Freitag, 4. Februar 2011

Amnesty International: Mutmaßlicher Wikileaks-Informant unmenschlich behandelt

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat der US-Regierung vorgeworfen, der mutmaßliche Wikileaks-Informant Bradley Manning werde in der Untersuchungshaft unmenschlich behandelt. Der 23-jährige US-Soldat, der seit Juli 2010 inhaftiert ist, erhalte weder Polster noch Decken, unterliege Schlafbeschränkungen und werde alle fünf Minuten von einem Wächter angesprochen, erklärte Amnesty am Montag. Vergangene Woche sei ihm wegen angeblicher Suizidgefahr die Kleidung bis auf die Unterwäsche und seine Brille abgenommen worden. Manning müsse 23 Stunden täglich in seiner Einzelzelle verbringen.

(Weiterlesen)

Anmerkung: Soviel zu der Nation, welche die "Freiheit und Demokratie" in aller Welt mit Waffengewalt "verteidigt". Für mich klingt das nach gezielter Folter. Was unterscheidet einen solchen Staat von einer autoritären Diktatur?

Lesen Sie den Text nochmals in aller Ruhe, stellen Sie sich das bildlich vor - und überlegen Sie dann, ob Sie in einem Land leben wollen, das mit mutmaßlichen - noch ist ja nichts bewiesen - Whistleblowern so grausam umgeht. Übertragen wir das einfach mal auf Deutschland: Was wäre, wenn irgendjemand im Parteien-Wirtschafts-Filz-Apparat sein Gewissen wieder entdecken und irgendwelche Papiere aus den inneren Zirkeln kopieren und an Wikileaks oder eine andere Plattform schicken würde? Wir alle würden das doch wahrlich gerne lesen, was da hinter verschlossenen Türen unter Ausschluss der Öffentlichkeit alles gemauschelt wird ... und dann ginge die deutsche Polizei oder ein Geheimdienst oder welche staatliche Stelle auch immer daher und würde diese Person oder eine Person, der sie dieses Vergehen unterstellt, so behandeln, wie das dem Herrn Manning jetzt passiert. Mir fällt dazu nur der Begriff "Unrechtsstaat" ein und ich denke an die Nazis. Das hat mit Freiheit, Demokratie oder Rechtsstaatlichkeit nicht das Geringste zu tun.

Meine Solidarität jedenfalls gehört Herrn Manning - ganz egal, ob er nun derjenige gewesen ist, der Wikileaks mit Informationen versorgt hat oder nicht. So darf mit keinem Menschen umgegangen werden - ganz egal, was er angeblich getan hat oder auch nicht. Deshalb verweise ich gerne auf das "Bradley Manning Support Network".

"Wettbewerb" im Postwesen - neoliberaler Irrsinn im Paradebeispiel

Wettbewerb im Postwesen blieb bislang ein frommer Wunsch - die Post besitzt weiterhin ein Quasi-Monopol und verteidigt ihre Vormachtstellung mit rüden Methoden. Diesen Zustand will die Bundesnetzagentur nach SPIEGEL-Informationen jetzt ändern.

(Weiterlesen)

Anmerkung: Das ehemalige Nachrichtenmagazin kolportiert den Irrsinn der "Netzagentur" (Behörden werden offenbar überall in "Agenturen" umbenannt) wie gewohnt vollkommen unkritisch. Da wird sogar ein gelber Briefkasten zur Veranschaulichung gezeigt und mit der Bildunterschrift versehen: "Briefkasten der Deutschen Post: Härtere Gangart für mehr Wettbewerb" - so als sei es das Normalste von der Welt, dass zukünftig in unseren Städten viele verschiedene Briefkästen in unterschiedlichen Farben zu finden sein sollten, die dann auch von verschiedenfarbigen Postautos angefahren werden sollen. Und auch die Straßen der Städte sollen dann offenbar von vielen Zustellern abgelaufen werden, so wie das heute schon bei den Paketdiensten der Fall ist: Da kommt nicht mehr nur ein Paketauto pro Tag, sondern es sind drei oder vier. Was für ein (letzten Endes auch ökologischer) Irrsinn!

