Mittwoch, 23. Dezember 2009

Zitat des Tages (23) - Weihnachten

Wenn Sie ein Bild von der Zukunft haben wollen, so stellen Sie sich einen Stiefel vor, der auf ein Gesicht tritt. Unaufhörlich.

(George Orwell: 1984. London 1949)

Vorratsdatenspeicherung: Der gläserne Bürger

Kritiker bewerten Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung als Beschneidung der Bürgerrechte

Etwa 35.000 Bürger haben in Karlsruhe vor dem Bundesverfassungsgericht Klage gegen das sogenannte "Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung" eingereicht. Als "Dammbruch" hinsichtlich des Schutzes der Grundrechte wurde die Vorratsdatenspeicherung gestern im Karlsruher Gerichtssaal von den Beschwerdeführern und etlichen Sachverständigen charakterisiert. Kritische Nachfragen von der Richterbank zeugten ebenso von Besorgnis.

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Der Freiherr und die Front der Heuchler

Karl Theodor (...) Freiherr von und zu Guttenberg steht im Kreuzfeuer der Kritik. Soweit, so gut. Übersehen wird dabei leider die grenzenlose Heuchelei seiner Kritiker.

Es ist nichts dagegen einzuwenden, den aktuellen Verteidigungsminister zu kritisieren. Trotz seiner zur Schau getragenen altdeutschen "Haltung" – "Man kneift nicht!" – macht der Freiherr beim Krisenmanagement rund um Kundus keine sehr gute Figur, beherzte Aufklärung sieht sicherlich anders aus, ja: man kann von einem Kommunikationsdesaster ersten Ranges sprechen.

Für von und zu Guttenberg besteht dieses Desaster, und eventuell auch das, was er als "Haltung" begreift, aber vor allem darin, dass er nun zur Zielscheibe einer Kritik wird, die ganz andere zu treffen hätte. Insofern geht es mir weniger darum, den Freiherrn in Schutz zu nehmen, als darum, die Heuchelei der Kritiker zu kritisieren.

Nehmen wir Jürgen Trittin und Sigmar Gabriel. Diese Leute schwingen sich jetzt zu den Chefaufklärern des Massakers von Kundus auf. Beide haben erst kürzlich der Verlängerung des Afghanistan-Mandats zugestimmt. Ihre Parteien haben das ganze Abenteuer vor nunmehr acht Jahren beschlossen.

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Georg Schramm: Totes Humankapital

Wer gerne wissen möchte, wer vom allseits bejubelten "Aufschwung" in diesem Jahr profitiert hat, von dem die Kanzlerin nicht müde wurde zu betonen, er käme "bei den Menschen an", möge sich dieses kleine Stück Kabarett ansehen. Wer fühlt sich da nicht verarscht?


Was unsere Medien verschweigen: Schock in Kopenhagen

Routiniert wie von Beginn an plätscherte auch am Donnerstag die Berichterstattung vom sogenannten Klimagipfel in Kopenhagen durch die deutschen Medien. Es gab eine Dosis Pessimismus – Bundeskanlerin Angela Merkel (CDU) schloss vor ihrer Abreise in die dänische Hauptstadt gestern im Bundestag ein Scheitern der Konferenz nicht mehr aus. (...)

Wie es diese Repräsentanten der westlichen Wertegemeinschaft mit missliebigen Meinungen halten, bekamen auch offizielle Gäste der Konferenz zu spüren. Das Gepäck des venezolanischen Staatspräsidenten Hugo Chávez wurde laut einem Medienbericht bei dessen Ankunft auf dem Flughafen entgegen internationalen Bestimmungen erst einmal 45 Minuten lang durchsucht. Am Mittwochabend hielt die Polizei seine Wagenkolonne solange auf, bis ein Treffen mit Gewerkschaftern und Vertretern sozialer Organisationen abgesagt werden musste. Seine Rede vor der Konferenz am selben Tag verschwiegen die deutschen Berichterstatter weitgehend, ebenso wie die seines bolivianischen Amtskollegen Evo Morales. Nur der britische Guardian berichtete unter der Schlagzeile "Morales schockt Kopenhagen", die beiden Präsidenten hätten den Gipfel hochgescheucht, indem sie den Kapitalismus direkt für den Klimawandel verantwortlich gemacht und Milliarden Dollar an "Reparationen" von den reichen Ländern gefordert hätten.

