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Anmerkung: Das ist eine nette, unterhaltsame Rede, keine Frage - sie macht aber auch deutlich, dass die Linkspartei längst mitten im Kapitalismus angekommen ist und heute schlicht eben die Positionen vertritt, für die in vergangenen Jahrzehnten einmal die SPD und teilweise die Grünen zuständig waren. Der scharfe Rechtsruck des gesamten Parteienspektrums wird hier überdeutlich.
Die heutige Linke kann ebensowenig wie die SPD der 70er Jahre einen Weg aus diesem Horrorsystem heraus ebnen - wohin ein solcher Versuch vor 40 Jahren geführt hat, dürfen wir ja alle heute am eigenen Leib erleben.
Die alberne Demokratiesimulation im Bundestag ist auch anhand dieses Videos gut zu erkennen - die Marionetten, die Gysi anspricht, sind während der Rede größtenteils damit beschäftigt, sich mit ihrem Handy oder dem Sitznachbar zu beschäftigen, anstatt zuzuhören. Das ist keine Demokratie, das ist absurdes Theater auf Kindergartenniveau.
Merkel und der Rest der korrupten Bande sitzt dort während jener "Debatte zum Haushalt" (die keine ist, da ja nicht debattiert wird) doch nur deshalb, weil das zumindest gelegentlich noch nötig ist, um das himmelschreiende Zerrbild einer völlig absurden Scheindemokratie medial weiter aufrecht erhalten zu können. Niemanden dort interessiert es, was die jeweiligen RednerInnen zum Besten geben, irgendwelche Auswirkungen hat das erst recht nicht. Der Begriff "Quasselbude" aus der Weimarer Zeit als Synonym für dieses böse Schauspiel scheint mir ziemlich treffend zu sein.
Nicht zuletzt können wir ja alle nachprüfen, was die Linkspartei tut, wenn sie tatsächlich in "Regierungsverantwortung" kommt - beispielsweise in Berlin, aber nicht nur dort, war das Ergebnis - oh, welch eine Überraschung! - stets eine stramme Fortführung des kapitalistischen Untergangskurses der neoliberalen Einheitspartei (NED) der Schwarz-Rot-Gelb-Grünen.
Wir brauchen keine weitere Blockpartei - auch wenn die Linke in der Opposition in diesem untergehenden System eine gute und wichtige Funktion erfüllt. Letztlich ist sie aber nichts anderes als eine zeitgemäße Neuauflage der ehemaligen SPD - und damit sowohl ein Teil des Systems, als auch ein Teil des Problems.
Im Rahmen dieses pseudodemokratischen Systems der Herrschaft der Superreichen ist keine Abhilfe mehr möglich - daran ändert auch ein gut sprechender Millionär [sic!] wie Gysi nichts. Von den übrigen Gestalten in diesem Horrorkabinett wie beispielsweise Merkel, Kauder, Gabriel, von der Leyen und all den anderen zwielichtigen Figuren und Huren des Großkapitals will ich gar nicht erst sprechen.
Ich verstehe sehr gut, dass manch einer in einer so erbärmlichen Zeit in der Endphase des Kapitalismus wie heute eine solche Rede und solche (eigentlich völlig selbstverständlichen) Forderungen gut findet. Dennoch bleibt es dabei: Eine Symptombekämpfung - ganz egal, wie ausgeprägt sie auch sein mag - hilft letzten Endes nicht im Geringsten weiter. Wenn die Ursachen nicht angegangen werden, wird der Kapitalismus immer wieder dieselben katastrophalen Auswirkungen haben und regelmäßig erneut im finstersten Faschismus und Untergang münden.
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Nachtrag 15.09.: Ursprünglich war dieser Text ein Kommentar beim Doctor - wer das nicht ohnehin mitbekommen hat, sollte dort nachlesen. Das lohnt sich sowieso meistens.
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Der Wähler
"Und wiederum sind die Würdigsten berufen, den Bürger darüber aufzuklären, was ihm frommt."