"Wettbewerb im Postwesen" - eine solche Groteske hätte sich auch George Orwell nicht ausdenken können. Und dennoch "berichtet" das ehemalige Nachrichtenmagazin darüber, als sei nichts selbstverständlicher. Ein wirkliches Tollhaus! Merkt denn da keiner, dass der Kaiser keine Kleider anhat?

Das Postwesen gehört in staatliche Hand - da brauchen wir keine Unternehmen, keinen Wettbewerb, keine gierigen "Investoren", keine Preisspirale nach unten auf Kosten der Löhne der Mitarbeiter, der Arbeitsbedingungen und der Umwelt. Wenn das Postwesen einfach wieder verstaatlicht würde, müssten auch keine horrenden Gewinne für die überquellenden Konten der Superreichen mehr erzielt werden, so dass automatisch die Löhne der Mitarbeiter steigen und die Preise für Briefsendungen sinken könnten. Dasselbe gilt indes für so viele andere Bereiche auch.

Wieso setzt sich nicht statt dessen besser die neoliberale Ideologie einem konstruktiven, ehrlichen Wettbewerb aus? Wenn die Menschen endlich einmal klar gegeneinander abwägen könnten, welche Ideologie zum Wohl der großen Mehrheit der Menschen gereicht und welche in die entgegengesetzte Richtung steuert, wäre der Neoliberalismus sehr schnell ein Treppenwitz der Geschichte.

Das Gegenteil ist leider der Fall - wir sind fest in den Fängen der Neoliberalen und ihrer permanenten Propaganda ausgesetzt - von einem Wettbewerb der Ideologien ist da nicht einmal der zarte Hauch eines Schattens zu sehen. Auch und gerade im Spiegel, wo man in diesem Beispiel offenbar gemeinsam mit der "Netzagentur" fleißig versucht, das Licht in Eimern in den dunklen Saal zu schleppen. Ihr Bürger Schildas, wehrt Euch doch endlich.

Donnerstag, 3. Februar 2011

Statistiken: Lügen mit Zahlen

Trau keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast, weiß der Volksmund. Und Recht hat er damit. Mit Zahlen wird knallharte Politik betrieben. Wie das funktioniert, zeigt ein Statistiker.

(...) Denn mit Statistiken wird Politik gemacht. / Sozialpolitik etwa. So schreckte das Arbeitsministerium die Bevölkerung mit der Meldung auf, zwischen 1991 und 2008 seien die Sozialausgaben von 400 auf 700 Milliarden Euro gestiegen – ein Plus von 75 Prozent! Das stimmt zwar. Ist aber zunächst nicht weiter verwunderlich. Denn die Sozialausgaben "teilen nur das Schicksal fast aller absoluten Ausgaben wie Urlaubsausgaben, Unternehmensgewinne oder die Mieten – sie steigen", so die Autoren [des Buches "Lügen mit Zahlen", Bosbach und Korff].

Aussagekräftiger als die absoluten Zahlen ist der Anteil der Sozialausgaben an der Wirtschaftsleistung. Und hier zeigt sich: Dieser Anteil lag 2008 bei etwa 28 Prozent und damit so hoch wie 1992. "Wenn die sozialen Probleme größer werden, wir für ihre Bewältigung aber einen stagnierenden Anteil des BIP ausgeben, müsste man eher von einem Abbau des Sozialstaates sprechen als von Wildwuchs", meint Bosbach.

(Weiterlesen)

Anmerkung: Prof. Bosbach hat sich schon im Zusammenhang mit der Offenlegung des überall in den schwärzesten Farben gemalten "demographischen Wandels" (und der daraus angeblich resultierenden Probleme bezüglich der Rente) als haltlose statistische Zahlenspielerei positiv hervorgetan. Seine Worte dazu lauteten, dies sei "Kaffeesatzleserei".

