Samstag, 1. Juli 2017

Alltäglicher Rassismus in Kapitalistan


Man stelle sich folgendes Szenario vor: Eine Gruppe von SchülerInnen aus Deutschland reist im Rahmen eines Schulprojektes mit dem Titel "Erinnern", das die jungen Leute für die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden zwischen 1933 und 1945 sensibilisieren soll, nach Polen, um u.a. die Gedenkstätten der Vernichtungslager Treblinka und Majdanek zu besuchen. Ich halte das für eine überaus gute Idee – allerdings waren die Erlebnisse dieser Schülergruppe dann doch etwas anders als erwartet, wie Zeit Online vor einigen Tagen zu berichten wusste:

Muslimische Schüler der Theodor-Heuss-Gemeinschaftsschule aus Berlin-Moabit sind auf einer Reise nach Polen mehrfach rassistisch beleidigt, bedroht und angegriffen worden.

Den Artikel sollte man aufmerksam lesen, auch wenn der Inhalt teilweise unerträglich ist. Hier kann exemplarisch bestaunt werden, wohin der neo-nationalistische Kurs der kapitalistischen Bande, der keineswegs nur auf Polen beschränkt ist (auch wenn er dort, wie auch in Ungarn, ganz besonders ausgeprägt ist – beide Länder werden von offen rechtsextremen Regierungen heimgesucht), wieder einmal führt: Der Rassismus blüht und stinkt in den widerwärtigsten Farben quer durch die Bevölkerung und trifft in diesem Beispiel groteskerweise gerade diejenigen, die dem Rassismus der überwunden geglaubten, finstersten Vergangenheit nachspüren wollen:

"Wir wollten erfahren, wie Rassismus früher ausgesehen haben muss", sagte der Sohn der Lehrerin (...), "aber wir haben stattdessen erfahren, wie aktuell er noch heute ist."

Zu einem journalistisch "guten" Text reicht es aber auch in diesem Fall bei weitem nicht, denn der Autor Jan Aleksander Karon unterlässt es konsequent, irgendwelche Parallelen zu ganz ähnlichen, leider alltäglichen Schauerlichkeiten in anderen europäischen Ländern – beispielsweise in Deutschland – zu ziehen. Die stetigen Anfeindungen, denen Muslime, "SüdländerInnen", Juden, Schwarze, AsiatInnen und viele andere ethnische bzw. religiöse Gruppen auch hierzulande zunehmend ausgesetzt sind, kommen hier gar nicht vor, ebensowenig wie die ständige Diffamierung Arbeitsloser oder die Ausgrenzung und Zwangsverarmung Behinderter und Kranker.

Rassismus ist längst wieder alltäglich geworden – und das keineswegs nur in Polen oder Ungarn. Seine hässliche Fratze lässt sich überall finden, und es bedarf auch keiner rechtsextremen Parteien, um ihn zu entdecken. So gut wie der Vorsitzende der polnischen "Piss"-Partei, Kaczyński, der Flüchtlinge als "Getier" und "Lumpenpack" bezeichnet hat, kann das die deutsche Politik allemal – unvergessen ist da der korrupte, egomanische Ex-SPD-Minister Wolfgang Clement, der Arbeitslose unverhohlen mit "Parasiten" vergleichen ließ. Zu einem halbwegs akzeptablen journalistischen Text gehörte an dieser Stelle selbstverständlich auch die Frage nach den möglichen Ursachen für diese grauenhafte Entwicklung, die ohne große Umwege das kapitalistische System der Habgier und des Eigennutzes in den Fokus rücken müsste. Es versteht sich von selbst, dass solcherlei böse Ketzerei auch in diesem Bericht nicht zu finden ist.

Wie man einen solchen Artikel schreiben kann, ohne zumindest am Rande auf die vielen hundert Brandanschläge auf Asylbewerberheime und andere rassistisch motivierte Straftaten im eigenen Land – die zudem über "Bespucken" und "Beleidigungen" sehr weit (!) hinausgehen – hinzuweisen, wird wohl das mystische Geheimnis der Kuhpresse bleiben. Ohne es explizit zu formulieren, brüllt auch dieser Text die übliche – natürlich gelogene – Propaganda-Predigt in die Welt: "Sehet her, ihr gläubigen Schäflein, in Polen regiert die polnische Variante der AfD – und schon ist der Rassismus gegen unbescholtene Deutsche wieder da! So etwas wird in Deutschland niemals vorkommen, wenn ihr auch weiterhin brav CDU, SPD, Grüne und FDP wählt! Amen et absolvo te."

