mehr als nur eine Sache von 'ein Erreger verursacht eine Krankheit' gewesen".

Spiegel und Spiegel Online haben also seit Jahren ihren Lesern die Unwahrheit erzählt - und dies, obwohl es ein Leichtes gewesen wäre herauszufinden, dass es keine Beweise dafür gibt und es auch nicht plausibel ist anzunehmen, dass am Ende des 1. Weltkriegs und kurz danach 50 Millionen Menschen allein durch ein Virus umgekommen sind. Dr. med. Claus Köhnlein und ich haben bereits in der 2006 erschienenen ersten Ausgabe unseres Buches "Virus-Wahn" (S. 239 ff.) dezidiert dargelegt, dass eine solche Annahme nicht begründet ist.

(Weiterlesen)

Oberster "Wirtschaftsweiser" will Hartz IV um 30% kürzen

Der Vorsitzende des Sachverständigenrats der Bundesregierung, Wolfgang Franz, fordert eine grundlegende Reform der Hartz-IV-Gesetze. Das Arbeitslosengeld II müsse zu einem Kombilohn ausgebaut werden, sagte Franz unserer Redaktion mit Verweis auf ein Reformmodell des Sachverständigenrats. "Es beinhaltet als Kernstück eine Absenkung des Regelsatzes um 30 Prozent und gleichzeitig bessere Hinzuverdienstmöglichkeiten."

(Weiterlesen)

Anmerkung: So stellt sich also ein "Wirtschaftsweiser" die Zukunft von Millionen von Menschen vor: Man senke das ohnehin vollkommen unzureichende "Existenzminimum" um ein sattes Drittel ab, damit die betroffenen Menschen jede auch noch so erbärmliche "Arbeit" annehmen - die es in der erforderlichen Anzahl gar nicht gibt -, um nicht verhungern oder kriminell werden zu müssen. Und gleichzeitig sollen die verbliebenen Steuerzahler auf diese Weise auch noch Niedrigstlöhne subventionieren. - Merken wir uns dieses Gesicht!


Afghanistan: Briefe von der Front

  1. "Gestern Abend mit einem komischen Gefühl meine Ausrüstung fertig gemacht. Es geht nach Kundus. In den Krieg? Jedenfalls sterben dort Menschen." - Die Weihnachtspost der deutschen Soldaten aus Afghanistan.

    Hallo, mein Liebling, ich bin kaum aus der Tür und vermisse Euch jetzt schon so sehr. Wir fliegen in einer halben Stunde ab, und Du kannst Dir nicht vorstellen, was es für ein Gefühl ist, von Euch getrennt zu sein. Ich melde mich, sobald ich die Möglichkeit habe. Mach Dir keine Sorgen. Ich liebe Dich.
    Oberstleutnant Markus Mossert*, 35, Masar-i-Scharif 2009.
    (*Namen von der Redaktion geändert)

    Nach 6 Stunden Flug ab Köln landeten wir gegen 22:30 Uhr örtlicher Zeit in Termes, Usbekistan. Am nächsten Morgen ging es weiter nach Kabul, endlich mal wieder Transall fliegen. Dieser Lastesel der Bundeswehr fliegt seit knapp 40 Jahren. Zum Pinkeln hätte ich eine Klappe im Flugzeugheck benutzen dürfen, immerhin mit Anstandsvorhang. Ich habe verzichtet.
    Oberstabsarzt Jens Weimer*, 34, Kabul 2006.

    Es war schon ein komisches Gefühl, in Termes aus dem Luftwaffenairbus zu steigen, in den am nächsten Morgen der Sarg mit dem gefallenen deutschen Hauptfeldwebel eingeladen wurde, um ihn nach Deutschland zu fliegen. Die Stimmung als gelöst zu beschreiben würde es nicht treffen.
    Stabsoffizier Hermann West*, 40, Kabul 2008.

    (Weiterlesen)


  2. Qualitäts-Journalismus, wie er selten geworden ist: In einer akribischen Recherche sammelte die Redaktion des "SZ Magazins" Feldpostbriefe, SMS und E-Mails, die deutsche Soldaten vom Einsatz in Afghanistan in die Heimat schickten. Die Schreiben zeigen Einblicke in den Alltag inmitten kriegerischer Auseinandersetzungen. "Dieses Heft", so Chefredakteur Dominik Wichmann, "sollte eigentlich auch der Bundeswehr ein Anliegen sein." Tatsächlich haben die Streitkräfte den "SZ"-Report mit allen Mitteln torpediert.

    Für die Dokumentation hatten etliche Soldaten, vom Gefreiten bis zum Oberstleutnant, ihre Briefe und Unterlagen zur Verfügung gestellt. Die Folge: Wochenlang verschickte die Bundeswehr Mails, mit denen das Erscheinen der Titelgeschichte verhindert werden sollte. Unter dem Druck musste die Redaktion in 18 Fällen die Namen betroffener Soldaten ändern, um diese vor Repressalien zu schützen.

