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Nach den Ausschreitungen in Großbritannien sieht Philosophie-Professor Raymond Geuss aus Cambridge die Politik am Ende ihrer Möglichkeiten. Im Interview mit tagesschau.de erklärt Geuss, wie es überhaupt so weit kommen konnte. Sein Rat: ein radikaler Neuanfang, der die Ökonomie des Landes komplett umstrukturiert.
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Anmerkung: Es ist erstaunlich, dass ein solches Interview ausgerechnet auf den Propagandaseiten der Tagesschau zu finden ist. Allerdings wird es ja nicht lange dort verbleiben ... wer es also lesen möchte, sollte sich sputen.
Die meines Erachtens wichtigste Passage daraus ist diese - denn sie trifft keinesfalls nur auf Großbritannien zu, sondern auf alle kapitalistisch orientierten Staaten unserer Zeit, also auf nahezu alle: "Langfristig hilft nur eine ganz andere Politik: eine Politik der Umverteilung, der gerechten Organisation von ökonomischen Strukturen. Man müsste neue Kontrollmechanismen für die Finanzwelt einführen. Man müsste den Steuersatz erhöhen. Das alles aber steht zurzeit nicht auf der politischen Tagesordnung. Mir scheint fraglich, ob dazu überhaupt der politische Wille besteht. Im Grunde ist das System am Ende. Im Rahmen dieses ökonomischen Systems in Großbritannien ist keine Lösung möglich."
Wir dürfen uns also fragen: Wenn im Rahmen des bestehenden Systems keine Lösung möglich ist - wie wird sich die "Elite" wohl diesmal entscheiden? Wird sie das System tatsächlich ändern bzw. eine Veränderung (zum Positiven) zulassen - oder ist ihr die Lösung der Probleme schlichtweg egal? - Ich glaube, die Antwort dürfte nicht allzu schwierig vorherzusagen sein, wie auch der Herr Professor dezent bemerkt.
Eine andere mögliche Lösung taucht in diesem Interview gar nicht auf: In den 20er und 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts stand man vor ganz ähnlichen Fragen und Problemen - und es sollte hinlänglich bekannt sein, welche unsägliche Katastrophe daraus erwachsen ist.
Wenn das System am Ende ist, muss logischer Weise ein neues System beginnen. Wir sollten diesmal nicht der neoliberalen Bande die Entscheidung darüber überlassen, welches System das sein wird. Empört euch, geht auf die Straße, geht wählen und gebt diesmal einer Partei eure Stimme, die tatsächlich eure Interessen vertritt und dies nicht nur vorgibt.
- Mit bisher unbekannter Radikalität bewirtschaftet in den USA eine neue Rechte die Krise, die sie selbst zu verantworten hat. Das stößt auch altgediente Konservative ab, für die Reagan ein Idol war. Ein Kommentar.
(...) Moore schreibt: "Ich habe mehr als 30 Jahre gebraucht, um mir diese Frage zu stellen. Aber heute muss ich es tun: Hat die Linke doch Recht?" Und fährt fort: "Die Reichen werden reicher, aber die Löhne sinken. Die Freiheit, die dadurch entsteht, ist allein ihre Freiheit. Fast alle arbeiten heute härter, leben unsicherer, damit wenige im Reichtum schwimmen. Die Demokratie, die den Leuten dienen sollte, füllt die Taschen von Bankern, Zeitungsbaronen und anderen Milliardären."
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- "Ich beginne zu glauben, dass die Linke recht hat" / Im bürgerlichen Lager werden die Zweifel immer größer, ob man richtig gelegen hat, ein ganzes Leben lang. Gerade zeigt sich in Echtzeit, dass die Annahmen der größten Gegner zuzutreffen scheinen.
(...) Das große Versprechen an individuellen Lebensmöglichkeiten hat sich in sein Gegenteil verkehrt. Es ist Moore, der hier spricht und der einst im Thatcherismus alter Prägung die größtmögliche Erfahrung gesellschaftlicher Perfektion erblickte: "Ihre Chancen für einen Job, für ein eigenes Haus, eine anständige Pension, einen guten Start für ihre Kinder, werden immer kleiner. Es ist, als ob man in einem Raum lebt, der immer mehr schrumpft. Für Menschen, die nach 1940 geboren wurden, ist dies eine völlig neue Erfahrung. Wenn es noch länger so weiter geht, wird sie ziemlich schrecklich werden."
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Anmerkung: Es ist erfreulich (wenn auch viel zu spät), dass diese schnöde Erkenntnis sich allmählich offenbar auch in Mittelschichtskreisen herumzusprechen scheint - jetzt, da man auch dort zu spüren beginnt, wie die Pfründe zugunsten der Superreichen schwinden. Freilich geht das Eingeständnis dieser "Bürgerlichen" bei weitem nicht weit genug - es wird weder der Kapitalismus an sich, noch sein groteskes Geldsystem in Frage gestellt.