(Zeichnung von Thomas Theodor Heine [1867-1948], in "Simplicissimus", Heft 50 vom 12.03.1928)
(Frédéric Chopin [1810-1849]: "Ballade Nr. 1", Opus 23, komponiert zwischen 1831 und 1835)
Anmerkung: Diese Filmszene stammt aus Roman Polanskis Meisterwerk "Der Pianist" (2002). Kurz zum Hintergrund (zitiert und teilweise korrigiert aus Wikipedia): "Der Film beginnt mit Originalaufnahmen des Warschauer Straßenlebens aus dem Jahre 1939. Władysław Szpilman ist ein herausragender und in Warschau hochangesehener polnisch-jüdischer Pianist. Es ist der 3. September 1939: Szpilmans Studioarbeit wird durch die Bombardierung Warschaus durch die deutsche Luftwaffe unterbrochen. Szpilmans verängstigte Familie, bestehend aus dem Vater, der Mutter, der Schwester Halina und dem Bruder Henryk hören am Telefon, dass Großbritannien dem Deutschen Reich den Krieg erklärt hat und sie hofft, dass sich alles bald zum Guten ändern wird. Als 1939 die deutschen Truppen in Warschau einmarschieren, wird das Leben besonders für die Juden unerträglich. Die deutsche Besatzungsmacht entwickelt immer neue Schikanen vor allem für die Juden. Auf der Straße sind sie der Willkür der Besatzungssoldaten ausgesetzt. Nach einer Weile müssen die Szpilmans ins Warschauer Ghetto übersiedeln. Dort geht es [wie für alle internierten BewohnerInnen dort] für die Familie bald ums nackte Überleben. Während einige Ghettobewohner sich mit Schwarzarbeit oder der Arbeit im jüdischen Ordnungsdienst über Wasser halten, sind die Szpilmans wegen ihrer Naivität und ihres Stolzes vom Verhungern bedroht. Sie werden Zeugen vom Elend des Ghettolebens, von Demütigungen der Bewohner und willkürlichen Morden durch die deutschen Soldaten. Władysław Szpilmans gute Beziehungen zu einem einflussreichen jüdischen Polizisten rettet seinem Bruder einmal das Leben. Eines Tages werden die Bewohner des Ghettos auf dem "Umschlagplatz" versammelt. Von dort aus erfolgt der Abtransport in das Vernichtungslager Treblinka. Dort werden seine Eltern und Geschwister ermordet. Dank der spontanen Hilfe eines Mitglieds des jüdischen Ordnungsdienstes entgeht er dem Abtransport, gehört nun aber zu den Zwangsarbeitern, die unter strenger Bewachung in Betrieben außerhalb des Ghettos arbeiten müssen. Dies nutzt er aus, um Pistolen für Mitglieder der jüdischen Widerstandsbewegung in das Ghetto zu schmuggeln. Später gelingt ihm die Flucht aus dem Ghetto.
Szpilman kann den Beginn des Aufstandes im Ghetto am 19. April 1943 von einem Versteck aus beobachten. Um nicht gefasst zu werden, muss er das Versteck wechseln. Er leidet Hunger und erkrankt, wird aber von einem polnischen Arzt behandelt. Während eines Gefechts zwischen Deutschen und Polen während des Warschauer Aufstandes wird sein Versteck beschossen. Er flieht erneut, irrt durch die völlig zerstörte Stadt und versteckt sich in einem Haus. Dort hört er die Klänge von Beethovens Mondscheinsonate. Nachts entdeckt ihn ein deutscher Offizier; es ist Wilm Hosenfeld.
Hosenfeld [fordert Szpilman auf, der ihm auf die damals übliche scharfe Nachfrage flehentlich erklärt, er sei "bloß ein Pianist"], ihm auf dem [in der Ruine herumstehenden] Flügel etwas vorzuspielen. Szpilman spielt [daraufhin die] Ballade Nr. 1 von Chopin (diese wurde nach dem gescheiterten polnischen Novemberaufstand gegen die russische Besatzung komponiert als Ausdruck [des] Freiheitsstrebens) und Hosenfeld hört bewegt zu. Von da an, bis zum Rückzug der Deutschen Ende 1944, versorgt Hosenfeld Szpilman in seinem Versteck mit Lebensmitteln. [Kurz vor seiner Flucht vor der Roten Armee] schenkt Hosenfeld dem Pianisten noch seinen Offiziersmantel, der [diesem] beim Einmarsch der Roten Armee in Warschau fast noch zum Verhängnis wird [da die russischen Soldaten Szpilman wegen dieses Mantels zunächst für einen deutschen Offizier halten]."
Ich habe bislang keine bewegendere Interpretation dieses grandiosen Musikstückes gehört.
Die Erde bebt noch von den Stiefeltritten.
Die Wiesen grünen wieder Jahr für Jahr.
Die Qualen bleiben, die wir einst erlitten,
ins Antlitz, in das Wesen eingeschnitten.
In unsren Träumen lebt noch oft, was war.
Das Blut versickerte, das wir vergossen.
Die Narben brennen noch und sind noch rot.
Die Tränen trockneten, die um uns flossen.
In Lust und Fluch und Lächeln eingeschlossen
begleitet uns, vertraut für immer, nun der Tod.
Die Städte bröckeln noch in grauen Nächten.
Der Wind weht Asche in den Blütenstaub
und das Geröchel der Erstickten aus den Schächten.
Doch auf den Märkten stehn die Selbstgerechten
und schreien, schreien ihre Ohren taub.
Die Sonne leuchtet wieder wie in Kindertagen.
Die Schatten fallen tief in uns hinein.
Sie überdunkeln unser helles Fragen.
Und auf den Hügeln, wo die Kreuze ragen,
wächst säfteschwer ein herber neuer Wein.
