Montag, 26. Dezember 2011

Deutsche Zustände: "Die Gesellschaft ist vergiftet" (Update)

Als Bilanz der zehnjährigen Studie über "Deutsche Zustände" konstatiert der Sozialforscher Wilhelm Heitmeyer eine massive Zunahme von Fremdenfeindlichkeit und Rechtspopulismus (...)

Als Bilanz der Studie spricht das Institut von einem "entsicherten Jahrzehnt". Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, die sich durch Abwertung und Diskriminierung von Muslimen, Einwanderern oder Behinderten, aber auch von Arbeitslosen, Frauen oder Homosexuellen manifestiert, bereitet für die Sozialwissenschaftler den Boden für die Anwendung von Gewalt etwa durch Rechtsextremisten. Diese agieren nicht am Rande der Gesellschaft, sondern fühlen sich durch menschenfeindliche Einstellungen in der Bevölkerung legitimiert und befeuert.

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Anmerkung: Es überrascht nicht, dass immer mehr Menschen der rechten Propaganda erliegen, die sich seit Jahrzehnten Tag für Tag erneut aus politischen Kreisen und den Medien über das Land ergießt. Wenn alle Massenmedien immer wieder die gleichlautenden Botschaften vermitteln - wie etwa das Schüren der albernen Angst vor dem Islam oder die bewusste Falschdarstellung staatlich zwangsverarmter Menschen als "dumme, asoziale, faule Schmarotzer" -, verwundert es nicht, dass nun eine vergiftete Gesellschaft mit starken menschenfeindlichen Tendenzen festgestellt wird.

Was gerne übersehen wird: Dieses gesellschaftliche Gift ist ja nicht "versehentlich" oder aus "Unachtsamkeit" entstanden. Die herrschende "Elite" hat diese Samen ganz bewusst gestreut (und tut das weiterhin) - denn nichts wäre doch gefährlicher für sie und ihre Privilegien als eine umfassende Solidarität unter den Menschen im Lande. Wir werden auch in der Zukunft weiter beobachten müssen, wie die Vergiftung weiter vorangetrieben wird. Das geschieht bewusst und geplant.

Die "Elite" wird die schlimmen Studienergebnisse der "Deutschen Zustände" hinter verschlossenen Türen mit viel Champagner gefeiert haben - ein weiteres Etappenziel ist erreicht, frei nach dem Motto: "Die Deppen gehen wieder aufeinander los, anstatt unsere Paläste zu stürmen ...!" Derweil blubbern Medien und Politiker uns mit Betroffenheitsgefasel die Ohren voll und starten hochalberne, unwirksame Aktionismusprogramme gegen die NPD - während doch jeder weiß und sieht, was auch in der Studie herausgearbeitet wurde: Dass faschistisches Gedankengut nämlich gerade nicht vom rechten Rand der Gesellschaft stammt, sondern direkt in ihrer Mitte entstanden bzw. bewusst produziert worden ist. Figuren wie Sarrazin, Mißfelder, Biedenkopf, Clement und wie sie alle heißen sind ein illustrer, finsterer Spiegel dieser Entwicklung.

Siehe dazu auch: Sarrazin, die SPD und die Neue Rechte.

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Ernüchterndes weihnachtliches Update 26.12.11: Subjektive Erfahrungsberichte sind natürlich nicht repräsentativ, können aber manchmal ein Indiz sein. Nach dem weihnachtlichen Fest im Kreis der lieben Familie - alles Akademiker in (noch) gutsituierten Verhältnissen inkl. Eigenheim, zwei PKWs pro Familie und diversen luxuriösen Privilegien - fällt mein Fazit einmal mehr ernüchtert aus.

Nachdem die Gespräche sich zunächst um den üblichen kapitalistischen Kram wie Konsum (neuste Computertechnik, neuste Elektronik etc.) und den eigenen Privatbesitz (welche wunderbare Heizung man sich im zurückliegenden Jahr für viele tausend Euro angeschafft habe etc.) gedreht hatte, kam man sodann auf die - paradoxer Weise sogar (an)erkannte - zunehmende Armut in Deutschland und auch auf "die Hartzer" zu sprechen. Während erstere vornehmlich in armen Rentnern gesehen wird, die gezwungen sind, sich durch "Flaschensammeln" und anderes ein paar Euro zur Mini-Rente hinzuzuverdienen, hieß es in Bezug auf "die Hartzer" fast schon verächtlich, dass dies doch diejenigen seien, die stets die neusten Handys, Flachbildfernseher und allerlei anderen technischen Kram besäßen. Während dieses Gespräches saß der privilegierte Nachwuchs im Übrigen stundenlang auf dem Sofa und beschäftigte sich mit gleich mehrfach verschenkten nagelneuen "IPods touch" (pro Stück ca. 200 bis 230 Euro). Das Groteske dieser Situation ist kaum in Worte zu fassen.

Meine heftige, fundierte Kritik an diesem dummen Klischee, das ja nun lediglich das Produkt einer gezielten Stimmungsmache und Propaganda gegen Arme, Verarmte und Ausgegrenzte ist, wurde nicht zur Kenntnis genommen und man winkte nur ab - u.a. mit den Worten: "Das sieht man doch überall!" Da nützten keine Fakten und keine Zahlen - schlussendlich wurde "den Hartzern" die Schuld am eigenen Los zugeschoben, bevor man sich wieder wichtigeren Dingen zuwandte, wie etwa dem im kommenden Jahr anstehenden Autokauf oder Fernurlaub in Südamerika. Zu guter Letzt wurde noch gegen "die Griechen", "die Italiener", "die Spanier" und "die Portugiesen" gehetzt, die allesamt geschlossen spätestens mit 55 in Rente gingen, Renten für Tote weiterbezahlten und überhaupt jahrelang "auf unsere Kosten" gelebt hätten. Es geschähe diesen Völkern nur recht, dass sie nun "endlich mal den Gürtel enger schnallen" müssen. Überhaupt sei "unser Export" das wichtigste in der deutschen Wirtschaft, in der im Übrigen ein enormer "Fachkräftemangel" herrsche. Widersprüche, die es hier zu jedem einzelnen Punkt gleich haufenweise gegeben hätte, wurden gar nicht erst zugelassen oder mit knappen Bemerkungen weggebügelt.

Ich muss dazu sagen, dass meines Wissens niemand aus der lieben Familie die BLÖD-"Zeitung" oder irgendein anderes Gossenblatt liest - man informiert sich größtenteils aus der Tagesschau oder aus der heute-Sendung bzw. den entsprechenden Journalen.

Ich war und bin fassungslos. Die "deutschen Zustände" scheinen exakt so dramatisch, so fehlgeleitet, manipuliert und menschenfeindlich zu sein, wie Prof. Heitmeyer und andere das postuliert haben - und schon die öffentlich-rechtlichen Medien allein mit ihrer Dauerpropaganda können offensichtlich eine solche grotesk verzerrte Wahrnehmung der Realität produzieren. - Im gesamten Gespräch wurden die Superreichen und ihre obszönen, anwachsenden Extremvermögen sowie ihre zunehmenden Freiheiten und Privilegien nicht ein einziges Mal erwähnt.

Das war Weihnachten 2011 in der "verrohenden Mittelschicht" aus der deutschen Provinz - und ich bin heilfroh, dass ich die Themen "Islam" und "Migranten" gar nicht mehr in den Raum gestellt habe.

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