Freitag, 6. Dezember 2013

Mut zur Lüge: Wenn das rechte Gesindel tagt


Auf einer "Souveränitätskonferenz" mimen Rechtspopulisten eine Debatte über Familienpolitik. Tatsächlich übertreffen sich die Referenten aber nur gegenseitig mit kruden Thesen. Thilo Sarrazins Auftritt wirkt da fast schon harmlos.

(Weiterlesen)

Anmerkung: Thilo Sarrazin mit steil emporgerecktem Zeigefinger vor einem schwarz-weiß-roten Hintergrund - das einführende Foto zu diesem n-tv-Artikel könnte plakativer kaum sein. Wenn man den Text allerdings komplett liest, wirkt der oben zitierte Teaser schon extrem unpassend, fast schon irreführend - denn was dort über Sarrazins Rede auf dieser ominösen Tagung berichtet wird, ist alles andere als "fast harmlos". Nur ein Beispiel von mehreren: Der SPD-Genosse mit tiefbraunem Anstrich versteigt sich beim Thema Migration und deutscher Sozialstaat laut n-tv zu der Aussage: "Kein Einwanderer soll in den ersten zehn Jahren seines Aufenthalts in Deutschland staatliche Hilfen bekommen - auch keine Sozialhilfe. Nichts."

Eine wahrlich "harmlose" Forderung, lieber n-tv-Autor Ehrich. Der Kleine mit dem Triefauge will sicher nur spielen und meint das alles gar nicht so ernst, oder wie sollen wir das sonst verstehen? Allein dieser eine Satz Sarrazins ist bereits ein eindeutig rassistischer, menschenfeindlicher, geradezu faschistoider Angriff auf das Grundgesetz, wie er selbst von derzeitigen NPD-Funktionären kaum öffentlich in die lädierte Welt gebrüllt wird. Es ist geradezu eine Wohltat, dass dieser Rassismus im Artikel im Anschluss zumindest inhaltlich bloßgestellt wird - allerdings ohne ihn tatsächlich beim Namen zu nennen.

Auch vermisse ich in diesem Text - wie immer in den Mainstreammedien - den Hinweis darauf, dass rechtspopulistisches, rassistisches Undenken längst Einzug gehalten hat in die Politik der neoliberalen Bande. Wie dieser Staat - egal ob unter Rot-Grün, Schwarz-Rot oder Schwarz-Gelb - beispielsweise mit Asylsuchenden umgeht, müsste jedem Bürger dieses Landes auf der Stelle die blanke Schamesröte ins Gesicht treiben oder ihn gleich vor Entsetzen erblassen lassen. Derlei Beispiele gibt es viele - im Blog "Hinter den Schlagzeilen" hat der Autor Holdger Platta dazu gerade wieder einen zweiteiligen, aufklärerischen Text veröffentlicht (hier und hier).

Solche Zusammenhänge verschweigt n-tv den Menschen in schöner Eintracht mit sämtlichen anderen Mainstreammedien konsequent - und führt statt dessen die offizielle Propaganda vom "freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat" fort, indem ein bizarres "Asyl-Paradies Deutschland" gezeichnet wird: "Wie ernst die Lage [für Schwule in Russland] ist, zeigt, dass die Bundesrepublik in diesem Jahr erstmals einem schwulen Russen Asyl in Deutschland gewährt hat." - Aha - na, dann ist ja alles in Ordnung in Deutschland und wir müssen bloß die wenigen verwirrten Rechtsextremen im Auge behalten, die zu solchen Tagungen anreisen, um die ebenso verwirrten, letztlich aber "harmlosen" Hetztiraden von Leuten wie Sarrazin und anderen zu hören - so lautet das offizielle Fazit der staatlich gestützten Propaganda. Der extreme, weiter fortschreitende und von interessierter Seite sehr gewollte Rechtsdrall des kompletten politischen Systems und gesellschaftlichen Bewusstseins in diesem Land wird medial weder thematisiert, noch überhaupt rudimentär wahrgenommen. Statt dessen wird sogar immer wieder von einer "Sozialdemokratisierung" gerade der Union schwadroniert - vermutlich solange, bis auch der letzte noch Selberdenkende das Schwarze für ein blendendes Weiß hält.

Was ist nun bizarrer: Eine krude Tagung mit 600 Besuchern in der Provinz, auf der widerwärtige, alte braune Reden geschwungen werden - oder ein kompletter, riesiger Medienapparat mit Millionen von Leser- und ZuschauerInnen, der zwar über jene 600-Besucher-Veranstaltung mehr oder weniger kritisch berichtet, nicht aber über ganz ähnliche Tendenzen und Entwicklungen im politischen und gesellschaftlichen Mainstream?

Für mich ist die Antwort eindeutig - und einmal mehr äußerst erschreckend. Der "Mut zur Lüge" ist nicht bloß in der Provinz weit verbreitet in diesem bis auf die Knochen verkommenen Staat.


(Zumindest an den Farben erkennen wir einmal mehr die Gesinnung.)

