Mittwoch, 8. Mai 2013

Schmutz in den Medien - Schmutz in den Hirnen der LeserInnen


Zwei Müllsäcke haben einem Obdachlosen (...) vermutlich das Leben gerettet. Der Mann hatte in einem Abfallcontainer Quartier bezogen. Er wäre fast in der Müllpresse gelandet.

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Anmerkung: Dieser Bericht des WDR ist eigentlich schon bedrückend, widerwärtig und entlarvend genug, weil er wieder einmal das Schicksal eines der ärmsten, unter die Räder des Systems gekommenen Menschen dieses Landes effekheischend ins mediale Rampenlicht zerrt - und das nicht etwa, um die wichtigen Fragen zu stellen, wie es zu einem solchen Elend inmitten des überquellenden Reichtums überhaupt kommen kann oder weshalb nicht auf der Stelle ein Aufschrei durch dieses furchtbare Land geht, wenn ein offensichtlich obdachloser, hilfsbedürftiger Mensch wahrgenommen wird, sondern einzig um Klickzahlen, also "Traffic" zu produzieren, weil dieser lukrativ ist für den WDR. Andere Gründe sind mir nicht ersichtlich, weshalb der Sender in dieser oberflächlichen Form über den Vorfall berichtet. Mir wird speiübel davon.

Der Anlass, weshalb ich das hier einstelle, ist aber dennoch ein anderer - ich habe es nämlich gewagt, mir die Leserkommentare zu diesem Bericht durchzulesen, und siehe da: meine anfänglichen Befürchtungen sind mühelos weit unterboten worden. Was sich da an menschenverachtendem, faschistoidem Schmutz, vorgetragen von so harmlos klingenden Arschgeigen wie "Ede", "DetlefausDuisburg" oder "Elena - 1984", sammelt, hat meinen Brechreiz in ein akut stattfindendes Ereignis gesteigert - wer starke Nerven hat, kann sich das gerne selbst durchlesen, zitieren will ich daraus nichts.

Ich habe spontan auf der Seite auch einen (recht verhalten und diplomatisch formulierten) Kommentar hinterlassen, der aber trotzdem unverzüglich mit dem merkwürdigen Hinweis gelöscht worden ist: "Posting wurde entfernt. Bitte tragen Sie mit sachlichen Argumenten zum Thema des Artikels bei." Die Hetzkommentare sind hingegen natürlich weiterhin sichtbar - sie stellen nach Ansicht der Redaktion offenbar "sachliche Argumente zum Thema" dar.

Allmählich beginne ich zu erahnen, wie das damals in den 20er Jahren mit dem sich zuerst langsam, dann immer schneller und radikaler steigernden Antisemitismus und der generellen Menschenfeindlichkeit, gerade den Minderheiten und Schwachen gegenüber, gewesen ist. Diese handvoll Kommentare unter einem erbarmungswürdig widerlichen Artikel sprechen eine grausame braune Sprache, die mein Herz gefrieren lässt und mein Hirn in suizidale Regionen katapultiert. Willkommen in Deutschland.

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Abseits



(Zeichnung von Anton Hansen [1891-1960], in "Simplicissimus", Heft 42 vom 12.01.1925)

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