Bei dieser Kritik handelt es sich schlicht um die ewige Verteilungsfrage von Vermögen, die nun - wie schon seit Jahren vorausgesagt - selbstredend auch in der Mittelschicht angekommen ist. Als es "nur" andere waren, die von diesem System ausgebeutet, unterdrückt und sogar ermordet wurden (wie beispielsweise all die verhungerten Menschen der so genannten "Dritten Welt"), war das alles kein Thema - das haben nur "linke Spinner" zum Thema gemacht. Aber jetzt, wo es ans eigene Bankkonto und die eigenen Sicherheiten geht, da stimmen sie plötzlich ein in den Chor der Armen. Das ist erbärmlich und widerwärtig.
Ich kann die Lobhudeleien, die diese beiden Kommentare in sehr vielen Blogs ausgelöst haben, nicht nachvollziehen - schließlich schreiben hier zwei konservative Schlipsträger, die bislang eher durch radikal-neoliberale Glaubensbeschwörungen aufgefallen sind, schlichte Teilweisheiten nieder, die progressive Denker schon seit Jahrzehnten formulieren. Auswirkungen auf die politischen Akteure der neoliberalen Bande wird das ohnehin nicht haben - das kann man aktuell bereits am skandalösen Verhalten der britischen Regierung sehen, die beispielsweise Internetsperren fordert und drakonische Strafen für Randalierer verhängen lässt und damit die Gewaltenteilung ad absurdum führt.
Wir sind längst in einem Stadium angekommen, in dem Worte der Einsicht - auch dann, wenn sie tatsächlich ehrlich sein sollten - nicht mehr ausreichen. Jetzt wären Taten gefragt - und zwar solche mit Hand und Fuß. Jetzt wäre es an der Zeit, Privatisierungen zu stoppen und rückgängig zu machen, Banken zu verstaatlichen und zu zerschlagen, rigorose Finanzgesetze zu erlassen, Steuern für Superreiche massiv zu erhöhen, das Geldsystem in die staatliche Hand zu legen und zu reformieren, obszöne Managergehälter zu beschneiden, ausreichende Mindestlöhne für alle Menschen einzuführen, Drangsalierungsgesetze wie Hartz IV oder die Überwachungs- und Terror-Gesetze abzuschaffen ... usw. usf. - Nichts davon ist auch nur im Ansatz am Horizont erkennbar. Das Gegenteil ist der Fall.
Viele einzelne Sätze aus beiden Kommentaren kann man genüsslich zitieren und unterschreiben - angesichts der aktuellen Politik bleibt davon aber nur ein schaler Geschmack übrig, der wie ein leiser Windhauch im Herbst rückstandslos im Nirwana der Bedeutungslosigkeit verschwindet. Und die Blätter fallen derweil weiter - wie gewohnt.
Eine krebskranke Frau liegt im Krankenhaus, derweil durchsucht das Jobcenter ihre Wohnung: Grundrechtswidrig, aber nicht mehr ungewöhnlich, sagen Hartz-IV-Kritiker.
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Anmerkung: Nach dem letzten Posting bedarf es hier wohl nicht mehr so vieler Worte. An diesem Beispiel wird überdeutlich, wohin die Allmacht und Zielsetzung der "Jobcenter" (und in diesem Fall wird diese Behördenbezeichnung in ihrer ganzen kafkaesken Absurdität offensichtlich) logisch führt.
Alle Arbeitslosen stehen unter dem Generalverdacht des "Leistungsmissbrauchs" - wer arm ist, ist nach diesem Denken automatisch potenziell kriminell und muss überwacht und gemaßregelt werden. Es ist ein unerträgliches, schlicht perverses Menschenbild, das dieser Haltung zugrunde liegt. Und selbstverständlich ist das rechts- und natürlich auch grundgesetzwidrig.
Als kleines Zückerchen berichtet die taz am Ende noch: "Was nicht aufgehoben wurde, (...) sei eine 10-prozentige Sperre für die Monate Mai, Juni und Juli, da während der Zeit des Krankenhausaufenthalts der Postzugang nicht gewährleistet gewesen sei." - Das setzt dem ganzen ekeligen braunen Haufen noch die Krone auf, denn man muss wissen: Die "Jobcenter" verschicken niemals Einschreiben oder verlangen irgendwelche andere "Postzugangsbestätigungen" für behördlicherseits verschickte Schreiben - wenn die mal nicht ankommen, hat der Bürger einfach Pech. Umgekehrt gilt das indes nicht: Wenn man als Bürger nicht nachweisen kann, dass ein Schreiben oder Dokument die Behörde auch wirklich erreicht hat, dann gab es dieses Schreiben oder Dokument im Zweifel eben nie. - In anderen Zusammenhängen nennt man so etwas "Auswüchse eines Unrechtsstaates".