Im vorletzten Beitrag habe ich auch schon etwas zu diesen statistischen Tricks geschrieben - da kommt dieses Buch mit dem treffenden Titel gerade zur rechten Zeit. Die neoliberale Bande benutzt wirklich alle zur Verfügung stehenden Tricks und Täuschungsmanöver, um uns gezielt in die Irre zu führen und erwünschte Horrorszenarien aufzubauen, die gar nicht existieren. Die Medien haben seinerzeit von der Leyens Märchen von den "wild wuchernden" staatlichen Ausgaben für Soziales unreflektiert (oder vielleicht auch gezielt) weiterverbreitet. Welch ein groteskes Schauspiel, angesichts der vorhergegangenen Deformation des Sozialstaates. Erst zerstören sie die Arbeitslosenversicherung und machen Millionen von Menschen zu Sozialhilfeempfängern (mit der scheinheiligen Begründung, es fehle an Geld), und danach behaupten sie, die Ausgaben seien trotzdem um 75 Prozent (!!) gestiegen ... und kein Medium hinterfragt das oder kommt auf den Gedanken, da einfach mal genauer hinzuschauen. Da muss erst ein solches Buch geschrieben werden, damit auch die Medien diese Lügen und Täuschungsmanöver einmal thematisieren - dann, wenn es längst zu spät ist. Und bei der nächsten statistischen Lüge wiederholt sich das Schauspiel gewiss ...

In diesem Zusammenhang sei auch noch einmal an den aufklärerischen Film "Rentenangst" erinnert, dem Sie entnehmen können, wie das funktionierende, bewährte umlagefinanzierte Rentensystem in diesem Land gezielt und bewusst mit statistischen Lügereien kaputt geredet und gemacht wird, damit private Versicherungen fette Beute machen können.


Auch ein Franzose macht's vor: Empört euch!

  1. Er kämpfte in der französischen Résistance, war später Diplomat und weiß die republikanischen Ideale hochzuhalten. Und seit kurzem ist Stéphane Hessel auch Autor eines schmalen Bestsellers: Auszüge aus seinem Pamphlet "Empört euch!", das Frankreich bewegt.

    (Weiterlesen)


  2. Stéphane Hessel, französischer Diplomat und Widerstandskämpfer, im Gespräch mit Frank Meyer

    Der Aufruf "Empört Euch!" von Stéphane Hessel wurde in Frankreich von vielen hunderttausend Menschen gelesen. Stéphane Hessel fordert darin einen friedlichen Aufstand für eine würdige Gesellschaft, gegen "die Verachtung der Schwächsten und den unerbittlichen Wettstreit aller mit allen". Der 93-jährige Diplomat ist ein Mann von großer moralischer Autorität, als früherer Widerstandskämpfer, KZ-Häftling und Mitautor der UN-Menschenrechtserklärung hat seine Stimme Gewicht. Sein Appell hat deshalb ein enormes Echo in der französischen Gesellschaft gefunden, begeisterte Zustimmung genauso wie harsche Kritik. Frank Meyer spricht mit Stéphane Hessel über Gründe zur Empörung, über seine Erfahrungen sowohl in der Résistance als auch in der Nachkriegspolitik und über seine Herkunft aus einer deutschen, jüdisch-protestantischen Familie.

    (Anhören)


Anmerkung: Es ist wirklich beachtlich, was dieser große, alte Mann aus der Résistance da niedergeschrieben hat - fast könnte man meinen, es stelle die Blaupause für die momentan stattfindenden Aufstände in den arabischen Ländern dar. Weshalb die Schrift in Frankreich aber auch "harsche Kritik" geerntet haben soll, bleibt ein großes Rätsel. Lesen Sie selbst und hören Sie dem Mann zu und bilden Sie sich ein eigenes Urteil. Ich jedenfalls kann Passagen wie der folgenden nur vorbehaltlos zustimmen:

"Nein, die Gefahr [der faschistischen Barbarei] ist nicht vollständig verschwunden. Und auch weiterhin rufen wir auf zu einem 'friedlichen Aufstand gegen die Massenmedien, die unserer Jugend keine anderen Ziele anbieten als Massenkonsum, Verachtung für die Schwächeren und für die Kultur, eine allgemeine Amnesie und eine maßlose Konkurrenz aller gegen alle'."

