Samstag, 31. März 2012

Gestern Juden, heute Islam: Die Renaissance des Rassismus

Das Erste Deutsche Fernsehen zeigte Höhepunkte der Rosenmontagszüge. Darunter war in Köln der Motiv-Wagen "Kernspaltung". Zu sehen war laut Fernsehkommentator einer der "gefährlichsten Politiker" unserer Zeit, der mit der Atombombe hantiert und sie in das New Yorker UN-Gebäude rammt. Es gab Karnevalisten, die sich dabei an den Kölner Rosenmontagszug des Jahres 1936 erinnert fühlten und dies auch öffentlich zum Ausdruck brachten.

(Weiterlesen und Fotos ansehen)

Anmerkung: Es ist seit über einem Jahrzehnt überdeutlich, dass der heutige Islamhass dieselben Funktionen erfüllen soll, die zur Nazizeit dem Antisemitismus zugedacht waren. Da ist es nur konsequent, dass nun auch der Karneval wieder auf diesen Zug aufspringt und rassistische "Motivwagen" fahren lässt - gerade in Köln hat man damit ja Erfahrung:


("Dem haben sie auf den Schlips getreten" - Der Wagen des Kölner Karnevals von 1936 zeigt die hässliche Karikatur eines jüdischen Menschen, dem ein dicker Paragraph bildlich "auf den Schlips tritt". Gemeint waren damit die rassistischen Nürnberger "Rassegesetze" der Nazi-Bande, die das Leben der Juden in Deutschland 1935 in menschenverachtender Weise massiv eingeschränkt und den juristischen Grundstein für den systematischen Mord an diesen Menschen gelegt haben.)

Die Parallelen, die zwischen dem damaligen Antisemitismus und dem heutigen Islamhass - längst nicht nur im Karneval - offenbar werden, sind erschreckend. Ich will hier keine Links auf entsprechende Internetseiten setzen, aber wer gelegentlich bei den Menschen- und Demokratiefeinden von PI, den fundamentalistischen "Christen" oder den anderen rechtsradikalen Gruppierungen vorbeischaut, um sich über den Stand der Radikalisierung zu informieren, der bekommt eine Ahnung davon. - Ein recht aufschlussreiches Dossier zum Thema findet sich bei der Frankfurter Rundschau: "Die neue Rechte".

Es darf aber nicht übersehen werden - was die Mainstreampresse nur allzu gerne tut -, dass rassistisches Gedankengut längst wieder in der so genannten "Mitte der Gesellschaft" und selbstverständlich auch in den etablierten politischen Parteien angekommen ist. Sarrazin ist nur die populistische Spitze des Eisberges. Die Gefahr droht im Deutschland des Jahres 2012 weniger von der Seite erklärter Faschisten wie beispielsweise der NPD, sondern vielmehr von rassistischen und faschistischen Strömungen innerhalb der Union, der SPD, der FDP und der Grünen.

Und wieder einmal wird dieses gesamte Höllenspektakel nur deshalb inszeniert, um vom erneuten Versagen des Kapitalismus und seinem unausweichlichen, bevorstehenden Scheitern abzulenken, indem die Sorgen, Ängste und Schuldzuweisungen der Masse auf einen Scheingegner gelenkt werden, der als klassischer Sündenbock dienen soll, mit den Ursachen aber überhaupt nichts zu tun hat. Es ist mir vollkommen unerklärlich, wieso das auch diesmal wieder so erschreckend widerstandsfrei zu funktionieren scheint. Nicht irgendwelche bärtigen Männer aus Arabien, sondern die aalglatten, egoistischen Schlips-Borg und ihre superreichen Marionettenspieler aus heimischen Gefilden müssten am Pranger der Öffentlichkeit stehen und laut ausgebuht, mit faulen Eiern und Schuhen beworfen und möglichst zum Mond geschossen werden. Wieso nur bemerkt der Homo demens nicht, dass er einmal mehr verarscht, betrogen und belogen wird, während sich die "Elite" hämisch ins Fäustchen lacht und weiter die Milliarden scheffelt?

Wenn es nicht so grotesk, menschenverachtend, dumm und gefährlich wäre, müsste man sich stundenlang vor Lachen am Boden wälzen - statt dessen wird man aber dazu gebracht, die Stirn ohnmächtig auf den Boden zu knallen, bis auch der letzte Hauch von Intelligenz in den dumpfen Schlägen verschwunden ist. Und dann darf der Rassismus wieder Triumphe feiern und der Kapitalismus bzw. die "Elite" rettet sich ein weiteres Mal ins "Jahr Null". Und der Alptraum beginnt wieder von vorn.

Die bittere Erkenntnis, dass nicht nur das profitierende elitäre Gesindel an diesem Feldzug beteiligt ist, sondern auch diesmal von einem Heer aus wahnwitzigen Dummköpfen, Lemmingen und Schlachtschafen willig und oft gar inbrünstig unterstützt wird, lässt mich wahrlich verzweifeln.

