Samstag, 11. November 2017

Zitat des Tages: Die Turmuhren


Gleichmäßig drängen sich die Zacken
der harten Räder in die Lücken,
um jede Stunde fest zu packen,
zu martern und sie tot zu drücken.
Und werfen die erwürgte Stunde
hinunter auf die harten Gassen,
wie satte Katzen aus dem Schlunde
zerbissne Mäuse fallen lassen.

(Gottfried Kölwel [1889-1958]: "Die Turmuhren", in: "Gesänge gegen den Tod", Kurt Wolff 1914)


Freitag, 10. November 2017

Musik des Tages: Starless




Sundown dazzling day
Gold through my eyes
But my eyes turned within
Only see
Starless and bible black

Ice-blue silver sky
Fades into grey
To a grey hope that all yearns
To be
Starless and bible black

Old friend charity
Cruel twisted smile
And the smile signals emptiness
For me
Starless and bible black

(King Crimson: "Starless", aus dem Live-Album "Radical Action to Unseat the Hold of Monkey Mind", 2016; Original aus dem Album "Red", 1974)


Donnerstag, 9. November 2017

Als die Synagogen brannten


Die Novemberpogrome 1938

Fast 80 Jahre sind vergangen seit den Novemberpogromen 1938. Sie sind eine der zentralen Wegmarken des Völkermords. Während die Juden in Deutschland seit der Machtübernahme bereits systematisch ausgegrenzt und ausgeplündert wurden, so zeigte sich in der sogenannten Kristallnacht offen das mörderische Gesicht der Hitlerdiktatur.

Am 9. und 10. November 1938 brannten in ganz Deutschland rund 400 Synagogen, SA-Männer verwüsteten 7.000 jüdische Geschäfte. Über neunzig Menschen wurden vom Mob ermordet, etwa 600 begingen Selbstmord. Mehr als 26.000 Männer wurden - angeblich zu ihrem eigenen Schutz - in Konzentrationslager verschleppt und dort misshandelt. Spontane Aktionen aufgebrachter Bürger seien es gewesen, behaupteten die Nazis, als sich ein Proteststurm im Ausland erhob, tatsächlich war es der Höhepunkt einer staatlich gelenkten Welle antisemitischer Gewalt in Deutschland.

Autor und Regisseur Michael Kloft hat für seine Dokumentation kaum bekanntes Material und Fotos gefunden und er hat Zeitzeugen befragt, die heute noch die damaligen schrecklichen Ereignisse vor Augen haben.



("Als die Synagogen brannten", Dokumentation von Michael Kloft, NDR 2008)

Siehe dazu auch: "Die letzten Zeugen".

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(Titelseite des Nazi-Hetzblattes "Der Stürmer. Deutsches Wochenblatt zum Kampfe um die Wahrheit", hg.v. Julius Streicher, Nr. 48 vom Dezember 1938)

Mittwoch, 8. November 2017

Die "bürgerliche Mitte": Von Ratten und Menschen


In der jüngsten Ausgabe der Satiresendung "Die Anstalt" haben die Kabarettisten Max Uthoff, Claus von Wagner und ihre Mitstreiterinnen sehr hübsch herausgearbeitet, wie der neoliberale Umbau der Welt seit 1947 gezielt und geplant von diversen LobbyistInnen und entsprechenden, für diesen Zweck gegründeten und miteinander vernetzten "Think Tanks" durchgezogen wurde. Leider wird auch dort das Wort "Kapitalismus" strikt vermieden, so dass wieder einmal die – möglicherweise gar nicht beabsichtigte – Illusion kolportiert wird, es könne im Gegensatz zum bösen, neoliberalen Kapitalismus auch einen "guten" Kapitalismus geben. Das ist freilich absurder Blödsinn.

Was diese schäbige, zerstörerische und zutiefst infantile Ideologie, die längst religiöse, fundamentalistische Züge angenommen hat, mit vielen Menschen anrichtet, ist indes allerorten zu beobachten. Ein weiteres von so vielen Beispielen las ich kürzlich in einer Kolumne von Mely Kiyak bei Zeit Online. Dort heißt es zum Thema Obdachlosigkeit in Berlin unter anderem:

Der grüne Berlin-Mitte-Bürgermeister Stephan von Dassel ließ mit großem Tamtam und flankiert von Interviews verlauten, dass "50 besonders aggressive" osteuropäische Obdachlose den Tiergarten verdrecken würden. Er forderte Abschiebungen nach Polen. (...) / "Die Ratten kann man nur bekämpfen, wenn die Menschen weg sind", sagte die Pressesprecherin des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg. Sie ließ eine "Räumung aus hygienischen Gründen" anordnen. (...) / Gern wäre man dabei gewesen, wenn zwei Sozialarbeiter die Menschen darauf hinwiesen, dass sie sich in einem Wärmebus einen Becher Tee abholen dürfen, derweil ihre Zelte und Matratzen und ihr letztes Hab und Gut vor ihren Augen auf den Müll wanderten. Worauf sie wohl in den kommenden Nächten schliefen? Auf nassem Laub?

So sind sie, die kapitalistisch verdorbenen Menschen – und dies ist exakt die perverse Welt, die sich Kapitalisten ("Neoliberale") herbeiträumen und die sie in weiten Teilen längst erreicht haben. Da fällt einem "Grünen" die abgrundtiefe Menschenfeindlichkeit, die er ausposaunt, gar nicht mehr auf; und für den angeschlossenen Partei- und Behördenapparat ist es offenbar eine Selbstverständlichkeit, eine wie auch immer postulierte "Rattenplage" mit – in diesem Fall etwa 50 – obdachlosen Menschen in Zusammenhang zu bringen, was an sich schon grotesk ist, und in der Folge nicht etwa diesen Menschen zu helfen, indem man ihnen beispielsweise schlicht Wohnraum anbietet, sondern sie stattdessen polizeilich vertreiben lässt.

