Bis zur Böhmermann-Affäre sollte es noch ein ganzes Jahr dauern, da hat der Kabarettist und aktuelle "Die Partei"-Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten, Serdar Somuncu, in einem Interview mit der Journalistin Mely Kiyak das Personal der öffentlich-rechtlichen TV-Sender, speziell des WDR, kollektiv als "Arschlöcher" und die Anstalten als "Keimzellen des Faschismus" bezeichnet:
Für die einen mag dies nur eine Bestätigung des Vorwurfs der "Lügenpresse" sein. Für mich sind die von Somuncu sehr emotional und mit Empörung vorgetragenen Vorwürfe der eigentliche Skandal, zu dem sich der WDR natürlich bisher nicht geäußert hat. Stattdessen hat ihn die WDR-Redakteurin Elke Thommessen (u.a. zuständig für Carolin Kebekus' "PussyTerror TV" und überdies WDR-Personalrätin) mit Unterstützung des Senders wegen Beleidigung verklagt. Sie habe erst im letzten Jahr Kenntnis von dem Video bekommen. Somuncus Humor ist nicht mein Ding, aber wie er sich in dem Video äußert, beeindruckt mich sehr. Er spricht mir aus der Seele. Ich hätte mir allerdings gewünscht, dass er ein paar konkrete Beispiele für die Zensur präsentiert hätte - doch vielleicht kommt das ja noch im Verlauf des nun anstehenden Zivilprozesses.
Trotzdem kann Somuncu ja noch froh sein, dass er nicht "Keimzelle des Kommunismus“ gesagt hat, denn dann wäre die kollektive Beleidigung erheblich höher bewertet worden. Schließlich haben die Öffentlich-Rechtlichen kein Problem damit, immer wieder VertreterInnen rechtsradikaler Parteien (AfD) in ihre Talkshows einzuladen, um diesen damit eine Plattform zu bieten, ihre Positionen einer breiten Öffentlichkeit vorzustellen. Das läuft dann aber unter "Pressefreiheit, Aufklärung, Toleranz und Meinungsvielfalt". Dabei stellt sich mir die Frage, ob ein Adolf Hitler verhindert worden wäre, wenn man Goebbels ständig als Gast bei Plasberg, Will und Illner gesehen hätte.
Alle Welt sucht das Gespräch mit Rechtsradikalen. Warum? Haben sie einem etwas zu sagen? Ist nicht hinlänglich bekannt, was sie denken, fordern und propagieren? (...) / Muss man an jeder Mülltonne schnuppern? Niemand wählt Nazis oder wird einer, weil er sich über deren Ziele täuscht, – das Gegenteil ist der Fall; Nazis sind Nazis, weil sie welche sein wollen. Eine der unangenehmsten deutschen Eigenschaften, das triefende Mitleid mit sich selbst und den eigenen Landsleuten, aber macht aus solchen Irrläufern der Evolution arme Verführte, ihrem Wesen nach gut, nur eben ein bisschen labil etc., "Menschen" jedenfalls (...), "um die wir kämpfen müssen".
Warum? Das Schicksal von Nazis ist mir komplett gleichgültig; ob sie hungern, frieren, bettnässen, schlecht träumen usw. geht mich nichts an. Was mich an ihnen interessiert, ist nur eins: dass man sie hindert, das zu tun, was sie eben tun, wenn man sie nicht hindert: die bedrohen und nach Möglichkeit umbringen, die nicht in ihre Zigarettenschachtelwelt passen. (...) / Wenn sich dabei herausstellen sollte, dass es sich gegen 50, 60, 70, 80 oder 90 Prozent des deutschen Volkes richtet, dann ist das eben so.
Im Rahmen eines hier eher belanglosen Kontextes fragte mich der geschätzte Epikur vor ein paar Tagen:
Wie soll eine politische Linke stark werden, ohne dass sie versucht mit den vielen verschiedenen kleinen Gruppen und Grüppchen Kompromisse zu schließen? (Ja, es gibt Grenzen!) Wie sieht Deiner Meinung nach eine linke Gegenbewegung aus? Kann es sie überhaupt geben, wenn alle nur in ihrem stillen Kämmerlein von der großen Revolution träumen und abwarten?
Dazu will ich zunächst einen Kasten Bier konsumieren und sodann frank und frei antworten:
In meinem stillen Kämmerlein findet keine Revolution, sondern allenfalls eine versuchte, meist vergebliche temporäre Eindämmung der übelsten Auswirkungen des kapitalistisch-faschistischen Systemes statt. Das ist zuweilen extrem schwierig.
