Freitag, 2. Januar 2015

Realitätsflucht (9): Bound by Flame




Mit dem Spiel "Bound by Flame" habe ich mich eher zufällig befasst: Die DVD erhielt ich durch einen Freund, der sie geschenkt bekommen hatte und sie mir mit den Worten überließ: "Du stehst ja auf solchen Rollenspielkram, ich nicht." Ich hätte an dieser Stelle durchaus eine Diskussion vom Zaun brechen können, da diese Aussage einfach falsch ist, besann mich aber schnell und nahm das Werk dankend und demütig an.

Nach der Installation startete ich das mir bis dahin völlig unbekannte Spiel und erlebte eine echte Überraschung: Da erwartete mich tatsächlich eine abenteuerliche Fantasy-Geschichte, die mich jeweils zu gewissen Teilen an "The Witcher", "The Dragon Knight Saga" und "Risen" erinnerte. Die Entwickler - das kleine Softwarestudio Spiders aus Frankreich - hat hier erfolgreich verschiedene Elemente aus anderen Rollenspielen kombiniert und ein - wie ich finde - völlig zu Unrecht meist ignoriertes und teilweise übel verrissenes Spiel abgeliefert, das den Vergleich mit anderen Spielen derselben budgetbezogenen Liga keineswegs scheuen muss.

Die wenigen, meist negativen Spieletests, die ich im Netz gefunden habe, haben mit dem, was ich beim Spielen erlebt habe, fast allesamt nichts zu tun. Der Spieler wird mit einer spannenden, größtenteils gut erzählten Geschichte konfrontiert, in der es darum geht, das hiesige Fantasyreich Vertiel, das von fiesen, dämonischen Gestalten und ihrer Armee der Untoten (im Spiel "Totwandler" genannt) bereits fast vollständig eingenommen wurde, vor dem endgültigen Untergang zu bewahren. Das ist nun tatsächlich Standardkost - hier aber erfährt der Held oder die Heldin, die man spielt, gleich zu Beginn einen tiefen Einschnitt, denn anlässlich eines misslungenen magischen Abwehrrituals wird ein mächtiger Dämon ein Teil der Spielfigur. Der hält sich zunächst im Hintergrund, wird im weiteren Spielverlauf aber immer aufdringlicher.

Der Spieler hat nun die Möglichkeit, die mächtigen Fähigkeiten dieses Dämons im Kampf gegen die Horden der Untoten nie, manchmal, oft oder auch immer zu nutzen - was allerdings stets Auswirkungen hat: Je öfter man sich der dämonischen Kräfte bedient, desto schneller wird die eigene Spielfigur selber zum Dämon Das macht sich natürlich auch äußerlich bemerkbar: Einem Dämon begegnen NPCs völlig anders, und auf einem Kopf mit teuflischen Hörnern lässt sich auch kein Helm mehr tragen. Wer gerne den Bösewicht gibt, ist als Dämon also bestens aufgehoben - wer allerdings eher einen "guten Helden" spielen möchte, sollte auf dämonische Kräfte tunlichst verzichten. Überhaupt gibt es im Spiel oft Entscheidungen, die Einfluss auf den weiteren Verlauf und die Entwicklung des Spielcharakters haben - das betrifft auch unterschiedliche Quests, die man bekommt, je nachdem, welche Richtung man einschlägt.

Die Grafik ist passabel, der Soundtrack durchweg gelungen und die deutsche Synchronisation professionell - auch wenn mir persönlich die Stimme der Heldin (ich spiele gerne die weibliche Variante) unpassend erschien. Es gibt genügend "unerwartete Wendungen" in der Geschichte, um sie spannend zu halten, und das Design der Umgebungen und Gegner ist durchaus sehr gelungen, auch wenn es keine frei begehbare Spielwelt, sondern nur Abschnitte gibt, die zudem oft schlauchartig daherkommen. Mich stört so etwas aber nicht.

Letztlich bleibt mir als Kritikpunkt an diesem Spiel, das rundum gelungen hätte sein können, lediglich die mangelhafte Balance bzw. abstruse Schwierigkeit: Selbst auf der leichtesten Einstellungsstufe ("Rekrut") sind die Gegner von Anfang an dermaßen übermächtig, dass jeder Kampf in ein Bangen und Zittern ausartet - auch wenn es sich um ständig wiederkehrende Standardkämpfe handelt, auf die man im Spiel hundertfach trifft. Selbst wenn man den Spielcharakter beispielsweise auf Level 15 gebracht, alle relevanten Zusatzskills im Schwertkampf erlernt hat und in einer richtig guten Rüstung steckt, fügt man den marodierenden "Totwandlern" stets nur geringfügigen Schaden zu, während die verfaulenden Gesellen oftmals nur einen einzigen erfolgreichen Hieb benötigen, um dem Helden gleich ein Drittel seiner Lebensenergie zu rauben. Dazu treten diese Gegner meistens in erheblichen Horden auf, so dass es äußerster Konzentration und Planung - und einer Menge Heiltränke - bedarf, wenn man bestehen möchte. Das betrifft, wie gesagt, die Standardkämpfe. Auf die Bosskämpfe komme ich noch.

Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass man im Regelfall einen meist frei wählbaren Begleiter hat - das kann beispielsweise ein lustiger, untoter Magier (mit seltsamen sexuellen Vorlieben), ein Bogenschütze, eine magische Heilerin oder ein Schwertkämpfer sein. Ohne diese Begleiter, die allerdings autonom agieren und die man nicht steuern oder ausrüsten kann, wären manche Kämpfe kaum zu bewältigen. Mir ist es passiert, dass ich noch auf dem Level 22 von Eisgeistern und Untoten in kürzester Zeit zu Klump gehauen und gezaubert wurde, weil ich versehentlich in eine Ecke geraten bin, aus der ich nicht mehr herauskam, während meine begleitende Heilerin längst reglos am Boden lag.

Die relativ oft vorkommenden Bosskämpfe sind entsprechend schwieriger - für manche habe ich extrem lange gebraucht. Als Beispiel sei hier die "Konkubine des Eisfürsten" genannt: Da war meine Begleiterin nach wenigen Sekunden außer Gefecht und ich musste minutenlang im Kreis rennen, damit mich die angreifenden Monster nicht treffen und meine Lebensenergie sich ganz langsam wieder erhöht - dann konnte ich nach und nach die Beschützer und das Monstrum selbst jeweils mit zwei, drei lächerlichen Hieben eindecken, um dann weiterzulaufen ... so hat der Kampf gefühlte 30 Minuten gedauert, bis ich endlich alle Gegner besiegt hatte. Sisyphus hatte einen einfachen Job dagegen.

Möglicherweise lag das aber auch daran, dass ich mich konsequent geweigert habe, dämonische Kräfte einzusetzen und statt dessen dem "guten" Weg gefolgt bin. Ich habe es nicht selbst ausprobiert, aber ich habe inzwischen gelesen, dass auch die Gegner entsprechend stärker werden, wenn man dies tut. Vielleicht teste ich das irgendwann noch aus. Jedenfalls ist in der Rolle des "guten Helden" der finale Bosskampf am Ende des Spiels schlicht nicht zu gewinnen: Ich habe nur drei Versuche gebraucht, um das festzustellen und aufzugeben.

"Bound by Flame" ist ein hübsches, herausforderndes Spiel, dem sich aber nur Menschen widmen sollten, die kein Problem mit übermächtigen Gegnern haben. Das ist sehr schade, denn das Spiel besitzt ein weitaus größeres Potenzial.


Keine Kommentare: