Freitag, 19. April 2013

Lafontaine über unser schönes "Einparteiensystem mit vier Flügeln"


(...) Der scharfzüngige US-Schriftsteller Gore Vidal hatte schon vor Jahren formuliert: "Demokratie ist ganz offensichtlich ein Ort, wo unzählige Wahlen abgehalten werden, zu immensen Kosten ohne Themen und mit austauschbaren Kandidaten." In den USA gab es für ihn nicht mehrere Parteien sondern ein "Einparteiensystem mit zwei rechten Flügeln", die für die Interessen der Großkonzerne eintreten. In den Medien sah er Instrumente der Propaganda zur Konservierung der gesellschaftlichen Machtverhältnisse. (...)

Zweifellos hat die Amerikanisierung der deutschen Politik dazu geführt, dass wir heute, auch in Deutschland, ein Einparteiensystem mit vier Flügeln haben, um in dem Bild Gore Vidals zu bleiben. Die Flügel nennen sich CDU/CSU, SPD, FDP oder Grüne und treten mal mehr, mal weniger für die Interessen der Banken und Großkonzerne ein, wie die die Steuerpolitik der letzten Jahre und die vielen Rettungsschirme beweisen. Sie bejahen ohne Einschränkung eine Wirtschaftsordnung, in der die ungleiche Reichtums-, Vermögens- und Machtverteilung dadurch zu Stande kommt, dass eine Minderheit die Mehrheit für sich arbeiten lässt und dieser Mehrheit den ihr in Form von Löhnen und Belegschaftsanteilen zustehenden vollen Ertrag ihrer Arbeit vorenthält.

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Anmerkung: Lafontaine schreibt hier wahrlich nichts Neues - ähnliche Gedanken sind in diversen Blogs und alternativen Medien ja seit vielen, vielen Jahren nachzulesen und vielfach belegt worden. Wenn aber nun sogar Albrecht Müller von den Nachdenkseiten dazu fast schon bemitleidenswert kommentiert: "Ich jedenfalls habe trotz meiner sonstigen Skepsis noch einiges [durch die Lektüre des Artikels] dazugelernt", dann scheint hier doch noch immer ein immens großer Aufklärungsbedarf zu bestehen. Die Neoliberale Einheitspartei Deutschlands (NED) wird offenbar auch von einigen kritischen Menschen noch immer nicht als Einheitspartei wahrgenommen - aus welchen Gründen auch immer. Ich kann mir das jedenfalls nicht erklären, denn inhaltliche Differenzen, die über bloße, alberne Details hinausgehen, gibt es zwischen diesen Blockparteien ja nicht - und wer das Wahlkampfgetöse samt den zugehörigen markigen Sprüchen noch ernst oder für bare Münze nimmt, dem ist ohnehin nicht mehr zu helfen.

Es ist mir allerdings ebenfalls ein Rätsel, weshalb die Linke dieses Thema nicht viel offensiver angeht und es deutlich herausstellt - es wäre doch ein Leichtes, die Bande zu entlarven und ihr hohles Geschwätz von der "sozialen Gerechtigkeit" und ähnliche Absurditäten als das bloßzustellen, was es ist: Eine grelle, schrille, Lügenverpackung, die eine giftige, vermodernde Fäulnis als belebendes Vitaminpräparat anzupreisen versucht. Eine Linke, die tatsächlich andere Wege beschreiten möchte, müsste sich wesentlich radikaler und abgrenzender von dieser kapitalistischen Bande positionieren, wenn sie ernst genommen werden will. Es liegt doch auf der Hand, dass Lafontaine mit diesem Text auch impliziert, dass eine eventuelle Koalition mit der SPD oder den Grünen gleichbedeutend wäre mit einer Zusammenarbeit mit den Mafiosi der Schwarz-Geld-Bande. Ein klare Absage an jede Koalition mit dieser korrupten Einheitspartei müsste die logische und notwendige Folge sein.

Mit der NED ist keine alternative Politik umzusetzen - diese schnöde Erkenntnis sollte sich endlich herumsprechen in Deutschland. Ob die Linke aber bereit und willens ist, diese Wege zu gehen, muss sie erst noch unter Beweis stellen. Ich habe meine starken Zweifel ... werde die Partei aber wohl trotzdem wählen, denn noch Schlimmeres anrichten als die NED kann sie im Falle des höchst unwahrscheinlichen Wahlsieges nun wahrlich auch nicht.

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Vor und nach der Wahl


"... unermüdlich bei Tag und Nacht werde ich meine ganze Person für das Recht meiner Wähler einsetzen."

"Wenn man im Plenum nicht schlafen könnte, hätte man ja gar nichts vom Nachtleben."

(Zeichnungen von Wilhelm Schulz [1865–1952], in "Simplicissimus", Heft 41 vom 10.01.1927)

2 Kommentare:

Anabelle hat gesagt…

Ach es ist echt ein Dilemma: Nicht wählen bringt nüscht, die Einheitspartei wählen bringt nüscht, aber die Linke wählen bringt auch nüscht, weil sie keine reale Chance auf ne Mehrheit hat. Es ist eigentlich egal was wir machen, am Ende kriegen wir sowieso genau dieselbe Politik wie immer.

Noch schlimmere Gefahr geht momentan doch nur noch von dieser AFD aus, also ist es vielleicht doch ganz gut, der Linken die Stimme zu geben. Oder denke ich da mal wieder zu kompliziert oder zu verworren?

Charlie hat gesagt…

@ Anabelle: Lies dazu mal die schöne Glosse aus dem "Blättchen": "Ein Albtraum", die das Dilemma auf den Punkt bringt ... ;-) Die Pointe ist ... nun ja ... augenöffnend.

(Auch wenn die letzten Worte, sofern sie sich, wie ich annehme, auf die Teufelsbeschwörungsszene aus dem "Freischütz" beziehen, eigentlich "Samael hilf!" lauten müssten. Aber das ist natürlich Haarspalterei.)