Mittwoch, 28. März 2012

Song des Tages: Who By Fire




(Coil: "Who By Fire", aus dem Album "Horse Rotorvator", 1986)

And who by fire? Who by water?
Who in the sunshine? Who in the night time?
Who by high ordeal? Who by common trial?
Who in your merry merry month of May? Who by very slow decay?
And who shall I say is calling?

And who in her lonely slip? Who by barbiturate?
Who in these realms of love? Who by something blunt?
Who by avalanche? Who by powder?
Who for his greed? Who for his hunger?
And who shall I say is calling?

And who by brave assent? Who by accident?
Who in solitude? Who in this mirror?
Who by his lady's command? Who by his own hand?
Who in mortal chains? Who in power?
And who shall I say is calling?

Anmerkung: Dieser Song über den Tod stammt aus der Feder Leonard Cohens ("New Skin for the Old Ceremony", 1974) und wurde - wie so viele andere seiner Songs auch - unzählige Male von unterschiedlichsten Musikern gecovert. Von allen mir bekannten Versionen dieses unglaublich intensiven Songs kommt für mich die hier vorgestellte Fassung der britischen Progressivband Coil von 1986 dem Kern dieses grandiosen, minimalistischen Kunstwerkes am nächsten.

Cohen selbst war und ist ja bekannt dafür, dass er seine Werke immer wieder vollkommen neu interpretiert - ich möchte beispielhaft nur zwei seiner eigenen Versionen dieses Songs, die im Laufe der Jahre entstanden sind, erwähnen. Es gibt noch viele weitere.



Unser schöner Kapitalismus: Immer mehr Kinder leben in Slums

Ungebildet, krank und ohne Zukunft

Mit dem weltweiten rasanten Wachstum der Städte nimmt die Zahl der Kinder zu, die im Elend der Slums aufwachsen. Jedes dritte Kind wird in einem der vielen unsicheren und überbevölkerten Slums groß, oft unterernährt, ohne Zugang zu Schulen und Gesundheitsversorgung. Das berichtet Unicef im Jahresreport "Zur Situation der Kinder in der Welt 2012". (...)

In den Slums Indiens etwa sind 54 Prozent der Jungen und Mädchen infolge von Unterernährung körperlich und geistig zurückgeblieben.

(Weiterlesen und Fotogallerie ansehen)

Anmerkung: Auch wenn in diesem n-tv-Text zur Fotogallerie selbstredend keinerlei kritischen Bezüge zum Kapitalismus hergestellt werden (was im Übrigen auch Unicef nicht tut), sind die Zahlen und einige Fotos doch in höchstem Maße erschreckend und erschütternd. Die Information, dass weltweit jedes dritte Kind in einem Slum leben bzw. vegetieren muss, sollte uns allen, ganz besonders aber den Reichen und ihren politischen Marionetten die Schamesröte ins Gesicht, die Tränen in die Augen und die Kettensäge ins Gewissen treiben.

Dabei sind diese Entwicklungen ja keineswegs überraschend - es liegt in der Logik dieses Geld- und Finanzsystems, dass einem exponentiell wachsenden Reichtumsberg ein ebenso wachsendes Schulden- bzw. Armutstal gegenübersteht. Seit so vielen Jahrzehnten sind die Probleme der erzwungenen Landflucht und der daraus erwachsenden Slums in Megastädten bekannt - der heutige Status war nicht nur klar vorhersehbar, sondern ohne systemische Veränderungen gar unvermeidlich. Das interessiert die raffgierige kapitalistische Bande aber nicht - auch heute nicht. Da wird gelegentlich Mitleid geheuchelt, gerne werden auch ab und an einige Almosen gespendet oder medienwirksame "Projekte" unterstützt, aber an ihrem geliebten Kapitalismus und ihrer Marktreligion halten sie unbeirrbar fest - ganz egal, wieviele Menschenleben das auch kostet und wieviel Natur unwiederbringlich zerstört wird.

Geradezu putzig und gleichzeitig extrem zynisch und sarkastisch lässt n-tv den kleinen Bericht mit den Worten enden: "Oft bewirken schon kleine Projekte, dass Menschen ihre Lebensbedingungen verbessern und das Elend des Slums verlassen können." Da haben wir sie wieder, die ekelhafte Heuchelei der Systemschergen, die gerne dramatische Bilder und grausame Schicksale ins Rampenlicht zerren, ohne die tatsächlichen Ursachen und Verursacher zu benennen, die vor der eigenen Haustür zu finden sind. Statt dessen wird in knappen Worten ein hochalbernes positives Schlussbild herbeifabuliert und man wendet sich wieder den "wirklich wichtigen Dingen" - also der eigenen Geldvermehrung - zu.