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Auf dem Transport



(Holzschnitt von Alfred Förg [1923-1994], in: "Der Simpl", Nr. 2 vom Januar 1948)

Donnerstag, 29. Juni 2017

Musik des Tages: Grande Messe des Morts




(Louis Hector Berlioz [1803-1869]: "Requiem. Grande messe des morts", Op. 5; WDR Sinfonieorchester, Tschechischer Philharmonischer Chor Brno, WDR Rundfunkchor, Tenor: Andrew Staples, Leitung: Jukka-Pekka Saraste, 2017)

  1. Requiem et Kyrie
  2. Dies irae
  3. Quid sum miser
  4. Rex tremendae
  5. Quaerens me
  6. Lacrimosa
  7. Offertorium
  8. Hostias
  9. Sanctus
  10. Agnus Dei

Das Milliardenspiel des Todes


Hat hier schon jemand etwas von einer Bank- und Finanzkrise gehört? Denkt mal scharf nach – das war irgendwann in ferner Vergangenheit, damals in der Weimarer Zeit oder dem Pleistozän, als Merkel & Co. den "notleidenden Banken" Milliarden Steuergelder zugeschustert haben, um den – eigentlich logischen und unausweichlichen – Zusammenbruch dieses Systems etwas aufzuschieben. Das liegt lange hinter uns, das betrifft uns nicht mehr, und überhaupt ist es ja nur recht und billig, wenn der Staat Notleidenden hilft, denn dazu ist er ja schließlich da, gelle.

Milliarden Euro für "notleidende Banken"

Dummerweise hat die Presse, die jene systemische Krise inzwischen längst für beendet erklärt und in eine "Staatenkrise" umgelogen hat, vergessen, dass das kannibalische System sich nicht an Propagandavorgaben hält, so dass vor einigen Tagen bei n-tv zu lesen war:

Der italienische Finanzminister Pier Carlo Padoan hat am Sonntag eine neue Finanzkrise im italienischen Bankensystem gerade noch einmal verhindert. Mit bis zu 17 Milliarden Euro Steuergeld rettet Padoan die Veneto Banca und Banca Popolare di Vicenza in der Veneto-Region in Nordostitalien. Die maroden Geldhäuser werden aufgespalten: Den guten Teil schluckt Italiens zweitgrößte Bank Intesa Sanpaolo für den symbolischen Betrag von einem Euro. Für den schlechten Teil haftet der Staat.

Den Rest des Textes muss man gewiss nicht lesen, denn dort wird die übl(ich)e Propaganda einfach wie von Sinnen weitergeführt, indem der Verfasser schlicht behauptet, dies sei ein "italienisches Problem" und die "italienischen Banken" seien (im Gegensatz zu "deutschen Banken") eben "marode Pleitebanken". Man kann den Kopf gar nicht oft genug auf die Tischplatte kloppen angesichts einer solchen behämmerten und dreisten Ignoranz. Ich glaube nicht, dass der Autor diesen Kappes wirklich selbst glaubt; die Frage, weshalb er ihn dennoch unbeirrt absondert, soll hier und jetzt aber kein Thema sein.