    Mit welcher Intention und Geisteshaltung die Stabsstellen der Bundeswehr vorgingen, zeigen Mails, die dem "SZ Magazin" zugespielt wurden. "Ziel des Artikels", heißt es darin etwa, "ist es nach Aussage der Redaktion, den Lesern einen möglichst realistischen Einblick in den Alltag des deutschen Kontingents zu geben." Und weiter: "Ggf. besitzen die Journalisten bereits Kontakte zu Soldaten, die sich für das Projekt zur Verfügung stellen würden." In typischer Armee-Diktion wird nüchtern festgestellt: "PrInfoStab hat entschieden, das Vorhaben nicht zu unterstützen. Anfragen der 'SZ' nach Kontakten zu Soldaten sind daher abzulehnen."

    Die Redaktionsleitung des Magazins merkt dazu im Editorial an: "Uns ist nicht klar, inwiefern das Ziel, 'einen möglichst realistischen Einblick in den Alltag des deutschen Kontingents zu geben', nicht vereinbar mit den Interessen des Militärs in einem demokratischen Land sein kann."

    (Weiterlesen)

Vom Sozialstaat profitieren die Reichen am meisten

Der Mittelstand hingegen hat das Nachsehen und wird bald den Aufstand proben.

Der Untergang der kommunistischen Staaten in Osteuropa hat den sozialdemokratischen Sozialstaat westeuropäischer Prägung unter zunehmenden Druck gesetzt. Und in der Tat: Der westliche Sozialstaat war, historisch gesehen, in erster Linie eine Maßnahme gegen den Aufstand der Massen, gegen die kommunistische Gefahr, gegen die drohende totale Enteignung der vermögenden Klassen. Solange die Angst vor dem Kommunismus akut war, war auch die Bereitschaft des Bürgertums durchaus vorhanden, in erheblichem Maß Steuern zu zahlen, um die Massen zu pazifizieren und die kommunistische Gefahr zu bannen. Der Sozialstaat, wie jeder Staat überhaupt, dient nämlich weder der Gleichheit noch der Gerechtigkeit, sondern vielmehr der Sicherheit. Und jeder weiß, dass Sicherheit Geld kostet – manchmal auch viel Geld. Allerdings hat das Ende des Weltkommunismus bei vielen das Gefühl erzeugt, dass die Sicherheitslage sich verbessert hat und die Investitionen in die Pazifizierung der Massen dementsprechend gesenkt werden können.

Ob dies stimmt oder nicht, ist eine empirische Ermessensfrage, die nicht theoretisch behandelt werden kann. Es stellt sich aber eine andere Frage, die durchaus von theoretischer Relevanz ist: Gibt es für die vermögenden Klassen einen anderen Grund, den Sozialstaat zu pflegen, außer der etwas antiquierten Aufgabe, die kommunistische Revolution zu verhindern? Nun, ich würde sagen, dass es diesen Grund gibt, denn es ist der Sozialstaat, dem die heutigen vermögenden Klassen ihr Vermögen verdanken. (...)

In letzter Zeit redet man viel über den neuen immensen Reichtum der Superreichen. Auf den Listen mit den Namen dieser Superreichen, die hin und wieder publiziert werden, finden sich die Namen der Besitzer von Aldi oder Ikea neben denjenigen der Ölmagnaten aus Saudi-Arabien und Russland. Nun fragt man sich: Welchen Rohstoff besitzen Deutschland und Schweden, der mit dem Öl verglichen werden könnte? Dieser Rohstoff ist der Sozialstaat. Denn der Sozialstaat erzeugt eine riesige Masse von armen, aber nicht völlig verarmten Konsumenten, die in großer Zahl billige Produkte konsumieren – und somit große Vermögen entstehen lassen. Das heutige Kapital verkauft den Sozialstaat an ihn selbst – und verdient dabei in einem Ausmaß, das früher unvorstellbar schien.

(Weiterlesen)

Anmerkung: Ein bemerkenswerter Artikel für die Zeit. Angesichts der dort vertretenen Ansicht darf man allerdings gespannt die Frage stellen, wieso die "Elite" dennoch so vehement und unnachgiebig daran arbeitet, den Sozialstaat weiter zu zerstören?