Es gibt in der Tat Grenzen. Die sind indes klar, deutlich und seit Langem definiert und bedürfen keiner weiteren Diskussion. Oder möchtest Du noch weiter über die Optimierung des Rades sprechen?
Eine "linke Gegenbewegung" kann und wird es in Deutschland niemals geben, solange der brutale, deutsche Stumpfsinn dieses Land beherrscht. Es gibt also keine "linke Gegenbewegung", die dem kapitalistischen Irrsinn ernsthaft gefährlich werden könnte - und ich schreibe das, während ich mir eine geladene Waffe an den Schädel halte und diese Situation so dermaßen beschissen finde, dass mir der Abzug sehr leicht fällt.
Wenn man einmal erkannt hat, dass es während der eigenen Lebenszeit keinen Ausweg aus dieser Katastrophe geben kann, wird man unnachgiebiger und lacht lächerliche Gesellen wie Jens Berger, Albrecht Müller oder den Stiefelknecht Lapuente nur noch aus - eine andere Option bleibt da doch nicht mehr, wenn man nicht böse werden möchte. Ich habe das schon hundertmal geschrieben und wiederhole es gerne noch einmal: Es ist nicht "links", den Kapitalismus "zähmen" zu wollen - nicht nur, weil das sowieso nicht funktionieren kann, sondern weil es jedem auch nur rudimentären linken Gedanken fundamental widerspricht.
Wenn man diesen Erkenntnisgewinn verbuchen kann, bleibt in Deutschland nichts anderes als Resignation oder die "Flucht nach vorne" - Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg können ein finsteres Liedchen davon singen. Ich habe mich jedenfalls für letzteres entschieden, in der frohen und relativ sicheren Hoffnung, dass ich belanglos genug bin, um nicht als Leiche in irgendeinem Kanal zu enden.
Ich wundere mich zunehmend über Menschen wie Dich, denn Du scheinst ja in gewisser Hinsicht ähnliche Schlussfolgerungen zu ziehen, glaubst aber dennoch wie von Sinnen, wenn man Deinen Ausführungen folgt, immer noch daran, dass diese kapitalistische Farce auf irgendeinem mystischen, nebulösen, womöglich parlamentarischen Wege ins "rechte Lot" zu bringen sei. Oder verstehe ich Dich falsch? Wie um des Teufels Willen soll ein System, das auf ständiger Profitmaximierung der "Elite" basiert, heute auch nur einem kleinen Teil der Menschheit von Nutzen sein? Von "allen Menschen" rede ich lieber gar nicht erst, um Dir die Antwort nicht von vorn herein zu verunmöglichen. - Ich muss die Frage also an Dich zurückgeben:
Wie soll sich eine politische Linke in dieser kapitalistischen Endzeit aufstellen? Mehr Mindestlohn für Sklavenarbeit? Weg mit dem Hartz-Terror, auf dass Prekarisierte endlich auch ohne Sanktionen arm sein und hungern dürfen? Mehr Tafeln und Unterkünfte für manche, aber gewiss nicht alle Obdachlose? Mehr Rechte für Frauen in Konzernvorständen, damit sie noch "bessere Männer" sein können und ihren Geschlechtsgenossinnen noch fulminanter in den Rücken fallen können? Mehr Toleranz gegenüber esoterischen Schwachmaten, die ihr Geschick irgendwelchen "höheren Wesen" anvertrauen wollen? Sind das wirklich die erschöpfenden Antworten der heutigen Linken?
Da verkonsumiere ich doch lieber den Kasten Bier und springe danach beherzt und völlig zufrieden von der nächsten Brücke.
Es nützt alles nichts: Die Menschheit kommt nicht darum herum, über die Zukunft des Arbeitsfetisches im Kapitalismus neu nachzudenken. Es ist kein Zufall, dass sich in den letzten 10 Jahren Schlagzeilen wie diese vom vergangenen Donnerstag bei n-tv häufen: "Computer statt Mensch: KI macht Büroangestellte arbeitslos".
Selbstverständlich benötigt man für diese Erkenntnis keine derartig oberflächlichen Texte aus den kapitalistischen Medien - es reicht ja schon aus, einfach mal eigenständig zu überlegen, wieviele Arbeitsstellen in den vergangenen Jahrzehnten unwiderruflich verschwunden sind, weil irgendwelche Roboter oder Computer deren Aufgabe übernommen haben und wieviele es wohl in naher Zukunft zusätzlich sein werden. Dennoch ist diese textliche Häufung symptomatisch, denn allmählich lässt sich das lächerliche Märchen von der Verlagerung der Arbeitsplätze - beispielsweise in den prekären Dienstleistungsbereich - nicht mehr aufrechterhalten, ohne dass viele Menschen die Lüge erkennen, da auch dieser Bereich längst vom Jobabbau betroffen ist.