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Anmerkung: Man kann zum angeblich "menschengemachten Klimawandel" stehen, wie man will - es ist wohl unzweifelhaft, dass die westlichen Industrienationen sowie deren internationalen Konzerne an der Verschmutzung und Zerstörung der Natur einen erheblich höheren Anteil haben als so genannte Entwicklungs- oder Schwellenländer. - Dass deutsche Medien die Beiträge von Chávez und Morales weitestgehend totschweigen, verwundert aber nicht weiter. Die Propagandamaschine schnurrt.

Hans-Eckhardt Wenzel: Tausend Tode

Sozialstaat ade: Die neue Kälte

Eine hoch qualifizierte Medizinerin entscheidet sich, ihre wissenschaftliche Karriere zu beenden. Stattdessen übernimmt sie in einem traditionellen Arbeiterstadtteil einer Großstadt eine Praxis als Hausärztin. Heute leben hier neben deutschen auch viele Arbeiterfamilien mit türkischem oder kurdischem Hintergrund und vor allem Hartz-IV-Empfänger. Es ist ein Stadtteil der Ausgegrenzten und des sogenannten Prekariats.

Die Ärztin weiß, worauf sie sich einlässt: viel Arbeit und wenig Verdienst im Vergleich zu ihren Kollegen. Aber sie wird nahe an der Seite derer sein, die es wirklich nötig haben. Sie ist engagierte Christin. Die Option für die Armen ist für sie kein frommes Gerede, sondern Wegweiser.

Womit sie aber nicht gerechnet hat: Ihre "Hausbank" verweigert ihr einen Kredit, mit dem sie die Praxis renovieren wollte. Begründung: Der zukünftige Verdienst aus der Arztpraxis biete nicht die nötige Sicherheit. Es fehlen wohl die Privatpatienten. Die junge Filialleiterin fragt: "Warum werden Sie nicht Therapeutin und lassen sich in diesem bürgerlichen Stadtteil nieder?"

Deutschland im Herbst 2009. Die soziale Spaltung des Landes ist nicht neu. Neu ist aber die Unverfrorenheit, mit der der Sozialstaat und die Werte von Solidarität und Gerechtigkeit infrage gestellt werden.

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Anmerkung: Es ist schön, endlich auch einmal von Seiten der Theologie ein paar deutliche Worte zu den wahnwitzigen Entwicklungen in diesem Lande und der Welt zu vernehmen. Dennoch ist zu befürchten, dass Herr Jung, der Autor des obigen Artikels, ein einsamer Rufer in der christlichen Sozialwüste bleiben wird.

Wissenschaftliche Prognosen: "Die größten Flaschen sind meistens auch die lautesten"

Die Zeugen Jehovas haben für 1975 den Weltuntergang prognostiziert. Weil ihnen aber damals die Anerkennung als öffentliche Körperschaft fehlte, konnte er bedauerlicherweise doch nicht stattfinden. Inzwischen wurde der Job des apokalyptischen Reiters von der Klimaforschung übernommen. Die Klimakatastrophe ist sozusagen die moderne Version des Jüngsten Gerichts. Früher schauten die Priester mit finsterer Mine in die Zukunft, indem sie die Anordnung tierischer Eingeweide studierten. Heute stehen in den Tempeln des Wissens summende Großrechner, die uns schonungslos zu verstehen geben: Gletscher sind Schnee von gestern.

Vor einigen Jahren untersuchte der Sozialpsychologe Philip E. Tetlock die Prognosefähigkeit von Experten. Er bat 248 renommierte Fachleute, Voraussagen zu künftigen Ereignissen abzugeben. Nach Auswertung von insgesamt über 80.000 Zukunftsfragen kam er zu dem ernüchternden Ergebnis: Obwohl es sich allesamt um hochqualifizierte Fachleute handelte, die sich ihr Wissen teuer bezahlen ließen, schnitten ihre Vorhersagen schlechter ab als Zufallsprognosen. Doch noch schlimmer: Tetlock stellte eine bemerkenswerte Korrelation zwischen der Qualität der Experten und der Häufigkeit, mit der sie im Fernsehen auftreten fest, die auch als die "Goldene Regel der Sektherstellung" bekannt ist: Die größten Flaschen sind meistens auch die lautesten.