Jubiläum ohne Jubel – 10 Jahre Bologna

Hätte es noch eines Beweises dafür bedurft, dass nicht jedes Jubiläum ein Anlass zum Jubeln ist, so wäre der Bologna-Prozess ein geradezu klassischer Beleg. Im folgenden Beitrag will ich der Frage nachgehen, wer von der Umgestaltung der Hochschulen und Studiengänge profitiert und dabei der Reihe nach alle Beteiligten des Prozesses daraufhin untersuchen, welche Konsequenzen sich jeweils für sie aus dem Umstrukturierungsprozess ergeben haben. Es werden dabei auch Begleitumstände berücksichtigt, die nur indirekt zum negativen Gesamtergebnis beigetragen haben, ohne die aber bestimmte Effekte nicht so fatal ausgefallen wären.

(Weiterlesen)

Globalisierung: Die trostlose Heimat des Hampelmanns

Pädagogisch bewusste Eltern schenken ihren Kindern Holzspielzeug statt Plastikware. Doch das Naturprodukt stammt meist aus chinesischer Akkordarbeit - ohne Arbeitsschutz und zu Minimallöhnen. Ein Besuch in Yunhe, wo fast alle internationalen Marken produzieren lassen.

Liu Diandians Lieblingsspielzeug ist ein grüner Traktor aus Holz. "Den hat meine Mama für mich geklaut", verrät die Siebenjährige stolz. Sie hockt zwischen leeren Bierflaschen auf dem Boden und lässt den kleinen Trecker zwischen Stuhl- und Tischbeinen Slalom fahren. Wenn ihr langweilig wird, baut sie krachende Unfälle. Die tiefen Kerben verraten, dass Diandian oft Langeweile hat. Denn sie verbringt viele Stunden allein in dem engen Barackenzimmer. Der Traktor, ein abgewetzter Stoffigel und drei dünne Bilderbücher sind ihre einzigen Spielsachen - und das, obwohl ihre Eltern in einer Spielzeugfabrik arbeiten. Doch zu klauen haben sie nur einmal gewagt, zum Kaufen fehlt ihnen das Geld, und geschenkt bekommt in Yunhe niemand etwas.

Diandian und ihre Eltern, die vor drei Jahren aus der armen Provinz Anhui in die südchinesische Industriestadt gezogen sind, haben kaum eine Vorstellung davon, welche Reise das Spielzeug aus ihrer Fabrik vor sich hat - ebenso wenig wie man sich am anderen Ende der Welt groß Gedanken über seine Herkunft macht. Dabei stammen hunderttausende Geschenke, die in den kommenden Tagen unter deutschen Weihnachtsbäumen liegen werden, aus Yunhe. Allerdings laufen hier nicht die billigen Plastikpuppen vom Band, die "Made in China" seinen zweifelhaften Ruf eingebracht haben. Yunhe fabriziert die Kinderzimmerausstattung der wirtschaftlich Privilegierten, ökologisch Aufgeklärten und pädagogisch Bewussten: Holzspielzeug.

(Weiterlesen)

Montag, 28. Dezember 2009

Afghanistan: "Verglichen mit den Amerikanern waren die Russen immer noch besser"

Die stummen Zeugen der sowjetischen Niederlage sind noch vielerorts zu sehen: Am Rand afghanischer Straßen rosten Panzerwracks der Roten Armee vor sich hin, manche dienen Kindern als Spielplatz. Der sowjetische Einmarsch vor 30 Jahren war Auftakt eines Krieges, der in unterschiedlicher Intensität und mit wechselnden Gegnern bis heute anhält.

Etwas mehr als neun Jahre dauerte es, bis die Soldaten der damaligen Weltmacht geschlagen abzogen. Etwa 1,2 Millionen Afghanen starben während der Besatzung. Trotzdem verklären heute immer mehr Afghanen die Sowjet-Zeit – während die Kritik an den ausländischen Truppen, die seit acht Jahren im Land sind, zunimmt. (...)

Der Ex-Soldat und jetzige Bauarbeiter Munir Ahmad aus Kabul ist nicht gut auf die Sowjets zu sprechen. "Die Kommunisten und Russen", sagt er, seien dafür verantwortlich, dass das Land heute zerstört und ruiniert sei. Doch immerhin hätten die Sowjets – anders als heute die Amerikaner – den Armen geholfen. "Verglichen mit den Amerikanern", sagt Ahmad, "waren die Russen immer noch besser".

(Weiterlesen)

Afghanistan: Es ist auch Steinmeiers Krieg

Die Kundus-Affäre hat Ex-Außenminister Steinmeier erfasst - zu Recht. Es kann nicht angehen, dass die SPD sich vor ihrer Verantwortung für den Skandal und die verkorkste Afghanistan-Politik drückt.

