"Alle Wochen wieder kommt das Propagandakind ..."
Ich kann es nicht mehr zählen, wie oft ich mich in den vergangenen Wochen, Monaten und Jahren über die stets überschwenglich herausposaunten "Verbesserungen" auf dem kapitalistischen "Arbeitsmarkt" ausgelassen habe. Die Propagandakanone der Kapitalhuren hört damit jedoch nicht auf, so dass auch ich dazu gezwungen bin, die ewige Wiederholung immer und immer wieder zu praktizieren. Gerade durfte ich bei n-tv (und gleichlautend in fast allen anderen Qualitätsmedien) lesen:
Engpässe in ersten Branchen: Arbeitslosenzahl sinkt auf historisches Tief / Der Aufschwung der deutschen Wirtschaft geht ins achte Jahr – und auch auf dem Arbeitsmarkt hält der Boom an. Nie zuvor waren im wiedervereinigten Deutschland weniger Menschen ohne Job.
Das muss man erst einmal verdauen: Seit nunmehr mindestens acht Jahren geht es "uns" also so gut wie "nie zuvor". Das sitzt. Was soll ein linksgrün-versiffter Kommunist wie ich dagegen bloß haben können, wenn es nun sogar schon "Engpässe" in gewissen Branchen gibt? Ob das wohl an der mangelhaften Qualifikation des zur Verfügung stehenden Schröder'schen Heers der verzweifelt nach Erwerbsarbeit Suchenden oder doch eher am ungenügenden Angebot der Ausbeuter liegt? Solch dumme Fragen stellt in Kapitalistan aber niemand mehr, denn hier herrscht der "Eigenverantwortungs-" und "Konkurrenz"-Wahn: Wenn Du keinen Porsche, keine Villa und keine Segeljacht besitzt, bist Du eben selber schuld!
"... auf die Erde nieder, wo wir Schafe sind"
Da fällt auch niemandem mehr auf, dass in derselben Kuhpresse – meist auf Seite 39ff unter "Ferner liefen" und nach den Lokalnachrichten über den Taubenzuchtverein – immer wieder Meldungen wie diese an die braune Oberfläche ploppen wie auf der gärenden Oberfläche eines vulkanischen Sees:
Das ist Volksverdummung / (...) Zunächst einmal fehlt die eine Million Menschen, die von Fremdfirmen vermittelt werden oder zum Zeitpunkt der Erfassung krank sind. Auch Hartz-IV-Empfänger über 58 Jahre und Ein-Euro-Jobber werden nicht als arbeitslos registriert. Das weist die Statistik als Unterbeschäftigte aus, im Kleingedruckten. Dann sind wir statt bei 2,4 Millionen Arbeitslosen in Deutschland schon bei 3,3 Millionen. Aber das ist auch noch nicht die volle Wahrheit. Da fehlen noch die Teilzeitangestellten, die gerne 30 Stunden in der Woche arbeiten würde, aber nur zehn oder 20 Stunden arbeiten können, weil sie keine andere Möglichkeit finden. Von den zwölf Millionen Teilzeitbeschäftigten sind das sechs Millionen. (...) Wenn Sie alle mitrechnen, von denen ich gerade gesprochen habe und dann noch die stille Reserve derjenigen dazurechnen, die sich nicht bei der Arbeitsagentur melden, sind Sie schnell bei fünf bis sechs Millionen und nicht mehr bei 2,4 Millionen.
Nun, das wissen "wir" ja alles seit geraumer Zeit und glauben dem albernen Schmonzes daher nicht mehr, nicht wahr. Es ist zwar dumm, dass die aktuelle Politik sich nach wie vor auf diese in penetranter Vehemenz wiederholenden Falschmeldungen bezieht und die Regionalseiten des Blätterwaldes nicht beachtet, aber Schafe revoltieren nicht, sondern blöken bloß und folgen brav den Anweisungen der Herrschaft. Die versorgt "uns" unablässig mit weiteren Wohlfühlmeldungen (zitiert nach n-tv):
Deutsche gerade sehr entspannt: Kaum Sorgen bei der "Generation Mitte" / Den 30- bis 59-Jährigen in Deutschland geht es gut, so gut wie noch nie sogar. Das sorgt für Gelassenheit und Zufriedenheit.
"Kehrt mit seinem Segen ein in jedes Haus ..."