Nach "Der kommende Aufstand" nun also das nächste Büchlein aus Frankreich, das an Deutlichkeit nicht viel zu wünschen übrig lässt. Auch Albrecht Müller hat einige Zeilen dazu geschrieben.

Mittwoch, 2. Februar 2011

Deutschland: So reich wie noch nie

Die Frohe Botschaft der "Allianz Global Investors" war selbst in Provinzblättern wie den Westfälischen Nachrichten (7.1.2011) zu lesen: 2010 seien die Geldvermögen hierzulande um 4,7 Prozent auf jetzt 4,88 Billionen Euro gestiegen. Das sei eine ähnlich positive Entwicklung wie schon 2009. "Jeder Bundesbürger hat knapp 60.000 Euro auf der hohen Kante – statistisch gesehen", wusste die Zeitung zu berichten. Gab und gibt es demnach gar keine Krise, weder im produzierenden und verarbeitenden Gewerbe noch gar im Finanzsektor, wenn doch die Geldvermögen gewachsen sind, und das offenbar Jahr für Jahr schneller? (...)

Ich kann in meinem Familien- und Bekanntenkreis von den durchschnittlichen 60.000 Euro Geldvermögen pro Familienmitglied wenig entdecken. Da scheint von den sagenhaften Zuwächsen nicht viel angekommen zu sein. Eher höre ich, dass das Geld – Löhne und Renten – knapper wird, weil die Preise zumeist weiter steigen: die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung, die Fahrpreise, die Eintrittsgebühren fürs Schwimmbad und so weiter. Und wenn "Deutschland" die Krise "gemeistert" hat und sogar durch sie "gestärkt" sein soll, warum musste dann für die nächsten Jahre ein neues, riesiges "Sparpaket" beschlossen werden, mit drastischen Kürzungen der staatlichen Ausgaben vorwiegend im Sozialbereich? Warum können die Unterstützungssätze für Hartz-EmpfängerInnen nach Jahren ohne Inflationsausgleich nur um fünf Euro angehoben werden, warum muss ihnen das Elterngeld komplett gestrichen werden? Gehören "die da Unten" und "die in der Mitte" nicht mehr zu "Deutschland"?

(Weiterlesen)

Anmerkung: Das ist ganz richtig erkannt: Deutschland im neoliberalen Sinne umfasst längst nicht mehr alle Bürger dieses Landes, sondern ausdrücklich nur noch die so genannten Leistungsträger - wobei aber auch hier Orwell'sches Neusprech die Szenerie beherrscht, denn wenn die neoliberale Bande von "Leistungsträgern" spricht, meint sie nicht diejenigen, die tatsächlich Leistungen erbringen, wie zum Beispiel all die Altenpfleger oder Krankenschwestern, die sich in ihrem Job aufreiben (im Gegensatz zu den "Parasiten" wie beispielsweise den Rentnern, Kranken oder Behinderten), sondern sie meint die Finanz"elite" - die Reichen und vor allem Superreichen. Deren Vermögen ist auch in den vergangenen Jahren selbstredend gewachsen - die "Bankenrettungen" in Milliardenhöhe haben's möglich gemacht.