Donnerstag, 5. Dezember 2013

Musik des Tages: Zero Zero




(Mike Batt: "Zero Zero", 1982)

Anmerkung: Dieses weitgehend unbekannte Rock-Pop-Musical von Mike Batt aus dem Jahr 1982 möchte ich wirklich jedem nahelegen. Es ist in mehrfacher Hinsicht völlig einzigartig: Mike Batt ist hier die - auch wenn es sich völlig unglaubwürdig anhört - musikalische Fusion von simpler Synthie-Pop-Musik der 80er Jahre mit der Rockmusik dieser Zeit und der avantgardistischen sinfonischen Musik der Postmoderne gelungen. Wahrscheinlich ist genau das auch der Grund für den kommerziellen Misserfolg dieses grandiosen Werkes. Ich werde jedenfalls seit so vielen Jahren nicht müde, es immer wieder anzuhören und gerade die krassen musikalischen Gegensätze, die hier brutal und ungefiltert aufeinander treffen, zu genießen. Es ist immer wieder ein Genuss, die einfachen Themen und Melodien der wenigen Pop-Songs in den oft langen Zwischensequenzen vom Orchester in wahnwitzigen, oft überraschenden Variationen wiederholt und interpretiert zu bekommen.

Dabei gibt es musikalisch immer wieder Neues zu entdecken, auch wenn die erzählte dystopische Geschichte vom grauenhaften, totalitären Überwachungsstaat, in dem alle menschlichen Emotionen als "psychische Krankheit" gelten, strikt verboten sind und bei Entdeckung operativ "behandelt" werden, auch schon 1982 so neu nicht war. Das Stück hat dennoch das Potenzial zum Jahrhundertwerk - und muss als gewichtiger Meilenstein der Musik betrachtet werden.

Dasselbe gilt für die grandiose filmische Umsetzung, die - wer weiß, wie lange noch - auf youtube frei verfügbar ist. Der Komponist war auch hier maßgeblich als Darsteller, Autor und Regisseur beteiligt. Schaut und hört euch das bitte an - es ist ganz, ganz große Kunst, die - wie das bedrückende, äußerst aktuelle Thema schon vermuten lässt - selbstredend kein Happy End hat.


Dienstag, 3. Dezember 2013

Kapitalismus und Kirche: Der Pope und seine "Kritik am Wirtschaftssystem"


Dieses Wirtschaftssystem tötet, sagte Papst Franziskus. Und das ist besonders für jene "christlichen" Parteien peinlich, die eben dieses Wirtschaftssystem beständig fördern und ausbauen. Aber was kann man tun, um das mörderische System durch ein besseres zu ersetzen?

(Weiterlesen)

Anmerkung: Das Problem des "Schuldgeldes" ist ein zwar wichtiges, aber dennoch nur sekundäres Problem in der ganzen stinkenden Suhle des Kapitalismus. Selbst wenn man heute auf einen Schlag dieses Geldsystem samt dem Zins und Zinseszins abschaffte, bliebe die pervertierte Ungleichverteilung eben nicht nur von Finanzvermögen, sondern auch von Land-, Immobilien- und Produktionsstättenbesitz, von "Edelmetallen", teurer Kunst, Schmuck und vielem anderem Tand sowie natürlich auch die gegebenen Macht- und damit auch Korruptionsstrukturen unverändert erhalten.

Eine solche strukturelle, systemimmanente Dissonanz, wie sie der Kapitalismus logischer Weise in immer kleiner, dafür aber immer reicher werdenden Kreisen unausweichlich produziert, muss auch strukturell gelöst - also "harmonisiert" - werden. Und das geht nicht ohne eine strikte Enteignung der Superreichen und eine Rückführung ihres geraubten Reichtums (selbstredend inklusive aller Ländereien, Immobilien etc.) in den Besitz aller Menschen und eine ersatzlose Streichung sämtlicher Privilegien dieser ruchlosen Bande.

Anlässlich der dann fälligen Neu- bzw. Umverteilung des Reichtums an alle Menschen muss natürlich auch das Geld- und Bankensystem - ebenso wie das gesamte auf der Generierung von absurdem Profit basierende Wirtschaftssystem - in eine neue, der Menschheit und der Natur dienende, Form umgebaut werden.

Irgendeinen Gott braucht es dazu indes nicht - den barbarischen und rein menschlichen Teufel des Kapitalismus können und müssen wir Menschen ganz allein dahin jagen, wohin er bereits seit so vielen Jahrhunderten gehört: Hinab in die (heute noch immer überwältigend große) Abteilung der Menschheits-Bibliothek mit dem wunderbaren Namen "Grotesken, Verirrungen und furchtbare Verbrechen der menschlichen Geschichte". Dort finden dann hoffentlich sowohl der Kapitalismus, als auch die Religionen samt ihren Kirchen endlich ihre gemeinsame, ewige Ruhestätte. Requiescant in pace.

---

Gut erzogen


Baronin: "Ihr Pfarrer, Frau Gräfin, hat aber eine gute Art, dem Volke das christliche Dulden zu predigen." — Gräfin: "Nur die Folge einer guten Erziehung, meine Liebe. Ich habe ihn, als er noch Hauslehrer bei uns war, immer bei den Bedienten schlafen lassen."

(Zeichnung von Hans Gabriel Jentzsch [1862-1930], in "Der Wahre Jacob", Nr. 365 vom 17.07.1900)