Aus allen diesen Worten und Taten brüllt uns der Faschismus entgegen – und zwar unverhohlen und ganz ohne pseudodemokratische Maske. Man sieht: Die AfD wird gar nicht gebraucht – die Drecksarbeit der menschenfeindlichen Umsetzung der kapitalistischen Zerstörung erledigen die Parteien der "bürgerlichen Mitte" auch ganz ohne die Hilfe der offen Rechtsradikalen. Das obige Beispiel ist nur das Schneeflöckchen auf der Spitze des Eisberges.

Es führt wohl kein Weg daran vorbei endlich anzuerkennen, dass die "bürgerliche Mitte" Deutschlands mittlerweile wieder Hakenkreuzarmbinden trägt, auch wenn sie dies reflexartig sehr erbost von sich weist. Mir wird speiübel, wenn ich mir vorstelle, wohin das führen kann – bzw. zwangsläufig führen muss.

Montag, 6. November 2017

Kapitalistan: "Alles wird immer besser, Deutschland geht es blendend"


Über das folgende Thema habe ich mich schon oft ausgelassen – und ich bin wahrlich nicht der einzige: Auch der Kollege Wellbrock von den "Neulandsozialdemokraten" hat das jüngst wieder einmal getan, auch wenn seine Betrachtung – wie gewohnt – im dort üblichen "Klein-Klein" der marktwirtschaftlichen Beleuchtung steckenbleibt und den Tellerrand nicht sucht – und ihn ergo auch nicht findet bzw. gar nicht finden will.

n-tv erzählt uns das Märchen vom "Lieben Wolf und den süßen Geißlein" nun zum 1058. Mal:

Arbeitslosigkeit in Europa sinkt weiter / Die Arbeitslosenquote im Euroraum ist im September auf den niedrigsten Stand seit Januar 2009 gefallen. Im September lag die Quote bei 8,9 Prozent, wie das Statistikamt Eurostat in Luxemburg mitteilte. In absoluten Zahlen fiel die Arbeitslosigkeit im September zum Vormonat um 96.000 und gegenüber dem Vorjahresmonat um 1,463 Millionen.

Selbstverständlich wird auch in dieser (von der dpa kopierten) "Pressemitteilung" nichts über Hintergründe, über frisierte Zahlen und geschönte Statistiken berichtet – das könnte einen Teil der Bevölkerung schließlich verunsichern. Die minimalistischen, albernen Pseudodifferenzierungen, die im Text vorkommen, lassen das Ergebnis noch viel skurriler erscheinen: Jedem denkenden Menschen muss klar sein, dass in einem von Banken und der EU bis aufs Blut ausgepressten Staat wie Griechenland die Arbeitslosigkeit besonders hoch ist – und dennoch entblödet man sich nicht, sogar hier von einer relativen "Verbesserung" zu schwadronieren.

Es wird gelogen, dass sich die Balken nicht mehr nur biegen, sondern gleich reihenweise krachend den Geist aufgeben. Und trotzdem wiederholt die Kuhpresse den giftigen Sermon immer und immer wieder, als hinge ihr Leben davon ab. Was im hiesigen Haifischbecken vielleicht auch gar nicht so falsch ist.

Eines darf auch in dieser knappen Form – es handelt sich gerade mal um drei kurze Absätze – aber niemals fehlen, und das ist der ewig wiederkehrende Hinweis, dass "Deutschland besonders gut" dastehe. Im Teaser zu diesem absurden, semireligiösen Minitext war auf der Übersichtsseite bei n-tv gar zu lesen, "Deutschland" ginge es "blendend". Das ist schließlich das Wichtigste, nicht wahr, liebe Presse? – Selbstverständlich ist auch das dumm und dreist gelogen – die entsprechenden Zahlen sind (noch weitaus umfassender als Wellbrock das in seinem allzu engen Text darstellt) fingiert und zurechtgebogen – aber das interessiert die Vasallen der Herrschaft nicht weiter. Schließlich soll das kapitalistische Donnerross ja weiterhin stöhnend in den Abgrund schnaufen, während die Superreichen sich fortwährend die längst überquellenden Taschen füllen, denn das ist das alleinige Ziel der ganzen Veranstaltung, die "System" genannt wird.

Es ist, als hätte irgendwer den JournalistInnen, die diesen lächerlichen Betrug, für den sie seinerzeit selbst in der DDR schallend ausgelacht worden wären, wie von Sinnen immer wieder verbreiten, denselben Quirl auf den geöffneten Schädel geschnallt, der schon seit Jahrzehnten die Gehirne der PolitikerInnen der kapitalistischen Einheitspartei (KED) in grauen, zähflüssigen und willfährigen Schleim verwandelt. Bislang liefen die Geräte auf Stufe III – bald wird die Energie aber sicherlich auf Stufe IV erhöht: Da kann es dann schon einmal vorkommen, dass auch etwas übelriechender, unschöner Brei über den Rand nach draußen schwappt. Die Skala ist jedoch noch nicht ausgereizt, so dass wir uns auf noch viel üblere Sauereien – nicht bloß bezüglich der schleimigen Verunreinigungen – freuen können.

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Derweil in Kapitalistan



(Illustration aus dem "Offenbarungsbuch" der Zeugen Jehovas, der offensichtlichen Blaupause für den kapitalistischen Kuhjournalismus)