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Klimakonferenz Kopenhagen: Der Weltuntergang fällt aus

  1. Zweifel an der These vom menschengemachten Klimawandel häufen sich. Die Alarmisten rudern vorsichtig zurück, doch die Politik schaltet weiter auf Durchzug.

    Den Klimawandel gibt's tatsächlich. Genau genommen gab es ihn schon immer. Auch jetzt erleben wir ihn, und zwar als einen langsamen Anstieg der globalen Temperatur, der allerdings seit 1998 eine Pause macht. Dieser Erwärmungstrend lässt sich seit rund 150 Jahren beobachten. Er setzte ein, als die "Kleine Eiszeit", die Europa zwischen 1500 und 1850 in zwei aufeinanderfolgenden Kälteschocks im Griff hatte, zu Ende ging. Seither nähert sich die mittlere Erdtemperatur dem Zustand einer Warmzeit, wie sie das vorletzte Mal zwischen 200 v.Chr. und 200 n.Chr. als "Römische Warmzeit" und das letzte Mal im Mittelalter zwischen 900 und 1350 n.Chr. herrschte. Damals betrieben die Wikinger im teilweise eisfreien Grönland – ihrem Grünland – Landwirtschaft. Die Rückkehr zu einer Warmzeit lässt seit 150 Jahren den Meeresspiegel langsam und gleichmäßig ansteigen. Mitte des 19. Jahrhunderts begann auch der Rückzug vieler Gletscher. (...)

    Das Problem der aktuellen Klimadiskussion beginnt jedoch schon früher, und zwar mit der physikalisch falschen Bezeichnung "Treibhauseffekt". Ein Treibhaus ist eine lichtdurchlässige, aber jeden Luftaustausch durch Glasscheiben verhindernde Hülle. Es wird darin warm, weil die von der Sonne erwärmte Luft am Aufsteigen gehindert wird. Die Erdatmosphäre ist dagegen ein offenes System, bei dem erwärmte Luft selbstverständlich in höhere Schichten aufsteigen und dort ihre Wärme durch Wärmeleitung oder Strahlung weitergeben kann. Die Erdatmosphäre ist also das Gegenteil eines Treibhauses. Sie ist ein hoch kompliziertes, turbulentes, dynamisches System, dessen physikalische Beschreibung und Berechnung ungelöst ist.

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  2. Es war schon interessant, auf der Klimakonferenz in Berlin mit den vor dem Hotel demonstrierenden Greenpeace-Aktivisten zu diskutieren (die zwei Figuren von der ÖDP habe ich, demonstrativ rauchend, ignoriert). Fast eine Stunde lang übrigens – und das in aller Freundschaft. Es hat Spaß gemacht, und wir sind mit der Erkenntnis auseinandergegangen, dass uns allen etwas an der Erde und den sie bewohnenden Menschen liegt. Aber es war auch aus zwei Gründen erschütternd. Da dachten die Aktivisten doch tatsächlich, ich wäre nun ein verbrecherischer Vertreter irgendeiner bösen Macht (wahlweise Kohle, Atom, Öl, Pharma oder Großkapital) und hätte Schlimmes im Sinn. Und zweitens waren die grünen Umweltkämpfer samt und sonders von jeglicher Vorahnung unbelastet. Schon meine Frage, ob sie denn jetzt den Emissionshandel oder die Karbonsteuer als regulierende Mechanismen zur Emissionsminderung bevorzugen, erntete fragende Blicke. Angesprochen auf ihre Heroen, beispielsweise Dennis Meadows und James Hansen, vertiefte sich die Leere in den Augen. Dennis wie? James wer? Falls jemand von Greenpeace das liest: Ladet doch mal mich zu einem Vortrag ein, ich erkläre Euch gerne, wofür Ihr da eigentlich demonstriert und was ich darüber denke.