(Wolfgang Bächler [1925-2007], in: "Die Erde bebt noch. Frühe Gedichte 1942-1957", Fischer 1988; zuerst in: "Die Erde bebt noch", 1947)
Anmerkung: Von Bächler ist die wunderbare Selbstbeschreibung überliefert: "Ich bin ein Sozialist ohne Parteibuch, ein Deutscher ohne Deutschland, ein Lyriker ohne viel Publikum ... kurzum ein unbrauchbarer, unsolider, unordentlicher Mensch, der keine Termine einhalten und keine Examina durchhalten kann und Redakteure, Verleger und Frauen durch seine Unpünktlichkeit zur Verzweiflung bringt." Ich wüsste nicht, wie man sich mit so wenigen Worten noch besser und sympathischer vom hochglänzenden Lügenterror der neoliberalen Bande und ihrem faschistoiden Menschenbild abgrenzen könnte.
(...) Fast jede deutsche Universität hat inzwischen etwas, das sich Career Service nennt. Oder Career Center. Oder Career Development Center. Oder Professional Center. Das sind Einrichtungen mit Räumen auf dem Campus und eigenen Portalen auf den Uni-Homepages. Das "Career Service Netzwerk Deutschland" vernetzt die Career-Einrichtungen miteinander, und wenn man das alles hört, kriegt man als normaler Mensch ja eigentlich schon Kopfschmerzen, als hätte man zehn Spam-Mails hintereinander gelesen, aber es geht gerade erst los.
(Weiterlesen)
Anmerkung: Kopfschmerzen waren noch das geringste Problem, mit dem ich nach dem Lesen dieses erfreulich sarkastischen FAZ-Artikels zu kämpfen hatte - ich schwankte eher in einem diffusen Zustand, der sich wild hin und her springend zwischen hysterischem Gelächter und tiefster Resignation bewegte. Was hat diese Bande bloß aus den Universitäten gemacht? Es ist noch keine 20 Jahre her, da war ich selbst ein Teil dieser Studentenwelt, die auch damals schon - wenn auch in gänzlich anderer Hinsicht - eine Art "Paralleluniversum" war. Aber was sich da heute abspielt, spottet jeder Beschreibung: Von der Einführung der Schmalspur-Studiengänge ("Bachelor") nach amerikanischem Negativ-Vorbild, über "Leistungspunkte" und die stetige Verschulung der entkernten Studiengänge bis hin zu diesen hirnschmelzenden "Career Centern" mit ihrem BWL-infizierten, vernebelnden Neusprech sind die heutigen Hochschulen in weiten Teilen inzwischen zu einem flammenden Fanal des Zerstörungswerkes der neoliberalen Ideologie verkommen.
Im Text wird gelegentlich sarkastisch an den eigenen Verstand erinnert, den sogar fast jeder Studierende besitze - allerdings sind für die Förderung eben dieses Verstandes nun nicht mehr die Universitäten zuständig: Dort sollen künftig lediglich marktkonforme, kritiklose Fachidioten herangezüchtet werden, die das perverse, asoziale Spiel des "Wettbewerbs" - also das "Ausstechen" und "Heruntermachen" aller "MitbewerberInnen" stets nur zum eigenen Vorteil - vorzüglich beherrschen und dabei selbstverständlich mit allen Tricks, Betrügereien und Täuschungen arbeiten, die für den Kapitalismus so evident sind. Und dass jene Betrügereien nun auch noch ganz offiziell in entsprechenden "Seminaren" von den Studierenden "erlernt" werden sollen, ist eine dermaßen hanebüchene, offen zur Schau gestellte Perversion, dass es mir dazu glatt die Sprache verschlägt.
Gelernt habe ich beim Lesen dieses Textes auch etwas, nämlich beispielsweise, dass man heute so etwas wie "International Business Administration" studieren kann. Ich bin mir fast sicher, dass ich allerspätestens an dieser Stelle den alten Humboldt vernommen habe, wie er sehr geräuschvoll im Grab rotierte und nach der Enterprise schrie, damit er endlich, endlich abgeholt werde.
Eines ist sicher: Von der nächsten Generation der Akademiker ist in Sachen Empathie, sozialer Kompetenz und Humanismus - auch wenn das fast zu irrsinnig ist, um es sich überhaupt vorstellen zu können - tatsächlich noch weniger zu erwarten als von der heutigen. Die neoliberale Bande macht Nägel mit stählernen Köpfen - und damit ernst. Die Zementierung der konsequenten Unbildung und Konformität ist in vollem Gange - die nächsten Zombiehorden stehen in den Startlöchern.
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Modernisiertes Hochschulwesen
"Angesichts der Zunahme des Werkstudententums sieht sich die Professorenschaft genötigt, ihre Vorlesungen jeweils an der Arbeitsstelle ihrer Hörer abzuhalten."
(Zeichnung von Alfred Pichel [1896-1977], in "Simplicissimus", Heft 31 vom 02.11.1931)