Was wusste Frank-Walter Steinmeier über die Lage in Afghanistan? Die schlichte Antwort muss lauten: Er hätte in seinem Amt als deutscher Außenminister alles wissen können und hätte alles wissen müssen. Zumindest im Blick auf die politische Verantwortung, die er mit seinem Amtseid bei der Berufung auf sich genommen hat. Nachdem jetzt feststeht, dass einer seiner damaligen Beamten schon unmittelbar nach der Tragödie von Kundus über den Tod von unschuldigen Zivilisten informiert worden ist, Steinmeier jedoch in den ersten Tagen nach dem Luftangriff nur vage von "möglicherweise unschuldigen Opfern" redete, steht auch das Urteil fest: Steinmeier ist seiner politischen Verantwortung nicht gerecht geworden. All das liegt auf einer Linie: Verteidigungsminister Jung wollte die Unterlagen über Kundus nicht lesen, Steinmeier war nicht sehr an verfügbaren Informationen interessiert, das Kanzleramt wollte den Vorgang auf bewährte Weise bewältigen: durch Aussitzen.

(Weiterlesen)

Lobbyisten im Umweltministerium - Atomaufsicht in der Hand der Atom-Lobby

Der Umweltverband Deutsche Umwelthilfe DUH) hat Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) aufgefordert, eine umstrittene Personalie in seinem Haus rückgängig zu machen. Dabei geht es um den nach dem Regierungswechsel zu Schwarz-Gelb neu berufenen Leiter der Atomaufsicht des Ministeriums, Gerald Hennenhöfer, der Manager beim Stromkonzern Viag war, einem Eon-Vorläufer.

Die Besetzung des Postens sei nicht nur ein politischer Fehler, der das Vertrauen in die Objektivität der Atomaufsicht erschüttere, argumentiert die DUH. Vielmehr bestünden auch "rechtlich größte Bedenken".

Der Umweltverband verweist auf den Paragrafen 20 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG). Danach dürfe für eine Behörde in einem Verwaltungsverfahren "nicht tätig werden, wer außerhalb seiner amtliche Eigenschaften in der Angelegenheit ein Gutachten abgegeben hat oder sonst tätig geworden ist". Dieses "Mitwirkungsverbot" sei zeitlich unbegrenzt.

(Weiterlesen)

Tennessee Eisenberg: Szene wie im Zombiefilm

Tennessee Eisenberg wurde von der Polizei erschossen - gegen die Beamten wird keine Anklage erhoben. An der Schilderung der Tat durch die Staatsanwaltschaft bleiben Zweifel.

Wenn sich der Polizeieinsatz, der zum Tod des Studenten Tennessee Eisenberg führte, tatsächlich so abgespielt hat, wie ihn die Staatsanwaltschaft schildert, dann muss es eine Szene wie aus einem Zombiefilm gewesen sein.

Zwei Kartuschen voll Pfefferspray mitten in Eisenbergs Gesicht - der Mann wischt sich über die Stirn und fängt lauthals an zu lachen. Ein Schuss von hinten durchs Knie, einer durch den linken Arm - keinerlei Reaktion.

Weitere Schüsse auf die Beine, dann auch auf den Rumpf - wiederum keine Reaktion, der Mann dreht sich nur um und geht jetzt auf die Schützen los. Weitere Schüsse, aus kurzer Distanz. Jetzt endlich geht Eisenberg zu Boden, einer der letzten Schüsse traf ihn ins Herz.

(Weiterlesen)

Lohndrückerei bei der für Daimler tätigen Reinigungsfirma Klüh

Es ist haarsträubend, was Beschäftigte der in den Stuttgarter Werken des Autobauers Daimler tätigen Reinigungsfirma Klüh zu erzählen haben. Von Beschimpfungen und Schikanen, von nicht gezahltem Lohn und Schmiergeld bei der Verlängerung von Arbeitsverträgen hatten Putzfrauen in den vergangenen Wochen in den Medien berichtet. (...)

Eine wichtige Rolle bei der Skandalisierung des Falls hatte der Enthüllungsjournalist und Autor Günter Wallraff gespielt, der bei einem Auftritt im SWR Mitte November meinte, die bei Klüh herrschenden Zustände erinnerten an "frühkapitalistische Zeiten". Er betonte: "Daimler-Benz ist mitverantwortlich für das, was auf ihrem Werksgelände passiert, wenn da Menschen fertiggemacht werden."

(Weiterlesen)

Volker Pispers: Es geht immer nur ums Kohle Machen

CDU/FDP: Für Krisenlasten und Steuergeschenke muss die Mehrheit zahlen

So hat noch jede Rotstift-Debatte begonnen: Angesichts des Rekorddefizits im Haushalt werde in Fraktionskreisen darüber nachgedacht, hieß es am Dienstagmorgen in der Süddeutschen, den Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung zu erhöhen. Das ist der Streit über das Wie – das Ob war in dieser politischen Konstellation ohnehin nie eine offene Frage: Für Krisenlasten und Steuergeschenke muss die Mehrheit zahlen. (...)