Da haben wir es schwarz auf weiß: Wenn Du noch immer nicht "gelassen" und "zufrieden" bist, machst Du wohl etwas falsch – wir leben mitten im Paradies und können bzw. dürfen uns nichts besseres vorstellen als diese göttliche Segnung des kapitalistischen Ausbeutersystems. Merke: Du lebst, um Profit für Reiche zu erwirtschaften – wenn Du das nicht kannst oder ("Jessusmaria!") nicht willst, hast Du Deine Existenzberechtigung verwirkt.
Der kapitalistische Segen macht sich für jeden bemerkbar in diesem verkommenen Land breit:
422.000 Menschen haben keine Wohnung / Die Zahl der Menschen in Deutschland ohne Wohnung schnellt nach oben. Mehr als jeder zehnte Wohnungslose lebt auf der Straße. Ein Wohnungslosenverband macht vor allem die Privatisierungswut der öffentlichen Hand verantwortlich (...).
Diese Menschen sind eben selber schuld, dass sie kein Dach mehr über dem Kopf haben, gelle. Der gnadenvolle Segen des kapitalistischen Wohlstandes hat ihnen die Hand gereicht, diese VerräterInnen haben sie aber dreist ausgeschlagen! Erst letztes Jahr – wiederum zu Weihnachten – durfte ich im Rahmen eines sehr bürgerlichen, geradzu spießigen Weihnachtsfestes den Ausführungen eines SUV-Fahrers und ehemaligen DDR-Bürgers lauschen, der damals bemerkte: "Rausschmeißen sollte man das Gesocks. Ab nach Rumänien, da können sie betteln und schmarotzen!" – Zuvor saßen wir brav gemeinsam in der Dorfkirche und lauschten mehr oder weniger andächtig den Klängen des christlichen Weihnachtsmärchens, während draußen, was ich erst später erfuhr, ein Mann in der Kälte erfror – er war nicht in die warme Kirche gelassen worden, weil er "betrunken" oder sonstwie nicht "angemessen" aufgestellt war. Wieviele Menschen in Deutschland müssen wohl dieses Jahr sterben, weil auch der Staat bzw. seine bürokratischen ErfüllungsgehilfInnen ihnen mit festen Stahlstiefeln ins Gesicht tritt, anstatt ihnen zu helfen?
"... geht auf allen Wegen mit uns ein und aus"
Die Zahlen sind umstritten – bei Zeit Online war beispielsweise zu lesen:
Die Zahl der wohnungslosen Menschen ist in Deutschland im vergangenen Jahr stark gestiegen: Insgesamt waren 2016 etwa 860.000 Menschen ohne Wohnung, wie die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG W) mitteilte.
Aber auch das ändert nichts daran, dass sowohl die Politik, als auch die "bürgerliche" Meinung bei ihrer vehement menschenfeindlichen Linie verbleibt. Wann hat man zuletzt davon gehört, dass irgendein Politiker oder "Bürger der Mitte" den Kapitalismus kritisiert habe? Ist das 50, 70 oder schon 100 Jahre her? Wer spricht heute noch davon, dass es ein ausgemachter Skandal ist, wenn es einerseits ein paar wenige GesellInnen gibt, die Millionen und Milliarden horten, während so viele, viele andere sogar im Herzen Kapitalistans nicht wissen, wie sie die nächste Woche ohne Hunger, Stromsperre und/oder den Verlust der Wohnung überstehen sollen?
Immerhin wissen wir dank der Kuhpresse, was Madame Merkel und die übrigen Polithuren in Berlin ganz und gar nicht interessiert:
In Berlins Straßen wächst das Elend / Die Temperaturen nähern sich dem Gefrierpunkt. Der bevorstehende Winter bringt Tausende Menschen in Berlin in Lebensgefahr.
Es sind ja bloß "Nutzlose". Die dürfen ruhig verrecken, auch wenn das niemand öffentlich sagt. So denkt man in Kapitalistan – nicht bloß in der "Regierung", sondern auch im faschistischen Umfeld der Bevölkerung. Es wird endlich wieder Zeit für braune und schwarze Uniformen und rote Armbinden unterm Weihnachtsbaum. – Wenn ich soviel kotzen würde wie ich müsste, wäre mein Klo seit Langem verstopft und mein Wohnort nicht mehr nur eine intellektuelle Kloake.
Es geht uns so gut wie nie zuvor, sagen sie.