Und so gab es kürzlich bei Zeit Online (selbstverständlich im Ressort "Kultur" und nicht etwa "Wirtschaft") einen recht langatmigen Bericht des Politik- und Rechtswissenschaftlers Adrian Lobe, den ich nicht kenne, zu diesem Thema zu lesen, der in vielen, meist überflüssigen Worten das Dilemma auf den Punkt bringt, ohne es zu wollen. Eigentlich ist ein journalistischer Text schon von vorn herein zum Klopapierersatz bestimmt, wenn ein ironiefreier Satz mit den Worten beginnt: "Schon der große Ökonom John Maynard Keynes sagte voraus, dass (...)". - Nein, das muss man nicht lesen, die Intention steht ohnehin so felsenfest wie die Vatikanmauer - und trotz aller Schwurbeleien karikiert sich Lobe doch noch selbst, indem er hinzufügt:
Linkssein ist irgendwie wieder schick, das wurde spätestens mit dem Erfolg des Sozialisten Bernie Sanders klar.
Da platzt der zermürbte Schädel mit einem dumpfen, hässlichen Geräusch, als sei eine bauchige, wassergefüllte Karaffe mit Schmackes auf den Betonfußboden gefallen: Linkssein ist also schick und Sanders ist ein Sozialist? In welchem grotesken Ferengi-Paralleluniversum lebt dieser Mensch bloß, wenn er so etwas nicht in der Titanic, sondern in der Zeit zum Besten gibt, während jedermann doch allerorten zusehen kann, wie die komplette kapitalistische Welt gerade wieder im finstersten Faschismus versinkt und sich auf den Untergang einstellt?
Lobe rührt wild im kapitalistischen, stinkenden Brei herum, benennt jedoch keine Ursachen und erst recht keine sinnvollen Lösungen - er tut mithin genau das, was die korrupte Politbande seit Jahrzehnten vormacht, indem sie vorgibt, an irgendwelchen Symptomen herumdoktern zu wollen (ohne es freilich jemals zu tun) und stattdessen dennoch mit Pauken und Trompeten rauschend weiter dem Gegenteil huldigt und in den kapitalistischen, braunen Abgrund hastet.
Einige der im Text zitierten Philosophen, wie beispielsweise Marx, Adorno oder Fourier, schlössen sich der auf den Betonboden fallenden Karaffe gewiss sofort an, wenn sie den Lobe'schen Sermon lesen müssten: Im Jahr 2017 ist die einstige Aufklärung längst auf den Stand eines hundeverschissenen Sandkastens in einer zerbröckelnden Kita zurückgefallen, in die Kinder von ihren ehrgeizigen, kapitalistisch angefixten ElterndarstellerInnen outgesourct werden, während sie selbst an ihren von Robotern und Computern schon bald übernommenen Strohhalmkarrieren basteln.
Es soll tatsächlich vereinzelte Menschen geben, die noch immer bezweifeln, dass die Zombieapokalypse längst begonnen hat. Denen wünsche ich ein frohes neues und besinnliches Jahr. Alle anderen wissen, was kommt.
Ein Musik- und Literaturwissenschaftler auf der heiteren Odyssee bzw. vergeblichen Suche nach dem Humanismus.
Ich verstehe dieses Blog weder als "links", noch als "linksliberal" - es versucht, schlicht der Logik zu folgen, sucht die oft verschleierte Wahrheit und landet daher fast zwangsweise immer wieder in sozialistischen Regionen, in die es nie wollte. Die Logik lässt sich nicht so leicht austricksen wie es der interessengeleitete menschliche Geist tut.
Dennoch gilt auch weiterhin Spocks weiser Spruch: "Logik ist nur der Beginn aller Weisheit - und nicht ihr Ende."
Der Blogbetreiber stellt sich vor - auf dass NSA, "Verfassungsschutz", BKA und so viele andere nicht mehr so ausufernd suchen müssen:
Facebookfreie Zone
Das gilt selbstredend auch für alle anderen Datenkraken und "sozialen Netzwerke".
Statt Facebook lieber Ghostery :-)
Dieses kleine, kostenlose Plugin gibt's für alle gängigen Browser - macht es den Werbefuzzis und Überwachungsfetischisten doch wenigstens ein bisschen schwerer, Euren Spuren im Netz zu folgen ...