Insofern verwundert es nicht weiter, dass in einem stetig reicher werdenden Land, wo sich der Reichtum auf wenigen privaten Konten konzentriert, während der Staat "verschlankt" (sprich: ausgeblutet) wird, für die große Mehrheit der Bürger kein Geld mehr da ist und man eben "sparen" (sprich: kürzen) und natürlich neue Schulden machen muss. Raten Sie doch mal, bei wem der Staat diese virtuellen Schulden, die in Wahrheit gar keine sind, macht? Richtig ... bei denen, die zuvor Milliarden Steuergelder in den Rachen geworfen bekommen haben.

Das ganze Szenarium ist dermaßen grotesk, dass man sich ernsthaft fragen muss, wieso hierzulande nicht auch Massen von Menschen auf den Straßen stehen, die diese Bande aus dem Land jagen wollen. Oder, wie der Autor des Artikels das formuliert: "Die Auswirkungen der weltweiten Großkrise des Kapitalismus konnten bisher fast ohne Gegenwehr den Armen und großen Teilen der Mittelschicht aufgebürdet werden. Die einen scheinen resigniert und gelähmt, die anderen rechnen wohl immer noch damit, dass sie irgendwann doch zu den Gewinnern gehören werden. Es herrscht Ruhe im Land, fast unheimliche Ruhe."

Derweil sitzen auch in Deutschland die Milliardäre in ihren Villen und Palästen und schauen grinsend dabei zu, wie Tag für Tag weitere Milliönchen leistungslos in ihre Geldspeicher fließen, während die Mittel- und Unterschichten wie Zitronen ausgepresst werden. Ja, Frau Merkel, das "Deutschland der Reichen" ist gestärkt aus der Krise hervorgegangen - kein Wunder, denn Sie und Ihre Kumpanen haben ja auch alles dafür getan, um das sicherzustellen - auf Kosten der übrigen Bevölkerung.

Und diesen statistischen Blödsinn, der da immer wieder in den Propagandablättern verbreitet wird, kann man bald nicht mehr ertragen ... jedes Grundschulkind kann nun nachvollziehen, dass es grober Unfug ist zu behaupten: "Wenn von zehn Personen eine Person zehn Grillhähnchen isst, haben statistisch gesehen alle zehn Personen jeweils ein Grillhähnchen gegessen." Und dennoch steht ein solcher hanebüchener Unsinn immer und immer wieder in diesen Blättern und wird im Fernsehen verbreitet. Meine neunjährige Tochter fragte mich anlässlich dieses Beispiels: "Wieso steht das denn dann in der Zeitung? Das ist doch Quatsch!" - Ich wusste keine Antwort darauf, die sie hätte verstehen können.

1. Kölner Blogger-Kongress

Der 1. Kölner Blogger-Kongress findet vom 11. bis zum 13. Februar 2011 im Kunsthaus Rhenania (Bayenstraße 28, Köln-Rheinufer) statt und steht unter dem Motto "Retten die Blogger die Demokratie?"

Eine rege Teilnahme ist erwünscht - alle Informationen zum Programm und zur Anmeldung finden Sie auf der Internetseite www.derkongressbloggt.de.

Montag, 31. Januar 2011

Das schlimme K-Wort

(...) Dass die [Linke] "aus der medialen Aufmerksamkeit (für das 'schlimme Wort'; A.K.) politische Erfolge schlagen" könnte, wie in der jungen Welt zu lesen ist, kommt mir unwahrscheinlich vor, weil zu kurzatmig gedacht. Aber es empfiehlt sich, dem Kommunismus nachzuforschen, über ihn nachzudenken und öffentlich zu sprechen. Seit dessen Aufstiegszeiten sitzt er als Anfechtung dem Kapitalismus im Nacken: Möglicherweise ist der gegenwärtige Furor um das K-Wort auch angstgetrieben. Denn die kapitalistischen Verhältnisse können derzeit nur noch ihre Profiteure beglücken, und die sind nicht sehr zahlreich. Allzu viele Risse kommen in den Fugen des Kapitalismus zum Vorschein. Auf Angsterfahrungen, weiß die Psychologie, lässt sich unterschiedlich reagieren: mit Verdrängung, mit Aggression oder mit dem Versuch, Ursachen zu erkennen und Problemlösungen zu finden. Für den Einzelnen ist das nicht leicht, für die Gesellschaft erst recht nicht, was schon Bert Brecht gesagt hat: Der Kommunismus sei das Einfache, das schwer zu machen ist.