Kaum einer dieser armen Menschen wird jemals die Slums, das Elend, die Not und Armut verlassen können - dafür werden aber immer weitere Menschen hinzukommen. Die Slums breiten sich immer weiter aus - in abgeschwächter Form sind sie ja auch längst in den reichen kapitalistischen Staaten angekommen, und auch dort wachsen sie rasant.

Wer angesichts solcher Zustände vom Kapitalismus als dem "besten aller möglichen Systeme" sprechen kann, muss entweder ein völlig perverser Triebtäter oder ein in einem noch perverseren elitären Rassenwahn halluzinierender Faschist sein. Oder beides zugleich. Solche Gestalten haben das Sagen auf diesem Planeten - wer kann da noch ernsthaft von "intelligentem Leben" sprechen?

Passend dazu: Schuld. Die Barbarei Europas

Ehemalige Bankerin: "Mein Geschäftsgebiet war der Hunger. (...) Ich weiß nicht, wieviele Tote es sind, ich hab' keine Ahnung, aber ganz sicher habe ich mehr Menschenleben auf dem Gewissen als all die Generäle und Politiker, die man wegen Kriegsverbrechen vor Tribunale gestellt hat. Der Unterschied ist nur: Mich wird man nie vor Gericht stellen."

Montag, 26. März 2012

Amnesia - The Dark Descent

Ein Gastbeitrag von Darkmoon

Ich weiß gar nicht so genau, weshalb ich diesen Text schreibe. Der Ursprung liegt in einer kleinen Diskussion mit Charlie über Computerspiele, die ich hier im Blog geführt und in deren Folge ich mich bereit erklärt habe, über das Spiel Amnesia - The Dark Descent zu berichten. Dieses Versprechen will ich nun einlösen.

Eigentlich passt das Thema gar nicht hierher, denn was könnte weiter voneinander entfernt sein als das politische Zeitgeschehen auf der einen und die Welt der fiktionalen Computerspiele auf der anderen Seite? Und dennoch sehe ich hier Parallelen, die ich etwas erklären muss.

Erst einmal zum Spiel selbst: Es handelt sich bei Amnesia um ein so genanntes Adventure aus dem Horror-Genre. Anders als viele andere Spiele basiert es aber nicht auf einem auszutragenden Kampf - ganz im Gegenteil: Der Spieler hat keine Waffen zur Verfügung und kann den Bedrohungen, denen er im Verlaufe des Spiels begegnet, nur ausweichen. Flucht und Verstecken sind die einzigen Möglichkeiten, die ihm bleiben. Insofern ist es - trotz des allgegenwärtigen Horrors, der wirklich fantastisch umgesetzt ist - ein pazifistisches Spiel, das allein durch seine unvergleichliche Atmosphäre und die zu lösenden Rätsel besticht. Es versteht sich auch von selbst, dass eine Bedrohung, die man als Spieler nicht bekämpfen kann, umso bedrohlicher wirkt. Die visuelle und akustische Umsetzung in diesem Spiel tut ihr Übriges - ich war nie zuvor so "in Beschlag genommen" von einem Spiel. Es hätte schon das Haus über mir zusammenbrechen müssen, damit ich überhaupt mitbekommen hätte, was sich außerhalb des Spiels ereignet.

Zur Handlung will ich nicht viel schreiben, denn ich möchte ja nicht spoilern. Nur soviel: Der "Abstieg in die Finsternis", den der Spieler bei Amnesia sehr konkret durchlebt, ist für mich ein Spiegel der gesellschaftlichen und sozialen Zerstörung, die momentan über Europa und die Welt hereinbricht. Dabei gibt es so manche Details zu bestaunen, die wahrlich schreckenerregend sind - denn die Geschichte, die sich im Laufe des Spiels offenbart, ist eine zutiefst faschistische. Im Grunde kann man sagen, dass man mit Amnesia den Verfall einer als zivilisiert angenommenen Gesellschaft in ein menschenverachtendes, absolutes Horrorszenario miterlebt.

Ich fürchte, es ist kein Zufall, dass ein solches Spiel gerade heute entstanden ist und dass es ausgerechnet in Deutschland spielt (die Entwickler sitzen in Skandinavien).

Ich möchte es jedem ans Herz legen - es ist als Download für wenig Geld (15 Euro) zu haben. Wer lieber andere spielen lässt und dabei zuschaut, kann bei youtube zwischen mehreren verschiedenen "Let's play"-Versionen wählen und sich so einen Eindruck verschaffen. Ich garantiere aber, dass kein Zuschauen das Selberspielen ersetzen kann.

Wenn hier im Blog immer wieder Texte und Zeichnungen publiziert werden, die auf den bevorstehenden Untergang des zivilisierten, sozialen Europas Bezug nehmen, dann soll auch dieses Spiel als zeitgemäße Entsprechung Erwähnung finden. Es illustriert mindestens genauso gut wie Kästner, Lierke oder Tucholsky den Niedergang - erreicht aber meines Erachtens wesentlich mehr junge Menschen.