Zur Rolle der Gewerkschaften im kapitalistischen System dürfte inzwischen wohl kaum mehr Informationsbedarf bestehen – es sollte hinreichend bekannt sein, dass diese Organisationen, die auch zu früheren Zeiten schon nichts anderes waren als schnöde Mitbewahrer des kapitalistischen Ausbeutungssystems, heute weitestgehend korrumpiert sind und nichts weiter darstellen als einen weiteren Stein in der Mauer, die Lohnsklaven von der in utopischer Ferne liegenden antikapitalistischen Befreiung trennt.
Trotzdem ist es doch immer wieder hilfreich, einzelne besonders widerwärtige Figuren aus diesem institutionalisierten Sumpf exemplarisch herauszugreifen, um auch dem letzten ausgebeuteten Dummdödel in Kapitalistan begreiflich zu machen, dass Gewerkschaften nicht seine Interessen vertreten, sondern die Interessen der Funktionäre und damit des Kapitals. Der folgende ist kein Einzelfall, sondern ein typisches Beispiel, auch wenn der Text bei Zeit Online dies geflissentlich verschweigt, wo ich vor einigen Tagen las:
Wahrscheinlich ist Horst Neumann einer der reichsten Gewerkschafter im Ruhestand. Fast 50 Millionen Euro verdiente Neumann zwischen 2005 und 2015 als Personalvorstand von Volkswagen. Außerdem zahlt das Unternehmen dem 67-Jährigen in den kommenden Jahren eine Pension aus, deren Wert aus heutiger Sicht insgesamt etwa 23,7 Millionen Euro beträgt. / Konzernbosse haben es schon schwer genug, vor ihre Beschäftigten zu treten, um ihre Vergütung zu rechtfertigen. Wie aber erklärt der langjährige IG-Metall-Mitarbeiter Horst Neumann einem Malocher vom Band, dass er gerecht entlohnt wird? / Die Antwort: gar nicht.
Neumann hat eine beispielhaft systemkonforme Gewerkschaftsbiografie aufzuweisen, die ihn letztlich an die Fleischtröge geführt hat. Allerdings sollte bei der Betrachtung nicht vergessen werden, dass auch die Millionen, die diesem Herrn für wohlfeiles Verhalten aufs Konto überwiesen wurden, im herrschenden System nichts weiter als Peanuts aus der Portokasse sind. Auch Neumann ist nur ein Lakai – wenn auch ein sehr nützlicher und besonders treuer. Damit ist er allerdings ein glühendes Vorbild für all die nachrückenden Gewerkschafts- sowie Parteifunktionäre aus dem "linken Spektrum", die auch gerne Millionäre wären und mehr als bereit und willig sind, jede Menge Schwänze zu lutschen und Kotwürste zu inhalieren, um es – dem Thema angemessen – vulgär zu formulieren. Die Herren Schröder, Schulz oder Steinmeier grüßen stramm und brav schluckend.
Es bedarf keiner gesonderten Erwähnung, dass der Autor dieses Zeit-Artikels nirgends irgendwelche systemischen Zusammenhänge thematisiert oder auch nur andeutet. Für ihn ist Herr Neumann einfach ein (womöglich bewundernswertes?) Arschloch und ein "bedauerlicher Einzelfall" – andernfalls wäre der Text in dieser Form wohl auch nicht publiziert worden. Auf der anderen Seite ist dieser Text ein vortreffliches Beispiel dafür, wie auch noch die letzten Reste der womöglich vorhandenen Gegenwehr und Solidarität erfolgreich ausgemerzt werden.
Das Thema ist indes so alt wie der westliche Kapitalismus seit 1945: Ohne kaptitalfreundliche Geschwerkschaftsfunktionäre wäre der furchtbare soziale Kahlschlag der "sozialdemokratischen Agenda 2010" nicht so ohne weiteres umsetzbar gewesen, und schon in den 80er Jahren war es in diesen verhurten Kreisen opportun, die Interessen der angeblichen Klientel munter zu verraten. Ich erinnere nur an den kürzlich hier geposteten Song der Dead Kennedys aus dem Jahr 1985, in dem es heißt ("unions" bedeutet "Gewerkschaften"):
The unions agree: "Sacrifices must be made!
Computers never go on strike!
To save the working man
You've got to put him out to pasture!"
Die Frage, weshalb irgendwelche Hanswürste, die zufällig – meist aufgrund einer feudalen Erbschaft – Kapitaleigner sind, laufend satte Profite kassieren, obwohl sie nichts tun, während die überwältigende Mehrheit der Menschen sich den Rücken krumm schuftet und dafür mit lächerlichen Almosen abgespeist wird, wird weder in der Zeit, noch in den Gewerkschaften gestellt. Das perverse System brummt und die Sklaven bleiben ruhig – und die Gebildeteren können sich nun schön über Herrn Neumann aufregen und dabei stets im Hinterkopf behalten, dass sie es ja genauso täten, wenn sie denn nur die Chance dazu bekämen, ebenfalls ein paar Millionen zu ergaunern.
Am Rande sei noch erwähnt: Wenn mir jemand eine Million oder auch nur einen Bruchteil davon anböte, damit ich mit meinem Geseiere hier endlich aufhöre und das kapitalistische System nicht weiter störe – ja, dann nähme ich das unverzüglich an und hielte ab sofort mein Maul! Soviel Ehrlichkeit muss schon sein angesichts der widerwärtigen Armut, in die SPD und Grüne unter tatkräftiger Mithilfe auch der Gewerkschaften mich gestürzt haben und die mich und Millionen andere jeden Tag aufs neue vor die Frage stellt, wie die nächsten Wochen ohne Stromsperre, ohne Telefon und Internet oder ohne den unfreundlichen Besuch des Gerichtsvollziehers zu überstehen sein sollen. Im Kapitalismus wird man sehr schnell zur liderlichen Hure – je ärmer jemand ist, desto schneller und billiger geschieht das.
Ich hätte wohl rechtzeitig in eine Gewerkschaft – oder in die SPD – eintreten müssen, um das zu vermeiden ... ;-)
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Die neue Notverordnung
[oder: Der sozialdemokratisch-grüne Hartz-Terror zur Sicherung der kapitalistischen Profite]
"Der Reichs-Hund soll nicht verhungern, wir haben ihm noch mal ein Stück vom Schwanz abgeschnitten und füttern ihn damit!"
(Zeichnung von Olaf Gulbransson [1873-1958], in "Simplicissimus", Heft 12 vom 22.06.1931)
1 Kommentar:
Die meisten Gewerkschafter sind Soziaaldemokraaten. Noch Fragen?
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