(...) Wieder Aufruhr in meinem Gedärm. Sodbrennen in der Speiseröhre. Aufstößt die Bitterkeit meiner Existenz: auf einem Boden, der übersät ist mit den Resten zerplatzter Blasen der Politik. Ein Leben, knietief im Schlamm aus Wort-Hülsen, Medien-Schaum und Prominenten-Lack. Da soll ich durch? Wieso stecke ich darin? Ich halte es mir vom Leibe, lange schon, aber es flutet, es schwemmt, es gurgelt, strudelt, umspült mich … Krrrchzgruuuunz … Oh weist mir den Ausweg zum Ort der Quarantäne! Denn nichts anderes bin ich als ein infizierter, mindestens unter Seuchenverdacht stehender Mensch! Womit habe ich verdient, dass mir eingeschenkt wird, unablässig, die "Freiheitunddemokratie"? Und die "Stärkung der westlichen Wertegemeinschaft". Und das "Fundament der christlichen Werte".
Ruhig, Kamerad, ganz ruhig. Du bist nicht krank. Dein Herz schlage heiter, dein Magen schweige still. Du kennst diesen Verdruss doch. Er gehört zur Vorgeschichte deiner Krankheit. Du warst doch schon einmal im Brei daheim und hättest es beinahe nicht mehr ausgehalten. Du hast doch schon einmal gehört, bis du es nicht mehr glauben konntest, von der "Heimstatt der Freiheit, Demokratie und Menschrechte". Dir wurde schon einmal vorgebetet von der "Stärkung des Sozialismus", so lange, so oft und bis er zusammenfiel. Die "Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik" wurde so gnadenlos getrommelt und gepfiffen, bis am Ende die Insolvenz deiner Heimat stand. Da wurde gestaltet und gestaltet an der "Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft", bis sich gar nichts mehr entwickelte, und aus dem Übergang zum Kommunismus wurde der Rückschritt in den Kapitalismus. Hülsenfrüchte, Schaumgebäck, Kopfsalat – bis zum Erbrechen. Bis keine Substanz mehr steckt in den Begriffen, die vorgekaut werden. Bis sie keinen Geschmack mehr haben, weil sie bei jeder unpassenden Gelegenheit aus dem Zylinder gezogen werden. Ein fauler Zauber, der nicht verhindert, dass die Bühne plötzlich brennt. Wenn auf der mal nicht grad "Freiheitunddemokratie" gespielt wird – bis der Dirigent rücklings ins Publikum stürzt, der erste Geiger in seinem Instrument verschwindet und nur noch die Pauke zu hören ist. Bumbummbumm!
(Eckhard Mieder [*1953] im Blättchen 02/2011)
Ruhig, Kamerad, ganz ruhig. Du bist nicht krank. Dein Herz schlage heiter, dein Magen schweige still. Du kennst diesen Verdruss doch. Er gehört zur Vorgeschichte deiner Krankheit. Du warst doch schon einmal im Brei daheim und hättest es beinahe nicht mehr ausgehalten. Du hast doch schon einmal gehört, bis du es nicht mehr glauben konntest, von der "Heimstatt der Freiheit, Demokratie und Menschrechte". Dir wurde schon einmal vorgebetet von der "Stärkung des Sozialismus", so lange, so oft und bis er zusammenfiel. Die "Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik" wurde so gnadenlos getrommelt und gepfiffen, bis am Ende die Insolvenz deiner Heimat stand. Da wurde gestaltet und gestaltet an der "Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft", bis sich gar nichts mehr entwickelte, und aus dem Übergang zum Kommunismus wurde der Rückschritt in den Kapitalismus. Hülsenfrüchte, Schaumgebäck, Kopfsalat – bis zum Erbrechen. Bis keine Substanz mehr steckt in den Begriffen, die vorgekaut werden. Bis sie keinen Geschmack mehr haben, weil sie bei jeder unpassenden Gelegenheit aus dem Zylinder gezogen werden. Ein fauler Zauber, der nicht verhindert, dass die Bühne plötzlich brennt. Wenn auf der mal nicht grad "Freiheitunddemokratie" gespielt wird – bis der Dirigent rücklings ins Publikum stürzt, der erste Geiger in seinem Instrument verschwindet und nur noch die Pauke zu hören ist. Bumbummbumm!
(Eckhard Mieder [*1953] im Blättchen 02/2011)
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