(Weiterlesen)

Anmerkung: Was bedeutet Kommunismus überhaupt? Diese simple Frage kann doch in unserem "Informationszeitalter", das eher die Bezeichnung "Propagandazeitalter" verdient, nur noch eine kleine Minderheit tatsächlich beantworten. Die Erwähnung dieses Wortes löst allenthalben nur noch reflexartige Worthülsen aus, die nichts mit der Wortbedeutung zu tun haben.

Anders als der Autor des obigen Artikels bin ich aber durchaus der Meinung, dass es Sinn macht, dieses Wort zu vermeiden. Die neoliberale Bande hat es ja schließlich auch geschafft, ihre alten, braunen Ideen des "Elite"-Denkens in den Deckmantel der Scheindemokratie zu verpacken, ohne sich dem offensichtlichen Faschismusvorwurf aussetzen zu müssen. Es ist exakt so gekommen, wie Adorno es seinerzeit fast schon prophetisch formuliert hat: "Ich fürchte mich nicht vor der Rückkehr der Faschisten in der Maske der Faschisten, sondern vor der Rückkehr der Faschisten in der Maske der Demokraten."

Was spricht also dafür, das "schlimme K-Wort" zu bemühen? Aus meiner Sicht nichts: Wir meinen alle weitgehend dasselbe, wenn wir die herrschenden Verhältnisse geißeln, und es ist belanglos, wie wir die Alternative nennen - ob es nun der "demokratische Sozialismus" oder der mir persönlich besser gefallende demokratische "solare Sozialismus" oder auch der Kommunismus ist. Die Diskussion darüber ist mehr oder weniger redundant - die Außenwirkung ist es jedoch nicht.

Wenn man in einem perversen Propagandasystem lebt, muss man seine Äußerungen diesen perversen Regeln anpassen, wenn man etwas erreichen will - so niederschmetternd diese Erkenntnis auch ist. Halten wir also fest: Nein, wir wollen um Himmels Willen keinen Stalin, wir wollen keine Sowjetunion, wir wollen keine DDR - wir wollen kein autoritäres Regime. Wir wollen Demokratie - echte, wirkliche Demokratie, und wir wollen keine "Elite", keine höher- oder geringerwertigen Klassen oder Einzelpersonen.

Eigentlich ist das ganz einfach ... aber ich will Brecht nicht die Worte stehlen.

Schulbildung in neoliberalen Zeiten - "Was für ein Verbrechen an unserer Jugend"

(...) Immer mehr Schulklassen werden zu Opfern von Schulversuchen mit "modernen" Lehrmitteln, die angeblich zu angenehmerem und leichterem Lernen Hand bieten sollen (...). In Wirklichkeit werden unsere Kinder als Experimentiermasse für neoliberale Programme aus Übersee missbraucht, die für den deutschen Sprachraum durch Bertelsmann & Co präpariert und von Konzernen gesponsert werden – vermutlich nicht nur aus Nächstenliebe. Wer schon gefördert in die Schule kommt, lernt trotzdem etwas und ist für die kleine Elite auserkoren, die später an unseren Bologna-Hochschulen für die Bedürfnisse der globalen Großkonzerne weiter zurechtgeschliffen werden soll. Die große Mehrzahl der Schüler jedoch bleibt auf der Strecke. Was für ein Verbrechen an unserer Jugend!