    Für den Anfang kann ja dieser Artikel ein paar Denkanstöße liefern. Denn so spannend es auch sein mag, über natürliche Klimavariabilitäten, über die Güte von Temperaturkurven, über die Höhe der Klimasensitivität und über die korrekte Interpretation von Baumringdaten zu streiten, so wenig interessiert das jemanden in Kopenhagen. / In der dänischen Hauptstadt wird seit Montag nämlich nicht über den Konsens in der Klimaforschung debattiert. Sondern über den Konsens in der Klimapolitik, der nach dem Willen der Industrieländer lauten soll: Es sind in erheblicher Menge Kohlendioxid-Emissionen einzusparen, koste es, was es wolle, und darauf habe man sich verbindlich zu einigen. Und zwar unter dem politischen Regime einer neuen Weltregierung, deren Agenda – was Wunder – durch uns, durch die Industrieländer, festgelegt wird.

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Sonntag, 20. Dezember 2009

Armut in Deutschland, einem der reichsten Länder der Erde











Anmerkung: Dieser unsägliche Pastor aus Köln ist natürlich ein Teil des Problems, was im Film aber nicht herausgearbeitet wird - obwohl die sozialwissenschaftlichen Ansätze ja gezeigt werden. Auch er denkt nicht weit genug und bemerkt nicht, dass er bloß instrumentalisiert wird und brav seine Funktion als Rädchen im ausbeuterischen System der Umverteilung erfüllt. - Die Sprechblasen des Hans-Werner Sinn muss man nicht weiter kommentieren - der Mann weiß, dass er Blödsinn redet, dafür wird er schließlich bezahlt.

"Bildungsgipfel": Ein Haufen Mist

  1. Föderalismus, Verlogenheit und statistische Tricks: Während die Studenten immer schneller werden müssen, trödeln Merkel und Co. von einem Gipfel zum anderen.

    Politische Propaganda gibt es auch in der Demokratie, die Bildungspolitik liefert dafür ein trauriges Beispiel. "Ein guter Propagandist macht aus einem Misthaufen einen Ausflugsort", heißt es bei Bertolt Brecht. Der Ausflugsort der Kanzlerin und der Ministerpräsidenten hieß in dieser Woche "Bildungsgipfel". In Wahrheit haben sie keinen Gipfel erklommen, sondern nur einen Haufen Mist. (...)

    Ein Jahr ist verstrichen seit dem ersten vermeintlichen Bildungsgipfel in Dresden. Damals wurden die entscheidenden Fragen nach Geld und konkreten Hilfen für Schulen und Universitäten einfach vertagt. Und so ist es in diesem Jahr wieder. Merkel und die Ministerpräsidenten sind also Wiederholungstäter, der Föderalismus wird zur Farce. Das Gerangel zwischen Bund und Ländern verhindert jedes ernsthafte Gespräch darüber, wie das Land den Kampf gegen die Bildungsarmut gewinnen will.

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  2. Bildung auf dem Grabbeltisch

    Große rote Schilder mit der Aufschrift "Sale" hätten heute an den Fenstern des Bundeskanzleramts kleben müssen: Ausverkauf der Bildungsrepublik. Eine nicht gerade vorweihnachtliche, sondern eher hitzige Basar-Stimmung beherrschte die Atmosphäre im kanzlereigenen Konferenzsaal in Berlin-Mitte. Auf dem Grabbeltisch des "Bildungsgipfels" lagen: Jobcenter, Hotels, Schulen, Universitäten und ein paar Mehrwertsteuerpunkte. Die Ministerpräsidenten waren alle da, Kabinettsmitglieder wie Bundesbildungsministerin Schavan ganz vorne und die Bundeskanzlerin versuchte sich als Auktionator. Doch im Lärm und Gedränge hörte sie niemand. Jeder versuchte längst, ein besonders schmuckes Stück für sich herauszuzerren.

    So in etwa muss es auf dem heutigen "Bildungsgipfel" zugegangen sein. Ein jämmerliches Bild, dass ein "Bildungsgipfel" zu einer Art "Krisengipfel" verkommt, auf dem es in Wirklichkeit nur darum geht, das missratene "Wachstumsbeschleunigungsgesetz" zu retten.

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Immer weniger Vollzeitjobs

Immer weniger Menschen in Deutschland finden eine sozialversicherungspflichtige Vollzeitstelle. Dies berichtet die Bundesregierung in einer der Frankfurter Rundschau vorliegenden Antwort auf eine Anfrage der Linkspartei. Demnach nahm die Zahl der Vollzeitbeschäftigten zwischen Juni 1999 und Juni 2008 um 1,4 Millionen oder sechs Prozent auf 22,4 Millionen Menschen ab.

