Für einen TV-Boykotteur wie mich ist es eigentlich unerheblich, was die Verdummungssender dieses Landes da unablässig in die Welt koten. Leider kommt es aber gelegentlich vor, dass ich bei der buckeligen Verwandtschaft oder bei Freunden dennoch mit den Auswürfen von ARD, ZDF, RTL, Sat1, Pro7 & Co. konfrontiert werde - und das Ergebnis ist, wie soll ich das formulieren, ein regelrechtes Blutbad.
Leben nur noch Zombies in diesem Land, deren Gehirn genüsslich von halb verwesten Mitzombies verspeist wurde? Wer zur Hölle schaut sich diesen Mist an, der da Tag für Tag, Stunde für Stunde ausgekotzt wird?
Bei meinen diesbezüglichen Stippvisiten in der deutschen TV-Landschaft ist mir aber eines ganz besonders heftig - quasi messergleich (*Brüllwitz*) - ins Auge gestochen: Neben völlig debiler Hirnmatsche, bestehend aus dämlichen Shows, "Doku-Soups" und Pseudo-Dokumentationen ("Aldi oder Lidl - welcher Discounter ist besser?" - und das Hirn fliegt kreischend davon) besteht ein wesentlicher Teil des Programms inzwischen aus dem immer gleichen Krimi-Gedöns.
Es ist fatal - offenbar gibt es keine anderen Geschichten mehr, die es zu erzählen lohnt. Dafür findet man zu nahezu jeder Tages- oder Nachtzeit in der Flimmerkiste irgendwelche polizeilichen Arschlöcher, die laut Drehbuch die "Guten" sind und dem ewig lauernden "Bösen" mit jeden erdenklichen Mitteln zu Leibe rücken. Es ist sicher nur ein Zufall, dass hierbei kaum ein TV-Polizist ohne gesetzeswidrige Handlungen auskommt: Da wird getrickst, gelogen und betrogen, dass sich die Balken biegen - stets aber im "Namen der guten Sache" und zum "Schutz der BürgerInnen", versteht sich. Man scheißt wiederholt und ausdrücklich auf Gesetze und hält es stattdessen wie der Wild-West-Cowboy, dessen "Recht" bekanntlich das bessere ist. - Ich kann so etwas nicht anschauen ohne einen ständigen Brechreiz zu verspüren.
Man stelle sich eine Bibliothek vor, deren Bestand zu 90 Prozent aus dämlichen Kriminalgeschichten besteht, in denen die staatlichen Schergen die "Guten" und der Rest der Bevölkerung "Verdächtige" sind. Die große Kunst der Literatur wäre in diesem Falle schon lange, sehr lange ausgestorben. Aber im TV "ermitteln" die Staats-Bullen fleißig um die Wette, als gäbe es kein Morgen.
Es vergeht kaum eine Stunde an einem beliebigen Tag in diesem Land, an dem nicht auf mindestens einem Kanal - meist sind es zeitgleich mehrere - irgendwelche Kommissare oder sogar Geheimdienstwichser auf Verbrecherjagd gehen. Anscheinend leben wir in einer vollkommenen Verbrechenshölle, in der einjeder ständig von bösen Mördern bedroht ist und aus der uns einzig eine gesetzeswidrig handelnde Staatsmacht erretten kann. So etwas brennt sich ins Hirn unbedarfter BürgerInnen - und ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass dies vielleicht doch nicht ganz so zufällig geschieht.
Als ich kürzlich gezwungen war, einen "Tatort" ansehen zu müssen, weil ich keine Lust hatte, 90 Minuten mit einer Schachtel Zigaretten und einem Kaffeepott auf der eisigen Terrasse zu verbringen, musste ich den folgenden Dialog (keine wörtlichen Zitate) verfolgen:
Bulle 1: "Wir dürfen in diese Wohnung jetzt nicht einfach so eindringen, dafür bräuchten wir einen gerichtlichen Beschluss!"
Bulle 2: "Hörst Du denn nicht diese verzweifelten Schreie?"
Bulle 1: "Hä?"
Bulle 2: "HÖRST DU DENN NICHT?"
Bulle 1: "Äh ... jetzt, wo Du es sagst ..."
Bulle 2: "Da ist eindeutig 'Gefahr im Verzug'!"
Bulle 1: "OK ... also dann: Attacke - wir entern die Bude!"
Danach bin ich, in einen dicken Mantel gehüllt, für den Rest des "Tatort"-Abends bibbernd, aber immerhin halbwegs hirngesund im Exil der vereisten Terrasse geblieben.
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Der neueste Lustmord
(Zeichnung von Thomas Theodor Heine [1867-1948], in "Simplicissimus", Heft 6 vom 11.05.1931)