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Abseits
(Zeichnung von Anton Hansen [1891-1960], in "Simplicissimus", Heft 42 vom 12.01.1925)
2 Kommentare:
Alle Jahre wieder, pünklich zur Weihnachtszeit, die hr-Weihnachtsspendenaktion: Unterstützen Sie mit Ihrer Spende die Tafeln in Hessen.
"Es gibt sie in fast jeder größeren Stadt: 56 Tafeln in ganz Hessen unterstützen mit ihren ehrenamtlichen Helfern regelmäßig rund 120.000 bedürftige Menschen. Sie sammeln überschüssige, qualitativ einwandfreie Lebensmittel und verteilen sie an sozial und wirtschaftlich Benachteiligte."
Oh!, sogar in Bankfurt, in der Rhein-Main-Region, wo die Wirtschaft boomt...
"Allein die Tafel in Frankfurt versorgt an 15 Ausgabestellen regelmäßig rund 25.000 Personen mit Lebensmitteln."
Wenn die alle gleichzeitig vor den Türen stehen, wären es 1.600 Kunden pro Ausgabestelle, deren Versorgung in absehbarer Zeit wahrscheinlich nur mit Security-Personal sowie Überwachungstechnik (oder Bundespolizei) gewährleistet werden kann.
Gibt sogar einen Landesverband "Hessischer Tafeln e.V." mit einem Landeslogistikleiter, einem Vorsitzenden und über 5.000 ehrenamtliche Armutsbekämpfer*innen.
Industrie und Handel, alle sind dabei:
"Der Erlös der hr-Weihnachtsspendenaktion fließt in die Logistik der Tafeln, damit wertvolle Großspenden von Industrie und Handel überhaupt angenommen und verteilt werden können."
Sprich: "Wertvolle Großspenden von Industrie und Handel." Diese verantwortungsbewußte Großherzigkeit rührt Armut zu dankbaren Tränen.
Armut braucht Fachleute.
"Doch nicht nur finanziell fehlt es den Tafeln an Unterstützung. Viele der ehrenamtlichen Helfer sind über 70 Jahre alt und können sich immer weniger engagieren. Ein Generationenwechsel ist in vollem Gange und überall fehlt es an Nachwuchs."
Generationenwechsel.Wohin wechsel die alle hin – zur nächsten Ausgabestelle, mit Zyankalikapseln im Agebot?
Nur mal aus dem ganzen Mist rausgepickt. "Den 30- bis 59-Jährigen in Deutschland geht es gut, so gut wie noch nie sogar." Vom Dummdeutsch absehend, gehts den 1bis29 & 60bisTot sogar nicht so gut wie noch nie!? Puuhhh, da haett ich in Dschland mit meinen knapp 58 ja gerade nochmal Glueck gehabt und sollte fuer die naechsten 2 Jahre in Deutschland leben, um Gelassenheit und Zufriedenheit zu geniessen!
Was die gewohnt gefixten Arbeitslosenzahlen angeht, ein nahezu gleich'wertiger Trip in laengste Vergangenheit des "Da kannste ja 'n Fluchblatt druckn" http://jakester-express.blogspot.com/2009/06/da-kannste-ja-n-fluchblatt-druckn.html
............ seither hat sich dieserart Luege/Betrug 'nur %ual erhoeht. ...
oder "Die Zahl der wohnungslosen Menschen ist in Deutschland im vergangenen Jahr stark gestiegen: Insgesamt waren 2016 etwa 860.000 Menschen ohne Wohnung, wie die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG W) mitteilte."
"In Berlins Straßen wächst das Elend / Die Temperaturen nähern sich dem Gefrierpunkt. Der bevorstehende Winter bringt Tausende Menschen in Berlin in Lebensgefahr."
So fucking what?? ... fuer Leute die schon kotzen sich mit Millionen anstatt Milliarden zu quaelen sind ein paar 100/tausend Opfer vollkommen belanglos. Nur in Deutschland ... und wenns mehr werden, .. auch gut, solange der Rubel rollt.
Die schlicht bekannt anerkannte Bezeichnung Kapitalismus zu diesen upgefuckten Monstern ist ein allgemein humanisiertes Kompliment.
Insgesamt gesehen wuerde das sakastische "Nun, das wissen "wir" ja alles seit geraumer Zeit und glauben dem albernen Schmonzes daher nicht mehr, nicht wahr.", auf groesserer Ebene auch keinen Unterschied Machen. ... Die Monster sind immer ein paar brutale Schritte voraus.
Gruss
Jake
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