In der Tagespresse liest man immer häufiger von üblen Experimenten wie dem folgenden: "Versammeln sich die 17 Schülerinnen und Schüler bei Klassenlehrer C.N., um Französisch zu sprechen oder Kopfrechnen zu üben, holt niemand ein Buch hervor. Statt dessen stöpseln sich die Elfjährigen einen Kopfhörer ins Ohr und legen ihr Apple iPhone 3G aufs Pult, jenes Gerät, das ihnen die Schule für einen zweijährigen Versuch zur Verfügung stellt. Das Projekt wird von der Pädagogischen Hochschule Zentralschweiz durchgeführt und soll herausfinden, ob Jugendliche das iPhone in Unterricht und Freizeit gewinnbringend einsetzen. Auf dem Smartphone befinden sich Audiodateien der Lehrmittel, ein Vokabeltrainer, der Duden und ein Kopfrechnungsprogramm, daneben benutzen es die Kids zum Lesen, Schreiben, Zeichnen, Kommunizieren und Surfen. Zudem umfasst das Projekt ein neuartiges Sponsoring: Die Swisscom stellt die iPhones gratis zur Verfügung und übernimmt alle Verbindungskosten." So weit der Bericht aus der Neuen Zürcher Zeitung vom 8. November 2010. Die Kinder – eine sechste Klasse, die im nächsten Sommer den Übertritt in die Sekundarstufe bewältigen sollte! – werden also sich selbst und ihrem elektronischen Gerät überlassen. Jeder Lehrer, dem es mit seinem Berufsauftrag ernst ist und der es ehrlich meint, weiß sehr genau, dass eine größere Anzahl seiner Schüler auf diese Weise nicht viel lernen wird.

(Weiterlesen)

Anmerkung: Dieses Beispiel aus der Schweiz ist natürlich nur eines von vielen - der Bertelsmann-Konzern und andere neoliberale Gruppierungen nehmen in großem Stil Einfluss auf das staatliche Bildungssystem (der so genannte Bologna-Prozess, den man eher als Zerstörungswerk bezeichnen muss, ist hinlänglich bekannt) inklusive der Lerninhalte und -formen.

Was für eine Generation soll da bloß herangezüchtet werden? Was soll aus Kindern werden, die schon in der Schule nachhaltig eingetrichtert bekommen, dass Egoismus und Konkurrenz die wichtigen Werte seien, während Solidarität, Empathie, Kritikfähigkeit oder Mitgefühl keinen "Zugewinn" bringen? Es ist nur allzu konsequent, wenn eine Ideologie, in der betriebswirtschaftlich-kapitalistisches Denken im Mittelpunkt steht, auch die Menschen nach ihrem Weltbild "umzuformen" versucht. Schließlich steht in dieser Ideologie nicht der Mensch und sein Wohl, sondern eine "Elite" und das Geld im Zentrum.

Die Zerstörung der Hochschullandschaft ist bereits in vollem Gange - doch auch das System der Grund- und weiterführenden Schulen wird alsbald nicht mehr wiederzuerkennen sein, wenn da nicht endlich die Reißleine gezogen wird.

Ich habe während meiner Schulzeit einst gelernt, dass es richtig und wichtig ist, für eigene Überzeugungen und das eigene Gerechtigkeitsempfinden aufzustehen, auch wenn Gegenwind herrscht, und dass Solidarität mit Schwächeren die Grundvoraussetzung für ein menschliches Miteinander darstellt. Nichts davon scheint heute mehr eine bedeutende Rolle an unseren Schulen zu spielen - ich habe vielmehr den Eindruck, dass die damalige Außenseiter- und Minderheitsgruppe der aktenkoffertragenden Egozentriker, die schon im Alter von 14 Jahren "wussten" (sprich: eingebläut bekommen hatten), dass sie BWL studieren würden, heute den Ton angibt und ihr perfides Modell des rücksichtslosen Ellbogenwettbewerbes auf alle Menschen übertragen will.

Man kann sich nur noch gruseln bei solchen Gedanken. Wenn ich mir vorstelle, in welcher eiskalten Zukunft meine Kinder werden leben müssen, wenn diese irrsinnige Ideologie nicht endlich gestoppt wird, überkommt mich das blanke Entsetzen.