Zugleich wuchs die Zahl der Teilzeitbeschäftigten um 1,3 Millionen oder 36 Prozent auf fünf Millionen. Auf dem Vormarsch sind Minijobs, deren Zahl binnen sechs Jahren um 29 Prozent auf über sieben Millionen hochschnellte. Und immer mehr Arbeitnehmer kommen mit einer Stelle nicht über die Runden.

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"Herr Guttenberg, Sie haben keine Lizenz zum Töten"

Beruhigungspille Bildung

Bewohnerinnen und Bewohner eines westlichen Industrielandes, das sich als "Wirtschaftsstandort", "Exportweltmeister" und "Wissensgesellschaft" versteht, begreifen (Weiter-)Bildung in aller Regel nicht mehr als Möglichkeit zur Welterkenntnis oder zur Persönlichkeitsentwicklung, sondern bloß noch als Mittel ihrer beruflichen Qualifikation, das ökonomischen Verwertungsinteressen bzw. dem Ziel dient, sich auf dem Arbeitsmarkt zu behaupten oder zu verbessern. Gleichzeitig avanciert Bildung im öffentlichen Diskurs zum Allheilmittel für die politischen Hauptübel, als da sind: (Kinder-)Armut, (Jugend-)Arbeitslosigkeit, Verwahrlosung der Familien und Werteverlust, Zerfall der Gesellschaft und wachsende soziale Ungleichheit. Hier soll diese Ideologie am Beispiel der Armut widerlegt und gezeigt werden, wie sie nicht bloß falsche Schuldzuweisungen an Minderheiten hervorbringt, sondern auch die Durchsetzung sinnvoller Alternativen der Gesellschaftsveränderung erschwert.

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Die Marionetten des Josef Ackermann

Welch freudige Nachricht für die Aktionäre der Deutschen Bank: Zehn Milliarden Euro will das Frankfurter Geldinstitut 2011 vor Steuern verdienen – und damit den Rekordgewinn aus dem Jahr 2007 um drei Milliarden Euro toppen. Vom umstrittenen Renditeziel in Höhe von 25 Prozent wird nicht abgerückt. Das versprach Vorstandschef Josef Ackermann auf einer Investorenkonferenz am Montagabend. Prompt schossen die Aktien in die Höhe. Sie gewannen 3,5 Prozent und beendeten den Tag als bester deutscher Dax-Wert. Geht's noch?

Aus diesen Ankündigungen spricht nichts als Hohn. Hohn für die Aufseher, Zentralbanker und Politiker in Frankfurt, Berlin, Brüssel und Washington. Sie dürfen reden, sie dürfen die Banker "Bonzen" nennen, wie es unlängst US-Präsident Barack Obama getan hat. Doch handeln werden sie nicht. Da scheinen sich Ackermann und seine Kollegen sicher zu sein. Die Parlamente werden keine Gesetze verabschieden, die den Finanzkapitalismus in irgendeiner Form beeinträchtigen. Sie werden die Spekulation, an denen die Deutsche Bank so hervorragend verdient, nicht brechen.

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Anmerkung: Die wirklich wichtige und angesichts der berichteten Geschehnisse sehr brennende Frage stellt die FR leider nicht - nämlich die Frage, warum die Politik nicht handeln wird. Geht's noch?? - Die Konsequenzen wären offenbar zu erschütternd.

Riester und Rürup wollen nun ernten, was sie gesät haben

Maschmeyer und Rürup gründen eine Beratungs-AG für Alters- und Gesundheitsvorsorge

Sie "stürzen sich ins Abenteuer", meldet das Handelsblatt. Und weiter: "Der AWD-Gründer Carsten Maschmeyer und der Ex-Wirtschaftsweise Bert Rürup wollen es noch einmal wissen: Sie gründen eine Beratung für Alters- und Gesundheitsvorsorge. Beide wollen sich damit einen Traum erfüllen - und haben einen prominenten Politiker als weiteren Partner im Visier." Dieser heißt Walter Riester.

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Weiteres Material zur Sache findet sich in der Rubrik "Riester-Rürup-Täuschung" auf den NachDenkSeiten.