Irgendwann musste die Rangelei am Rotstift jedenfalls beginnen, Merkels Politik der Vertagung von Problemen konnte nicht lange aufgehen: Sparen ja, hieß es immer, aber erst im nächsten Haushalt 2011. Angeblich, "um die konjunkturelle Erholung nicht zu gefährden". Dass es um anderes ging, ließ der Bundesfinanzminister vor ein paar Tagen wissen. Es sei "nicht klug", den Katalog der Grausamkeiten "vier Wochen vor einer Wahl" zu veröffentlichen – gemeint ist jene in Nordrhein-Westfalen im kommenden Mai. Da steht die Bundesratsmehrheit auf dem Spiel, und diese Wahl soll für die CDU nicht ein grausamer Sparkommissar gewinnen, sondern ein "Arbeiterführer". (...)

Abgesehen davon lenkt der Gestus der Unvermeidbarkeit, auf den die Debatte umgehend zusammenschnurrte, von den Alternativen ab. Die Einnahmeseite scheint nur dann interessant zu sein, wenn das ohnehin schon Wenige von den Vielen abgeschöpft werden soll. Dass man von wenigen dagegen viel holen könnte, darf keine Rolle spielen. Nicht aus Unkenntnis freilich, sondern mit Absicht: Man dürfe nicht nur einzelne gesellschaftliche Gruppen belasten, warnte ein FDP-Haushälter, ohne Ross und Reiter zu nennen: Privatvermögen, Finanzkapital, Unternehmen.

(Weiterlesen)

Schäubles Milliarden - nicht für den öffentlichen Dienst

  1. Die Angestellten im öffentlichen Dienst wollen mehr Geld - Schäuble weist die Forderung entsetzt zurück. Ob der Staat mehr für seine Angestellten hat, ist jedoch keine Frage des Könnens.

    Der Staat hat kein Geld, sagt Wolfgang Schäuble. Also weist er die Forderung nach fünf Prozent Lohnerhöhung für Krankenschwestern, Erzieher, Sachbearbeiter und sonstige Angestellte im öffentlichen Dienst mit Abscheu und Empörung zurück. Hat der Staat wirklich kein Geld?

    Er hat es gehabt, als er die Konjunkturprogramme auflegte. Er hat es auch gehabt, als die Banken gerettet wurden. Er hat es gehabt, als er die Kurzarbeit in der Industrie finanzierte. Und jüngst hat er auf viel Geld verzichtet, als er den Hoteliers eine unsinnige Senkung der Mehrwertsteuer zuschusterte. Ob der Staat ein bisschen mehr Geld für seine Angestellten hat, ist keine Frage des Könnens, sondern des Wollens und Sollens.

    (Weiterlesen)


  2. Großzügig hat der Finanzminister seinen Koalitionsfreunden Guido Westerwelle und Horst Seehofer ihre Wünsche nach Milliardenentlastungen für bestimmte Kreise erfüllt. Den anderen Schäuble lernen die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes kennen. Ihnen zeigt sich ein besorgter, ein mahnender Finanzminister, der via "Bild"-Zeitung Einblicke in sein Gefühlsleben gewährt und berichtet, wie ihn die Forderung nach fünf Prozent mehr Lohn erschrocken habe.

    In der Sache mag Schäuble gute Argumente vorweisen können. Das aber wird ihm wenig nützen, denn bald wird er merken: Die Steuersenkungen kosten nicht nur Geld, sondern auch Glaubwürdigkeit. Wie will ein Politiker Müllmännern in den Kommunen, Erzieherinnen und kleinen Angestellten in der Verwaltung erklären, für sie sei nichts in der Kasse, wenn er zuvor mit Steuerentlastungen Milliarden verteilt hat?

    (Weiterlesen)

Terrorwahn: In einem Klima der Angst ist jeder verdächtig

In einem Klima der Angst ist jeder verdächtig. Das merkte ein marokkanischer Student, der während des Oktoberfestes inhaftiert wurde - ohne Tatverdacht.

Metallzäune, Panzerfahrzeuge, Hunderte Polizisten, bis an die Zähne bewaffnet - wer in der letzten Septemberwoche des Jahres 2009 zum Oktoberfest aufbricht, kommt leicht auf die Idee, sich im Datum geirrt zu haben. Einen vergleichbaren Großeinsatz erlebt München sonst nur zur alljährlichen Sicherheitskonferenz im Februar. Aber eine Bannmeile um die Bierzelte, das gab es bisher nie. Die Wiesn 2009, ein Fest hinter Gittern: drinnen ein Prosit der Gemütlichkeit, draußen Alarmstufe Rot. Und Tariq Samir ist draußen.

