Dem WDR ist wieder einmal ein besonderes Stück klassischer Propaganda und Desinformation gelungen. Unter dem Titel "Wem gehören Wald und Land in NRW?" referiert die Autorin Anja Booth, die auch für die drüben verlinkte gleichnamige "Dokumentation" verantwortlich zeichnet, über feudale Strukturen in Sachen Landbesitz, ohne diese jedoch klar zu benennen oder gar zu kritisieren. Einem Hofberichterstatter steht Königskritik freilich nicht zu. Ein kleiner Auszug:
Nordrhein-Westfalen ist das Privatwaldland! 64,8 Prozent Wald sind in privatem Eigentum. Kein anderes Bundesland hat mehr Wald in privater Hand. (...) / Die Familie Sayn-Wittgenstein auf Schloss Berleburg ist mit über 13 Hektar Wald der größte Privatwaldbesitzer Nordrhein-Westfalens. Seit über achthundert Jahren ist der Wald im Besitz der Familie und gleichzeitig die Haupteinnahmequelle der Sayn-Wittgensteins. Wald ist wertvoll: Pro gefällter Fichte bekommt die Familie etwa 160 bis 170 Euro.
In diesem Stil geht das munter weiter – selbstverständlich wird nirgends auch nur zaghaft die Frage angedeutet, wie dieses gruselige Adelsgeschmeiß vor über achthundert Jahren in den "Besitz" dieser Landflächen gekommen ist und weshalb um Himmels Willen jenes Land dem Erbenpack heute noch immer "gehört". Solche eliteschädigenden Fragen verwirrten einen WDR-Leser, wie die Obrigkeit ihn sich wünscht, wohl nur, weshalb sie im öffentlich-rechtlichen Weltbild gar nicht erst vorkommen.
Davon abgesehen ist der Text derartig schlecht geschrieben, dass mir beim Lesen die Augäpfel aus dem Schädel gefallen sind und ich mein Gehirn nur mithilfe einiger Papiertaschentücher, die ich hastig in die entstandenen Öffnungen stopfte, daran hindern konnte, auf die Tastatur zu tropfen. So erfährt der wissbegierige WDR-Konsument beispielsweise, dass es "Naturwaldzellen" gibt, "in denen man beobachten kann, was passiert, wenn man den Wald sich selbst überlässt." Im nächsten Satz steht allerdings: "Naturwaldzellen darf man nicht betreten." – Aha. Wer ist denn hier "man" und wer beobachtet diese "Zellen", wenn "man" sie doch gar nicht betreten darf? Der gemeine Pöbel ist wohl lediglich mit dem zweiten "man" gemeint.
Des weiteren habe ich durch diesen Text gelernt, dass jemand, der "mehr als 75 Hektar Wald besitzt, (...) übrigens auch das Jagdrecht" innehat. Hm. Haben wir nicht weiter oben gelesen, dass der größte Privatwaldbesitzer gerade mal 13 Hektar besitzt? Wer hat denn nun das "Jagdrecht", wenn es die Privatbesitzer offensichtlich nicht sein können, und welchen Sinn erfüllt diese hanebüchene Nonsens-Information? Und wer hat diese Regelung wann und warum festgelegt? Wieso darf ein Normalbürger nicht auf die Pirsch in "seinem" Wald vor der Haustür gehen und beispielsweise einen kleinen, leckeren Osterhasenbraten im Wald erlegen? – Fragen über Fragen ...
So ließe sich der komplette lieblos zusammengeschusterte Text auseinandernehmen. Ich verzichte darauf, da ich davon ausgehe, dass der Bockmist jedem kritischen Leser ohnehin brennend ins Auge fällt.
Unterm Strich bleibt nur das im Kapitalismus ewig gleiche, widerwärtige Resümee. Auch die feudalen Strukturen des privaten Landbesitzes erfüllen in erster Linie eine einzige Funktion: Es geht – wie sollte es auch anders sein – um Profit, Bereicherung und schnöde Habgier. Die Menschheit ist im finstersten Mittelalter steckengeblieben und nichts deutet darauf hin, dass sich das in absehbarer Zeit ändern könnte.
Vielen Dank für die Desinformationen, lieber zwangsgebührenfinanzierter WDR.
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Hochfinanz
(Lithographie von George Grosz [1893-1959] aus dem Jahr 1922, in: "Ecce Homo", Malik 1923; Verbleib des Originals unbekannt)
3 Kommentare:
Was mir besonders auffällt ist, dass die neofeudalen Herrschaftsstrukturen in Unternehmen ebenfalls als gottgegeben hingenommen werden. Wenn ich beispielsweise im Freundes- oder Familienkreis sage, dass ich es absolut respektlos mir gegenüber finde, dass man mich beim Vorstellungsgespräch schon mal 15-20 Minuten auf den Personaler bzw. auf die entsprechenden Mitarbeiter warten lässt, weil ja grad eben sooo viel zu tun sei, dann wird nur mit den Achseln gezuckt: "Du willst doch auch den Job haben!" Ja und? Wenn ich nur 5 Minuten zu spät kommen würde, dann könnte ich gleich wieder gehen! Von wegen, er zeige keine Pünktlichkeit und ihm sei der Job ja nichts wert, oder so ähnlich. Aber Chefs dürfen die Bewerber ruhig mal schmoren lassen, oder was?
Das -und vieles andere- sind für mich absolute Beispiele für neofeudale Herrschaftsstrukturen. Da mutet die Formulierung der "flachen Hierarchien" schon realsatirisch an.
"flache(n) Hierarchien"? – Flachköppehierarchien ;-)!
und die Thurn und Taxi Bande aus Bayern ist der grösste Waldbesetzer mit mehr als 20000 Hektar(lt. Wikipedia)
ich denke mal, die 13 Hektar = fake news (oder schlicht schlampige Arbeit)
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