Abgesehen davon erfährt man hier auch, wie ein "Jobcenter" sich gerne verhält, wenn der Sachbearbeiter davon Kenntnis hat, dass ein Mensch ernsthaft erkrankt ist. Wer beispielsweise mit der Diagnose Krebs konfrontiert wird, kann sich sicherlich auf viel Anteilnahme in der Familie und im Freundeskreis einstellen und kann eventuell sogar auf die Hilfe der Krankenkasse oder anderer Institutionen hoffen, in der Todesangst oder der psychischen Vorbereitung auf den eigenen Tod nicht ganz allein gelassen zu werden. Worauf man aber niemals hoffen darf, ist das "Jobcenter". Da fehlen halt irgendwelche "Nachweise" und man kürzt rigoros das Geld - auch für einen Todkranken oder vom Tode Bedrohten. Allein daran ist deutlich zu erkennen, wes' Geistes Kind diese Behörde ist. Das Wort "sozial" hat in diesem Umfeld wirklich nichts verloren - das Wort "faschistisch" dafür umso mehr.
Das gleiche gilt im Übrigen für Behinderte.
Interview mit dem arbeitslosen Akademiker Lars Okkenga über sein Leben [mit] Hartz IV
(...) Als Druckmittel auf Lohnabhängige eignen sich die Arbeitsmarkt-Reformen jedoch ausgezeichnet. Auf der Strecke bleiben als "Kollateralschäden" die Menschen, die in die Maschinerie des Hartz-IV-Betriebes geraten und am Existenzminimum ihr Dasein fristen müssen. Mit der ökonomischen ist auch eine juristische Entrechtung verbunden: Hartz-IV-Bezieher sind der Willkür ihrer Sachbearbeiter ausgeliefert, werden mit der permanenten Drohung von möglichen Sanktionen (welche eine erhebliche Existenzgefährdung der Bezieher bedeuten) gefügig gehalten, sind genötigt, 1-Euro-Jobs zu akzeptieren und müssen ein ums andere Mal sinnlose "Maßnahmen" über sich ergehen lassen. Telepolis hat mit dem gelernten Soziologen Lars Okkenga ein Gespräch über seine Erfahrungen mit Hartz IV geführt.
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Anmerkung: Der Bericht dieses Akademikers sollte vor allem all jene Dampfplauderer der "Mittelschicht" oder jene, die sich dieser Schicht noch zugehörig fühlen, aufschrecken. Es gibt zwar viele ähnliche und teils noch weitaus drastischere Schilderungen darüber, wie arbeitslose Menschen von den Behörden drangsaliert, schikaniert, konsequent entrechtet, bevormundet und sanktioniert (sprich: in die Obdachlosigkeit geschickt) werden - dennoch ist dieses Beispiel sehr markant und illustriert deutlich den zunehmenden Terror, den diese so verharmlosend und irreführend "Jobcenter" genannten Behörden deutschlandweit verbreiten.
Es ist nur ein Treppenwitz am Rande, dass die neoliberale Bande seit Jahrzehnten die immer gleichen Plärrsprüche vom "Bürokratieabbau", von "Deregulierung" und "weniger Staat" in die Welt posaunt und parallel dazu ein solches allmächtiges Bürokratiemonster aufgebaut hat, das gleich millionenfach Menschen entwertet, entrechtet und umfassend bevormundet. Mit ihren Sprüchen meinte die Bande nicht uns Bürger ... sondern lediglich die Konzerne und Banken. Auch Telepolis muss sich hier wieder den Vorwurf gefallen lassen, Hartz IV als "Arbeitsmarktreform" zu bezeichnen. Das war keine "Reform", sondern schlicht eine Deformierung - die Perversion einer Reform.
Dass dieses Bürokratiemonster, das durch die ersatzlose Abschaffung der ehemaligen Arbeitslosenhilfe von Schröder und seiner rot-grünen Bande (freilich unter aktiver, freundlicher Mithilfe der schwarz-gelben Kameraden) ersonnen und geschaffen wurde, in erster und wichtigster Linie dazu dient, die Statistik der Arbeitslosenzahlen zu fälschen und Bürger (auf welchem - auch rechtswidrigem - Wege auch immer) aus dem Leistungsbezug zu drängen, müsste sich inzwischen schon recht weit herumgesprochen haben. Auch die Tatsache, dass erst durch Hartz IV der von Schröder & Co. so glühend herbeigesehnte "Niedriglohnsektor" in dieser immensen Größe entstehen konnte und "nebenbei" auch das allgemeine Lohnniveau massiv unter Druck gesetzt und gesenkt hat, müsste inzwischen weithin bekannt sein.
Nicht so bekannt sind vielleicht die konkreten, fatalen Auswirkungen auf einzelne Menschen und Familien, die millionenfach in dieses menschenverachtende Mühlsteinsystem hineingepresst werden. Das Interview sollte also sehr aufmerksam gelesen werden, damit einjeder merkt, was ihm möglicherweise schon recht bald droht (vgl. "Arbeitslosigkeit steigt rasant").
Man muss konstatieren, dass es auch heute noch genug Menschen gibt, die offenbar kein Problem damit haben, in einer Behörde zu arbeiten und im staatlichen Auftrag Menschen zu drangsalieren, zu schikanieren, zu entrechten, zu bevormunden und ihnen sogar den letzten Rest einer Existenzgrundlage zu entziehen. Das gab es alles schon einmal, und es fing damals vergleichsweise "harmlos" an. Doch wie weit werden diese Behördenmenschen wohl diesmal gehen?