Montag, 11. Dezember 2017

Der WDR, der "Verfassungsschutz" und die "Linksextremen"


Falls sich jemand schon einmal gefragt hat, welches eines der drängendsten Probleme des germanischen Teils Kapitalistans ist: Dazu gab es am Wochenende beim WDR eine passende, ohrenklatschende Antwort, die man sich genüsslich und in unverfälschter, realsatirischer Reinform einverleiben sollte, bevor hier weitergelesen wird.

Ein nicht namentlich genannter Redakteur, ein abhängiger, bedauernswerter Praktikant oder ein entlaufener Irrer aus einer geschlossenen Anstalt durfte dort, wo neuerdings das bislang schon grausige Webdesign nun durch ein dumpf-phone-ähnliches "Kachellayout" das ästhetische Empfinden eines jeden Besuchers böse beleidigt, mal so richtig vom braunen Leder ziehen. Unter dem vielsagenden bzw. hanebüchenen und durch das boulevardeske Fragezeichen erst recht irreführenden Titel "Linke Gewalt – blind auf dem linken Auge?" war dort zu lesen:

2014 gab es 1.261 linksextreme Straftaten. Im vergangenen Jahr waren es 1.576. Die Zahl der gewaltorientierten Linksextremisten stieg von 740 (2014) auf 970 (2016). Den Verfassungsschützern fällt auf, dass sich die Gewalttäter zunehmend vernetzen. Dadurch gebe es eine stärkere Mobilisierung auch mit ausländischen linksextremen Gruppen.

Sapperlot – da weiß man gar nicht, was man dazu sagen soll! Diese Terroristen wollen uns alle umbringen! – Oder vielleicht doch nicht? Gibt es möglicherweise einen klitzekleinen Unterschied zwischen "linksextremen" und rechtsextremen Straftaten oder gar "Mobilisierungen" bezüglich des Widerstandes? Als "linksextremistische Gewalttat" wird in Kapitalistan beispielsweise schon der passive (!) Widerstand gegen polizeiliche Räumungen (Sitzblockaden etc.) – beispielsweise bei Demonstrationen – gewertet, ebenso wie "Vermummungen", "ziviler Ungehorsam" oder andere strafrechtlichen Lächerlichkeiten. In welchem Verhältnis steht das bitte zur dumpfen rechten Gewalt, die sich fast immer ganz direkt gegen Menschen und deren Gesundheit bzw. Leben richtet? Sind in der WDR-Redaktion nun auch die "Verfassungsschützer", die selbstverständlich nicht die Verfassung, sondern den kapitalistischen Faschismus – also die Superreichen – schützen, maßgeblich am Werke?

Eine mögliche Antwort findet sich gleich im ersten Absatz des unsäglichen Textes, in dem ein ebensolcher "Verfassungsschützer", nämlich Burkhard Freier (Leiter des "Verfassungsschutzes" NRW), mit einer geradezu anklagenden, mahnenden Aussage zitiert wird: Das Ziel der "Linksextremen" sei

auch die Abschaffung des Systems, des kapitalistischen Systems.

"Nein!" – "Doch!" – "Oh!" – Da brat mir doch einer eine(n) Storch! Ja, Herr Freier, genau das ist ein essenzielles Kernthema linken Protestes gegen den Kapitalismus – es ist erfreulich, dass Sie das nach 200 Jahren nun auch endlich herausgefunden haben. Das hat jedoch nichts mit der "Verfassung" der BRD zu tun, denn die ist weder kapitalistisch, noch kommunistisch oder sonstwie politisch instrumentierbar – dafür aber strikt sozial, wenn auch heute nur noch auf dem vergilbten Papier und nicht mehr realiter. Wer handelt hier also seit Jahrzehnten verfassungswidrig? Vielleicht sollte der Mann seinen Job wechseln und Parteisprecher der AfD, der CDU, der FDP oder der SPD werden – dort wäre er gewiss besser aufgehoben und könnte seinen wirren, devoten Wahn, das absurde Vermögen der Superreichen unbedingt beschützen zu wollen, viel besser ausleben. Ein weisere Wahl wäre wiederum eine geschlossene psychiatrische Anstalt.

Dem WDR schlage ich indes eine Namensänderung vor: Eine Bezeichnung wie "WDK" ("Westdeutscher Kapitalfunk") oder "WEN" ("Willfährige Erfüllungsgehilfen der Niedertracht") wäre angesichts dieses Propagandatextes, der in der Tat jeden tolerierbaren Rahmen sprengt, nur allzu angemessen.

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[Rechter] Terror



(Zeichnung von Rudolf Schlichter [1890-1955], in: "Der Simpl", Nr. 1 vom 28.03.1946)

9 Kommentare:

Arbo hat gesagt…

Du wirst Dich noch warm anziehen müssen, Charlie. Wie die LVZ berichtet, haben sich die Innenminister in Leipzig darauf geeinigt, mehr gegen Linksextremismus zu tun.