Der Informatikstudent sitzt am Morgen des 26. September zehn Kilometer entfernt im Münchner Norden am Schreibtisch und lernt für seine Diplomprüfung. Sein Blick schweift aus dem Fenster, zum Firmenparkplatz gegenüber seiner Wohnung. An Wochenenden ist der sonst wie leer gefegt, jetzt steht dort ein silbergrauer BMW. Eigentlich würde sich Samir nichts dabei denken. Aber da war dieser Mann vor drei Monaten in der Uni-Bibliothek, der ihn mit einer Handy-Kamera filmte. (...)

Als der BMW gegen zwölf Uhr immer noch nicht verschwunden ist, läuft Samir die Treppe hinunter, um sich den Wagen genauer anzuschauen. Zwei Männer sitzen darin, einer starrt ihn an, der andere wendet den Blick ab. Samir notiert das Kennzeichen und ruft mit dem Handy die Polizei an. Er hat das Telefonat kaum beendet, als der Beifahrer aus dem BMW steigt und zu Samirs Wohnblock läuft. Dann heult der Motor auf, und der BMW entschwindet Richtung Hauptstraße.

Samir ruft noch mal bei der Polizei an. Der BMW gehöre zur Polizei, beruhigt ihn der Beamte, aber "die sind nicht wegen Ihnen da". Der Informatikstudent verständigt eine Anwältin, die er schon länger kennt. Gegen 16 Uhr erhält er eine SMS von ihr: "Sind die immer noch da?" Wieder verlässt Samir die Wohnung, um nach den Beobachtern zu schauen. Nun geht alles sehr schnell: Zwei VW-Busse bremsen neben ihm, Männer springen heraus. Samir sieht eine Nachbarin und schreit, sie solle die Polizei anrufen. Einer der Männer, er trägt eine Sonnenbrille, lacht nur: "Wir sind doch von der Polizei." Samir wird in einen VW-Bus gedrängt und davongefahren.

(Weiterlesen)

Anmerkung: Absolute Leseempfehlung! Dies ist eine der vielen schrecklichen Folgen, die der politisch und medial seit fast zehn Jahren verbreitete Terrorwahn hat: Im Deutschland des Jahres 2009 gibt es wieder willkürliche, tatverdachtslose Verhaftungen, weil jemand eine andere Hautfarbe hat oder einer anderen Religion angehört. Willkommen in der Zukunft.

Schwarz-gelb entsorgt den Rechtsextremismus

Die neue Bundesregierung begreift den Rechtsextremismus offenbar als bloßes Randgruppenphänomen. Ihre Gleichsetzung desselben mit Linksradikalismus und Islamismus bedeutet zugleich einen Paradigma- und Strategiewechsel. Denn laut Koalitionsvertrag sollen die bestehenden Bundesprogramme gegen den Rechtsextremismus mit einem Jahresbudget von zusammen 24 Mio. Euro "unter Berücksichtigung der Bekämpfung linksextremistischer und islamistischer Bestrebungen" in allgemeine Projekte gegen Extremismus umgewandelt werden. Dadurch werden die Gefahren des Rechtsextremismus für die Demokratie relativiert – und bei stabilem Mittelaufkommen weniger Aktivitäten dagegen finanziert. (...)

All diese wichtigen Unterschiede [zwischen Rechtsextremismus und Linksradikalismus] verwischt nun die schwarz-gelbe Koalition bis zur Unkenntlichkeit. Dass sich die neue Bundesregierung erneut auf die ausgetretenen Pfade der Totalitarismus- und, aktueller: der Extremismustheorie begibt, hat primär politisch-strategische Gründe. Denn auf diese Weise maßt sich eine fiktive "politische Mitte" an, konkurrierende Positionen links und rechts von ihr als "undemokratisch" zu stigmatisieren und so vom demokratischen Diskurs auszugrenzen. (...)

Letztlich kaschieren Extremismus- und Totalitarismustheorien, dass die parlamentarische Demokratie weniger von den politischen Rändern als von den Eliten selbst bedroht wird, die ihre Privilegien durch Massenproteste gefährdet sehen und ihre Gegner als "Extremisten" brandmarken, um sie bei unentschiedenen Dritten in Misskredit zu bringen.

(Weiterlesen)

Schwarz-gelb schenkt das Land kaputt

Statt schöner Bescherung sagt unsere Kolumnistin: Liebe Regierung, deine Geschenke will ich nicht! So eine Krisenpolitik ist gefährlich!