Milliarden Menschen in Elend und Not

Parallel dazu ist es immer wieder hilfreich, sich die Berichterstattung beispielsweise zu Griechenland zu vergegenwärtigen: Während die Staatszahlungen an die "notleidenden Banken" weiterhin "einfach so", meist gar über Nacht, erfolgen, wird über die "Milliardenhilfen" für Griechenland ein ekelhaftes, hanebüchenes Gewese veranstaltet, das kaum in Worte zu fassen ist – obgleich es sich dabei ja gerade nicht um "Hilfen", sondern lediglich um neue Wucherkredite handelt. Griechenland muss also absurde "Auflagen" erfüllen und alles nebst Zins und Zinseszins irgendwann zurückzahlen – die Banken müssen das hingegen selbstredend nicht und bekommen die Kohle der BürgerInnen – größtenteils ohne "Auflagen" – freundlich geschenkt. Wenn man sich dann noch vor Augen führt, dass von jenen "Hilfen" für Griechenland ohnehin nichts bei der Bevölkerung ankommt oder in die Infrastruktur des Landes oder andere wichtige Projekte des Gemeinwohls fließt, sondern dass fast die gesamte Milliardensumme ebenfalls wieder in den bodenlosen Kontofässern der "kreditgebenden" Banken verschwindet, wird die völlig absurde Berichterstattung darüber noch grotesker. In der Presse wird jedoch kein sinnvoller Zusammenhang hergestellt, auch wenn er visuell manchmal – zufällig – sicht- bzw. erahnbar wird:


(Screenshot n-tv.de aus dem oben verlinkten Beitrag v. 26.06.17)

Der griechische Schuldenberg steigt und steigt, die Bevölkerung wird ausgeblutet bis aufs letzte Hemd und darüber hinaus, die Infrastruktur zerfällt, die Gesundheitsversorgung bricht zusammen, auch das letzte "Tafelsilber" des Staates wird für einige Peanuts an superreiche "Investoren" verscherbelt ... und deshalb geht's den Banken und damit eben jenen "Anlegern" und "Investoren" – mithin also den wenigen Superreichen – immer besser. – Wer, in Dreiteufels Namen, will doch gleich in einem solchen albtraumhaften Menschenfressersystem leben?

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Vanitas



(Stillleben von Harmen Steenwijck [1612-n.1656] aus dem Jahr 1640, Öl auf Holz, Museum De Lakenhal, Niederlande)

Montag, 26. Juni 2017

Die schöne neue Gestapo-Welt


Eigentlich ist zu diesem Thema inzwischen – ausnahmsweise nicht nur in alternativen Medien und Kleinbloggersdorf – genug geschrieben worden. Es geht um die weitere Ausweitung der totalitären staatlichen Überwachungsmaßnahmen, welche die korrupte Bande jüngst beschlossen hat. Issio Ehrlich fasst das in einem Kommentar auf n-tv zusammen und kommt zu dem Schluss (man beachte das gelungene Foto):

Es ist ein erstaunlicher Vorgang: Fast wäre eine der einschneidendsten Novellen der Überwachungsgesetze fast unbemerkt im Bundestag gelandet. Und das nicht, weil das journalistische Berlin gedanklich schon in der Sommerpause stecken würde, sondern weil Union und SPD offensichtlich versucht haben, die Reform zu verstecken.

Doch auch dies ist nur die halbe Wahrheit, denn in dieser "Novelle", die genauer als "Ermächtigungsgesetz" bezeichnet werden müsste und wie gewohnt keine "Reform", sondern eine böse Deformierung darstellt, geht es keineswegs "nur" um Vorratsdatenspeicherung, staatliche Schadsoftware und andere Stasi-Methoden, um die BürgerInnen dieses Landes komplett zu überwachen, sondern auch um eine geradezu angsteinflößende Ausweitung polizeilicher Befugnisse bei gleichzeitiger Beschneidung der Bürgerrechte. Der "Lawblogger" Udo Vetter hat das wunderbar kommentiert. Man stelle sich das nur vor: Jeder "ermittelnde" Polizist kann künftig – wenn ich das richtig verstanden habe, in sämtlichen Fällen, also auch dann, wenn es um Falschparker oder einen geklauten Gartenzwerg geht – nach "Rücksprache mit dem Staatsanwalt" jeden x-beliebigen Bürger zu einem "Zeugen" erklären (lassen) und ihn zur Befragung "vorladen". Und wer dieser "Vorladung" nicht Folge leistet oder die Aussage verweigert, kann mit "Ordnungshaft" belegt, also schlicht und ergreifend in den Knast gesteckt werden. Vetter formuliert das sehr anschaulich so:

