Donnerstag, 28. August 2014

Eigenzitat des Tages: Ohne Titel [Der Regen]


Das folgende Gedicht habe ich im Alter von etwa 20 Jahren verfasst, als ich allmählich und erst in groben Ansätzen erkannt habe, in welche irrsinnigen, völlig abwegigen Regionen mich meine damalige christlich motivierte Sozialisation führen würde, wenn ich nicht endlich mein Gehirn einschaltete. Ich habe dann versucht, besagtes Gehirn zu bemühen, und herausgekommen ist dieser Text:

der regen, er tröpfelt vom herzgrauen himmel
und rinnt so bedächtig in unseren geist.
der fall jener sonne in todgrünem schimmel -
ach, dass er die kuppel hier bloß nicht zerreißt!

und tränen, sie fließen - beständiges bohren -
stetig und kraftvoll die berge hinan,
erreichen die gipfel mit goldenen toren -
und brechen sie auf: wo ist der tyrann?

du schöpfer, du pfuscher, du gott aller wunden,
erscheine, verräter, die wangen sind nass!
das herz ist zerstört, verfault, schon verschwunden,
der brocken der brust verspürt nur noch hass!

so irre ich schreiend im himmel herum,
allein und gebrochen, ich fühle nichts mehr.
doch vor der unfassbarkeit werde ich stumm:
im himmel nur tränen, ein regnendes meer -
sonst ist er leer.


Dieses Gedicht hat mir sehr geholfen, meinen Weg durch all die religiösen Nebelkerzen, die immer wieder - unabhängig von der jeweiligen Zeit und der jeweiligen Religion - gezündet werden, zu finden. Die Pfarrerstochter, mit der ich damals liiert war und die um Gottes Willen nicht "Merkel" hieß, meinte damals dazu nur trocken: "Dieser Realismus ist widerlich und ekelhaft, aber wohl leider wahr." Dennoch hat sie weiter Theologie studiert und das Studium auch erfolgreich abgeschlossen.

Das sagt wohl mehr über den Menschen und seine irrwitzige Bindung an irgendwelche himmelschreiende Religionen aus als es jeder geschriebene Text jemals könnte.

Evolution, wo zur Hölle bist Du?

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Bestrafte Ketzerei


"Die glaubten nicht an Darwin."

(Zeichnung von Thomas Theodor Heine [1867-1948], in "Simplicissimus", Heft 28 vom 12.10.1925)

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