Wie rot-grüne Kriegsbefürworter zu Kritikern mutieren

Das Massaker von Kundus hat ein Wunder bewirkt, das SPD und Bündnis 90/Die Grünen sehr entgegenkommt: Die Verantwortlichen für Deutschlands Beteiligung am Afghanistan-Krieg können sich plötzlich als kritische Opposition aufspielen. Dabei war es die von Gerhard Schröder und Joseph Fischer geführte "rot-grüne" Regierung, die 2002 erstmals Bundeswehrsoldaten nach Kabul schickte und auch für die folgenden Erweiterungen des Mandats verantwortlich war. Die Grünen wurden 2005 in die Opposition geschickt, während die SPD sogar noch während des Kundus-Massakers zusammen mit der CDU/CSU in der Regierungsverantwortung war.

Die jetzt von SPD-Politikern vorwurfsvoll gestellte Frage, "was die Regierung wusste", müsste sich also auch an ihre eigenen Leute richten. Darunter vor allem an den damaligen Außenminister und heutigen Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier.

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Eine demokratische Alternative zum gescheiterten Neoliberalismus

José Manuel Barroso ist der Krise nicht gewachsen. Diese Kritik am alten und neuen EU-Kommissionspräsidenten erheben Ökonomen aus ganz Europa. Im "Euro-Memorandum 2009/2010 [pdf]", das heute in Berlin und anderen Hauptstädten veröffentlicht wird, kritisieren die Wissenschaftler die "nicht-kooperativen Strategien" der EU-Staaten und skizzieren eine demokratische Alternative zum gescheiterten Neoliberalismus. (...)

Isolierte nationale Rettungsaktionen werden nicht genügen, um 2010 einen drastischen Anstieg der Arbeitslosigkeit zu verhindern. Das "Euro-Memorandum 2009/2010" kritisiert diese "nicht-kooperativen Strategien" in der EU daher ausführlich. Kurzsichtige nationale Egoismen schaden langfristig (fast) allen Akteuren, warnt die internationale Arbeitsgruppe (...).

Doch selbst ohne Krise wäre die Lissabon-Strategie, welche die EU von 2000 bis 2010 rundum erneuern sollte, ein "kompletter Fehlschlag". Die US-geprägte "Neue Ökonomie" habe Europa jedoch in eine wirtschaftliche und soziale Sackgasse geführt. Statt Europa auf den neoliberalen Irrweg zu führen, hätte sich die EU an den nordischen Ländern orientieren sollen, fordern die linken Memo-Ökonomen. Dies wäre in der frühen Periode der Lissabon-Strategie sogar "nur logisch" gewesen. Denn das "Nordische Modell" setzt auf möglichst umfassende Gleichheit sowie auf soziale und ökologische Werte statt auf Wachstumsraten und Eliten. Eine große Koalition aus sozialdemokratischen und liberalen Regierungen konnte jedoch im Schulterschluss mit "den Eliten" den entgegensetzten, neoliberalen Pfad durchsetzen, und mittlerweile hat die Lissabon-Strategie ihrerseits das "Nordische Modell" aufgeweicht.

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Das verrückte Kapital

Antonio Negri über die Krise, prekäre Arbeitsverhältnisse, die Multitude und den Kommunismus

Nun ist der Kapitalismus nicht kollabiert, wie von Feuilletonisten mit Ausbruch der Finanzkrise schon orakelt worden ist?

Der Kapitalismus in seiner neoliberalen Form ist am Ende. Das ist offensichtlich. Er steckt in einer tiefen Krise und sucht nun nach neuen Formen der Macht. (...)

Kann der Schock, den die Finanzkrise dem Kapitalismus doch immerhin in die Glieder gejagt hat, ihn zum Wandel nötigen – hin etwa zu einem aufgeklärten oder moderaten Kapitalismus?