Ab Januar bekommt meine Familie mehr Geld: Mit zwei Kindern sind das 40 Euro Plus pro Monat. Anstatt mich aber höflich und artig zu freuen und zu bedanken, möchte ich am liebsten fragen, wohin ich das Geld zurück überweisen kann – ich will es nicht. Es klebt vielleicht kein Blut daran, wohl aber übergroße Dummheit und die verbauten Zukunftschancen vieler Kinder in diesem Land. Dabei klingt es ja zunächst nett, lieb und für manche vielleicht sogar logisch: Wir wollen den Familien mehr Geld geben, denn Familien sind uns wichtig - so die Botschaft der neuen Regierung. Und: Wir wollen die Leistungsträger dieser Gesellschaft entlasten – natürlich steuerlich. Es klingt so beschaulich schön, vor allem in Krisentagen. Sollte uns nicht warm ums Herz werden bei diesen Segnungen?

Mir wird es eher kalt. All diese Geldgeschenke sind reinste Eliten-Förderungs-Politik. Es wird denen nützen, denen es in der Krise noch immer recht gut geht. Von Steuerersparnissen hat nur etwas, wer überhaupt Steuern zahlt. Vom Mehr an Kindergeld hat die Hartz-IV-Familie überhaupt nichts.

(Weiterlesen)

Was schon jeder wusste: Hartz IV ist gescheitert

  1. Bilanz nach fünf Jahren Hartz IV: Die Armut nimmt zu, nicht ab. Die Löhne sinken in den Keller, die Stimmung im Land ist gedrückt. Hartz IV ist der Sumpf, nicht die Rettung.

    Ziehen wir nach fünf Jahren eine Bilanz über den Erfolg von Hartz IV. Erfolg? Erfolg haben Empfänger dieser Leistungen vor allem bei den Sozialgerichten. Die Hälfte der Klagen wegen und gegen Hartz IV ist erfolgreich. Hartz IV ist immer noch ein institutionalisiertes Chaos; es ist Fordern ohne Fördern; es ist der Sumpf, nicht die Rettung.

    Mit Hartz IV hat die Armut im Lande zugenommen. Hartz IV hat die Stimmung im Land niedergedrückt. Das Armutsrisiko ist selbst für diejenigen gestiegen, die mit der Reform wieder in Arbeit gelangt sind: Hartz IV verändert nämlich die Struktur der Arbeitsverhältnisse, die Löhne sinken in den Keller. Die Arbeitsverhältnisse mit Tariflohn werden abgelöst von Ein-Euro- und Mini-Jobs, von befristeten Teilzeit- und Leiharbeitsverhältnissen mit Niedriglöhnen.

    (Weiterlesen)


  2. Der Paritätische [Wohlfahrtsverband] stellt der Politik fünf Jahre nach Einführung von Hartz IV ein vernichtendes Zeugnis aus. Diese Jahre stünden für fünf Jahre Verfassungsbruch und eine tragisch verfehlte Arbeitsmarkt- und Armutspolitik, betont Hauptgeschäftsführer Dr. Ulrich Schneider.

    "Hartz IV ist in der Sache gescheitert und hat zu einer massenhaften Verarmung geführt. Gerichte haben die Regelsätze, die Bescheide von hunderttausenden Betroffenen und die Verwaltungsstrukturen für nicht vereinbar mit Recht und Verfassung erklärt. Im Ergebnis steht unser Land vor einem arbeitsmarkt- und armutspolitischen Scherbenhaufen", so Schneider.

    Keines der ursprünglichen Reformziele sei erreicht worden, bilanziert der Verband. "Statt der schnellen Vermittlung in Arbeit gibt es eine Million Langzeitarbeitslose, die ohne Perspektive politisch im Stich gelassen wurden. Statt einer effizienten bürgerfreundlichen Verwaltung gibt es massenweise falsche Bescheide und häufig ungerechtfertigte Sanktionen. Statt einer Grundsicherung, die vor Armut schützt, werden sieben Millionen Menschen mit pauschalierten Armutssätzen abgespeist", kritisiert Schneider.

    (Weiterlesen)


Anmerkung: Trotz dieser Bilanz dürfen wir uns darauf einstellen, dass Schwarz-gelb die sozialen Daumenschrauben weiter anziehen wird. Denn natürlich war und ist gerade das, was oben negativ bilanziert wird, politisch genau so gewollt. Hartz IV ist kein "politisches Versehen".

Die neoliberale Propaganda geht unbeirrt weiter - Beispiel Süddeutsche Zeitung

(...) Anstatt angesichts des Desasters, das die neoliberale Ideologie weltweit angerichtet hat, wenigsten einen Moment der Reflektion einzulegen, macht die nach wie vor marktradikal ausgerichtete Wirtschaftsredaktion der SZ einfach fröhlich weiter, als wenn nichts geschehen wäre.