Nun gibt es für Polizeibeamte die Möglichkeit, jede Person erst mal als Zeugen vorzuladen – auch wenn im Hintergrund vielleicht schon ein gewisser Tatverdacht schwebt. Die Erscheinenspflicht führt zumindest zu erhöhten Möglichkeiten, den „Zeugen“ auf die Dienststelle zu bekommen und ihn dort entsprechend zu bearbeiten. Gerade bei Menschen, die sich ihrer Rechte nicht sicher sind, führt dies zu der Gefahr, dass diese als vermeintlich erscheinens- und aussagepflichtiger Zeuge erst mal Angaben zur Sache machen, die sie ohne Pflicht zum Erscheinen nie gemacht hätten.

Mit anderen Worten: Wer aus Sicht der Polizei (wohlgemerkt: offiziell) als "Verdächtiger" gilt, hat künftig mehr Rechte als jemand, der offiziell "nur" als "Zeuge" geladen wird. Dass sich daraus eine Orwell'sche Behördenwillkür dystopischen Ausmaßes entwickeln muss, die selbst Kafka die Sprache verschlagen hätte, dürfte der korrupten Bande völlig klar und damit natürlich beabsichtigt sein – das kennen wir vom Hartz-Terror, der auf ganz ähnlichen mafiösen Prinzipien fußt, schon zur Genüge.

Beschlossen haben das übrigens eben jene Regierungsparteien, von denen die eine sich gerade in absurder Weise als Verfechterin der "sozialen Gerechtigkeit" feiert und gleichzeitig die andere Blockpartei "heftig" (also, lediglich verbal im Wahlkampfgetöse) attackiert. Ich habe laut schallend gelacht, als ich gestern Auszüge der "flammenden" Parteitagsrede von Schulz verfolgte: Dieselbe Bande, die solche Gesetze auf den Weg bringt und eifrig an der Wiedereinführung der Zwangsarbeitspflicht arbeitet, wagt es tatsächlich, ein solches albernes Theater aufzuführen und will dabei ernst genommen werden? Das kann nicht sein – diese Gestalten sind entweder allesamt drogenabhängig, geisteskrank oder noch weitaus korrupter und krimineller als ich befürchtet habe. Spätestens jedoch als ich sah, dass die "Genossen" wirklich Gerhard Schröder aus seiner verwesenden Kapitalgruft gezogen haben sollen, um sich von diesem Totengräber und üblen Verräter auf ihrem Weg zu "sozialer Gerechtigkeit" unterstützen zu lassen, wusste ich sicher, dass dies die berühmten Fake News sein müssen, von denen die Propaganda immer wieder schadroniert, und ich auf eine Satireaktion der Titanic hereingefallen war. – Oder doch nicht?

Die ausufernden Überwachungsorgien dieser kriminellen, asozialen, unchristlichen Vereinigungen sind indes alles andere als lustig. Zur Sicherung der Macht und des Kapitals sind inzwischen auch Gestapo-Methoden nicht mehr verpönt. Eine andere Bezeichnung fällt mir jedenfalls nicht ein, wenn man einer staatlichen, Gewalt ausübenden Behörde auf dem Silbertablett die völlig "legale" Möglichkeit präsentiert, der puren behördlichen Willkür freien Lauf zu lassen und dies zudem – wie das so oft in dieser "freiheitlichen, parlamentarischen" Pseudodemokratie geschieht – zu verstecken versucht wie Nachbars Lumpi, der sich nur im Schutz der Dunkelheit an des Bürgers Hauswand zu pinkeln traut und ansonsten das niedliche Schoßhündchen spielt.

Es wird dringend Zeit, diesem verkommenen Land, seinen kriminellen, verfassungsfeindlichen Parteien und seiner selig schlummernden oder durch stetige Indoktrination bereits ganz auf Faschismus eingestimmten Bevölkerung den Rücken zu kehren. Wo kann ich doch gleich ein One-Way-Ticket zum Mond bekommen?

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"Den hier könnt ihr freilassen, der tut uns nichts mehr."

(Lithographie von Honoré Daumier [1808-1879] aus dem Jahr 1834, in: "La Caricature" vom 11.09.1834; Original in Privatbesitz [sic!])