Der Kapitalismus ist immer ein Dieb. Es gibt keinen guten oder besseren Kapitalismus, keinen moderaten, rationalen oder gerechten. Es gibt nur einen Kapitalismus, der funktioniert – das ist der Räuber. Und einen, der nicht funktioniert und Formen von "Verrücktheiten" annimmt, die sehr gefährlich sein können. Das Kapital lebt von Ausbeutung. Und Ausbeutung ist nie gerecht. Die Vorstellung, es könnte eine gerechte, gar egalitäre kapitalistische Herrschaft geben, ist absurd. Was man innerhalb des Empires [gemeint ist der globalisierte Kapitalsmus, Anm.d.Red.] tun kann und muss, ist: den Kapitalismus dazu zu bringen, nicht "verrückt" zu werden.

Seine Kriege sind "verrückt", mörderisch und selbstmörderisch.

Ebenso wie die Arbeit hat sich der Charakter der Kriege geändert. Wir haben es heute nicht mehr mit den klassischen, zwischen Nationen geführten Kriegen zu tun. Der Krieg dient heute vielmehr dazu, die Weltordnung zu justieren und zu reorganisieren. Er ähnelt heute eher einer Polizeiaktion hoher Intensität. Er hat die großen Industrie- und Finanzmächte gegen alles abzuschirmen, was ihnen gefährlich werden könnte, soll ihre Herrschaft bewahren, reorganisieren. Das Empire wird von einer manischen Gier getrieben, seine Kontollmechanismen global stetig zu erweitern und zu perfektionieren.

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Über die Krisen des Kapitalismus und Alternativen

Der am 4. September 1931 in Kairo geborene Samir Amin gehört zu den bedeutendsten und einflussreichsten Intellektuellen der sogenannten Dritten Welt. Der emeritierte Wirtschaftsprofessor lehrte an der Universität Dakar in Senegal und in Paris (Paris VIII-Vincennes). Amin hat rund 50 Bücher über entwicklungspolitische und entwicklungstheoretische Themen publiziert. Als sein bedeutendstes Werk gilt "L'accumulation à l'échelle mondiale" (Die Akkumulation auf globaler Ebene). Seit 1980 leitet er das Dritte Welt Forum in Senegals Hauptstadt Dakar. Am 3. Dezember wurde er in Berlin mit dem Ibn Rushd Preis 2009 für die Freiheit des Denkens ausgezeichnet. (...)

Wenn wir Ihrer Schätzung nach mitten in der Krisenetappe sind, was lässt sich über den weiteren Verlauf prognostizieren?

Dafür ist ein Rückblick auf die vergangene lange Krise erhellend. Sie begann 1873, kurz nach dem Aufstand der Pariser Kommune und der Gründung des Deutschen Kaiserreiches. Auch damals reagierte das Kapital auf die fallenden Profitraten mit Konzentration und weltweiter Expansion. Es entstand die erste Welle der Mono- und Oligopole. Die Expansion erfolgte über die Kolonialisierung Afrikas, Südostasiens und die Unterordnung von China und Lateinamerika über den Hebel der Auslandsverschuldung. Die Finanzialisierung nahm damals mit der Gründung der Wall Street und der Londoner City ihren Anfang. Das war die erste Welle der Finanzialisierung. Es war der Ausgangspunkt für die erste "belle époque", die bekanntlich im ersten Weltkrieg endete und in der russischen Revolution. Darauf folgten die Krisen der 20er Jahre, die Nazis, die bis Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 andauerten. Das waren keine kleinen historischen Ereignisse wie ein Regierungswechsel, das waren tiefe geschichtliche Einschnitte. Gelöst wurde die Krise aus Sicht des Kapitals unter anderem mit einer neuen Weltwirtschaftsordnung, dem Bretton-Woods-System von Internationalem Währungsfonds und Weltbank, dem allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen GATT, dem Dollar als Leitwährung und den USA als Weltkonjunkturlokomotive. Verglichen mit damals sind wir heute quasi im Jahre 1940.

Das heißt mitten im Krieg ...

Ja. Die globalen Kriege sind im Gange: in Irak, in Afghanistan, ich würde Palästina hinzufügen, die Bedrohung von Iran, die Bedrohung von China und Russland durch US-Militärbasen in der Region und so weiter. Deshalb steuern wir auf alles andere als auf ein Ende der Krise zu, wie es von vielen Politikern allenthalben behauptet wird. Wir sind mitten in einer Periode des Chaos, deren Ende und deren Ergebnisse nicht absehbar sind. Alles ist möglich – eine Entwicklung zum Guten ebenso wie eine zum Schlechten.

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