Guido Bohsem setzt bei der Rentendiskussion weiter auf die demographische Trumpfkarte; Marc Beise, der neue neoliberale Star, will Deutschland komplett deindustrialisieren und zur "Wissensgesellschaft" umfunktionieren, und Nikolaus Piper, der marktradikale Mentor des Blattes, der heiße Befürworter der "neoliberalen Einwanderungsgesellschaft", der Bejubler deregulierter Finanzmärkte, der Bewunderer von Ackermann und Konsorten, inzwischen Amerika-Korrespondent, kennt in Sachen neoliberaler Ideologie weiterhin keine Kompromisse: Er empfiehlt uns nach wie vor die Orientierung am amerikanischen Modell (...).

(Weiterlesen)

Sonntag, 27. Dezember 2009

Warum das derzeitige Geldsystem unsere Demokratie aushöhlt

Zinskritik ist nicht neu, viele der großen Religionen etwa kannten aus gutem Grund lange das strikte Verbot, Zinsen zu nehmen. Dieter Petschow erklärt hier nochmals eindrücklich, warum eine "demokratische" Gesellschaft nicht gerecht sein kann, solange die Geld-"Ordnung" völlig unkontrolliert in den Händen einer kleinen Gruppe von "Feudalherren" liegt, denen damit das ganze Land gehört. (...)

Geld beherrscht uns! Wer aber herrscht über das Geld? Unser Finanzsystem verschleiert den Durchblick auf grundlegende Strukturen des Gemeinwesens. "Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus" lautet Artikel 20 Absatz 2 des Grundgesetzes. Was aber ist mit der strukturellen Gewalt des Geldes? Wurde das Geld eingebunden in die "freiheitlich demokratische Ordnung"? Wohl kaum. Gelten somit die Artikel 1 bis 19 GG nur innerhalb des staatlichen, nicht aber des wirtschaftlichen Bereichs? (...)

Was ist das eigentlich: Geld? Es kommt aus dem Nichts, wird "geschöpft", heißt "fiat money" in Analogie zu "fiat lux" – "es werde Licht" im Schöpfungsmythos des Alten Testaments. Unglaublich, diese Sprachregelung zur sozialen Potenz des Geldes! Wer Licht schöpft, sei Gott, glauben viele Menschen. Wer Geld "schöpft", wird irdisch-real zu ihrem ­Souverän. Das Münzrecht war immer schon ein Privileg von Monarchen. Der demokratische Staat aber schöpft kein Geld! Er vergibt auch keine Kredite, im Gegenteil, er nimmt Geld auf vom "Schöpfer", dies gegen (kommunales) Eigentum als Pfand. Er verschuldet seine Bürger beim Souverän. Auch Wirtschaft und Privatpersonen bekommen Kredite nur gegen Übereignung und Zinszahlungen an diesen Herrscher. Staatsgesellschaft und Souverän sind demnach nicht identisch. (...)

Dagegen sind die verborgenen Abgaben an den Souverän den meisten Bürgern kaum bekannt. Unser Geldsystem ist kein Gegenstand von Allgemeinbildung. Es gibt keinen Unterricht über seine Grundlagen, denn solches Wissen würde uns Bürger politisch mündig machen.

(Weiterlesen)

Die Evolution des Mitgefühls

Der pessimistische Blick auf die Welt lässt wenig Raum für Hoffnung. Der Mensch, so scheint es und so haben wir es gelernt, ist ein selbstsüchtiges, hinterhältiges und über alle Maßen aggressives Lebewesen. In diesem Blickwinkel mutet es als reines Glück an, dass der Homo sapiens bisher weder den Planeten in Schutt und Asche gelegt hat, noch durch fortdauernden Krieg und rücksichtsloses Morden den Untergang seiner eigenen Spezies herbeigeführt hat. Allerdings könnte beides auch noch eintreffen - hunderttausende von Tierarten hat er schließlich schon vernichtet und der Planet ist immerhin schwer krank.

Glauben wir verschiedenen Vertretern der Evolutionstheorie, dann ist das nicht verwunderlich - die Natur ist eben so: ein blutiger Kampf von allen gegen alle, in dem nur der stärkste überlebt. Jeder ist nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht, es gilt das Gesetz der Konkurrenz, das "Überleben des Bestangepassten", wie Darwin es nannte. Wie von einem unterbewussten Wahn getrieben, stehen wir alle in einer rücksichtslosen Fortpflanzungs-Konkurrenz.

Auf dieser Maxime beruht eigentlich unsere ganze Gesellschaft: Konkurrenz ist der Leitfaden unseres Zusammenlebens. Schon in der Schule lernen wir, uns zu messen und zu vergleichen, spätestens im Arbeitsleben sind wir dann mittendrin im Selektionsprozess. Unsere Wirtschaft, unsere Politik: Alles Konkurrenzsysteme, in denen man dem anderen nicht trauen kann, die "Konkurrenz" gehört besiegt. Gelächelt wird nur zum Schein. Und wir alle glauben: So ist das eben.

Aber so ist es eben nicht.

(Weiterlesen)