Wenn's nicht so bitter wäre: in Leipzig, in Sachsen... Ich meine, es ist ja nicht so, dass Sachsen nicht gebeutelt wäre von entsprechenden Skandalen. Da wären u.a. unbotmäßige Überwachungen (LIZ). Und im Zweifel malt einem die rechts-konservative Paranoia eine "Antifa-Sportgruppe" an die Wand, nur, um dann abseits großen Medienrummels und ohne Konsequenzen dann einmal kleinlaut eingestehen zu müssen: die gibt's gar nicht (LVZ).

'Der Kampf gegen Linksextremismus' ist im Grunde genommen das, was er immer schon war: Das Ablenken von Systemmängeln und die Austreibung dessen, was andere Leute irgendwie als 'humanistisches' Ideal anstreben - wider des marktwirtschaftlichen Verwertungszwangs. Ich kann mich jedenfalls noch gut erinnern, wie um 2005 noch selbst so harmlose Gedanken, die ins gewerkschaftliche Millieu verortet werden können, als dümmlich, ohne (ökonomischen) Sachverstand bezeichnet wurden. Jeglicher Gedanke an 'Solidarität' gilt bereits als 'links', was die Sogkräfte zum 'Linksextremismus' auf den Plan zu rufen scheint - zumindest in den Augen derer, die sonst bei jeder rechstextremen Anwandlung ein Problem haben, diese auch als 'rechtsextrem' zu bezeichnen.

Eigentlich müsste jeder Versuch, gegen "Linksextremismus" aufzurufen, begleitet werden von ...

"Achso, sie sind wohl ein Nazi? Denen reichte bekanntlich auch jeglich soziale Regung ins 'Linksextreme'. Was schlagen Sie nun vor? Wollen wir vorsorglich rote Wimpel verteilen? Oder gleich internieren? Mit beidem hatten wir ja schon mal recht gute Erfahrungen gemacht. Was? Wie bitte? Das sei inhuman? Sie sind wohl auch ein 'Linksextremist', oder?"

Es ist zum Haareraufen...

LG
Arbo

Troptard hat gesagt…

@ Charlie et Arbo,

für mich wird es immer schwieriger so etwas zu kommentieren.

Da ist die Linke in Deutschland weitgehend domestiziert worden, um nicht zu sagen, der deutsche Faschismus habe für seine Domestizierung die optimalen Voraussetzungen geschaffen und die deutsche Wiedervereinigung für das, was ich bei Mechthild Mühlstein in einem anderen Zusammenhang gerade glesen habe: Da wächst zusammen was zusammen gehört( Willy Brandt,SPD).

Leben sich da nur deutsche Wahnvorstellungen wieder mal aus, oder sind es diese typischen Inzenierungen, diese sog. hinterhältigen Spielchen einer deutschen Elite, die eine Gefahr von Links heraufbeschwört, um ihren regressiven Kurs in Richtung zum autoritären Staat damit zu rechtfertigen.

Aus meiner Sicht ist das vollkommen anachronistisch. Für den bürgerlichen Staat ist die sog. Linke allenfalls noch so etwas wie der Teufel im Kasperle-Spiel, auf den man ordentlich draufhauen und dann dazu freudiges Geschrei sich entfaltet.

Also muss es andere Gründe dafür geben, die über das übliche Geschnatter von Medien, Geheimdiensten und Staat hinausreichen.

Um das nur anzudeuten: Bisher sind die repressiven Möglichkeiten des Staates noch nicht vollkommen ausgeschöpft ohne seine Reputation als demokratischer zu verlieren.


Liebe Grüsse

Charlie hat gesagt…

Es gibt Kommentare, denen ich schlicht nichts hinzuzufügen habe. Danke an Arbo und Troptard für die ergänzenden Hinweise bzw. Anmerkungen.

altautonomer hat gesagt…

Ohne Worte:

https://www.youtube.com/watch?v=82GSs1sItT0

Charlie hat gesagt…

@ Altauto: Den Beitrag Hagen Rethers hatte ich schon wieder vergessen, danke für die Erinnerung. :-) Widersprechen muss ich dem Mann aber dennoch: Sein Ausspruch "Wählen ist wie Zähneputzen - wenn du's nicht machst, wird's braun" stimmt schlicht und ergreifend nicht. Braun wird es nämlich sowieso, ganz egal, welche der braunen, noch zur Wahl stehenden Parteien man wählt.

Aber wem sage ich das. :-)

Liebe Grüße!

Fluchtwagenfahrer hat gesagt…

Moin Charlie,
zu deinem letzten comment noch einen drauf.
Damit würde Hr. Rether ja unterstellen, wir hätten eine Wahl!

Charlie hat gesagt…

@ Fluchtwagenfahrer: Exakt! Herr Rether "würde" diese Wahlmöglichkeit nicht nur unterstellen, sondern er tut es. Ich wüsste zu gerne, welche Partei er denn wählt, um diesem fiktiven Anspruch gerecht zu werden ... ;-)

Liebe Grüße!

Ich bin kein Roboter hat gesagt…

Wunderbarer Text, danke!

altautonomer hat gesagt…

Charlie: Aus seinen Texten ergibt sich, dass er typisch missionierender, belehrender GRÜNER ist.