Über Steinbrücks Beziehung zum Geld und seine Mühe mit sozialdemokratischen Inhalten ist viel geschrieben worden. Sein steinernes, ja stählernes Gebaren, die Befehlston-Ästhetik seiner Sprachmelodie, der stiere Blick über dem zum umgekehrten "U" gebogenen Mund waren aber noch zu wenig Gegenstand der Analyse. Zeit für eine Glosse zur Kandidatur des Sozialdemokraten Peer Steinbrück. Hobby-Psychologe Sigmund Leid schürft tief und fördert eine altbekannte Weisheit zutage: Auch das Private ist politisch.
(Weiterlesen)
Anmerkung: Diesen wunderbaren Text solltet Ihr Euch nicht entgehen lassen, wenn Ihr Euch noch näher über den Merkel-Mehrheitsbeschaffungskandidaten Steinbrück informieren (oder einfach mal wieder herzhaft lachen) wollt. Über die "sozialdemokratischen Inhalte" würde ich indes mit dem Autor (nicht mit Steinbrück, um Himmels Willen) nur zu gern einmal ausführlich diskutieren und in Erfahrung bringen, was er denn genau mit diesem Begriff meint. Sind dies vielleicht der "Radikalenerlass" des Willy Brandt, der "NATO-Doppelbeschluss" des Helmut Schmidt oder die "Hartz"-Deformierungen des Gerhard Schröder? Oder muss man noch tiefer in der verstaubten und in allzu grellem, absurdem Rot angestrichenen Geschichte dieser ständigen Verräterpartei buddeln, um auf tatsächlich "sozialdemokratische Inhalte" zu stoßen?
Man weiß so wenig. Gewiss ist aber die offensichtliche Tatsache, dass der neoliberale, asoziale, demokratie- und menschenfeindliche Katastrophenkurs der Kohls, Schröders und Merkels auch dann eisern beibehalten wird, wenn wider Erwarten und wider jede nachvollziehbare Logik Steinbrück zum Kanzler gewählt würde. Ich hege ja manchmal die naive Hoffnung, dass diese Offensichtlichkeit der nicht vorhandenen Unterschiede zwischen den Blöcken der neoliberalen Einheitspartei vielleicht doch dazu führen könnte, dass im Herbst mehr Menschen den Alternativen ihre Stimme geben - und dabei nicht den braunen Rattenfängern der Menschenfeinde vom noch rechteren Rand ins Netz gehen. Diese Hoffnung wird enttäuscht werden, das weiß ich schon jetzt - aber ich darf sie doch trotzdem formulieren, oder?
Ich will es mal drastisch ausdrücken: Wenn man die Wahl hat zwischen Kotze, Scheiße, Eiter, Pisse und einem Wasser, von dem man nicht weiß, ob es gut schmeckt oder gut tut - wieso um alles in der Welt wählt die überwältigende Mehrheit dann nicht dieses Wasser? Ich werde die Gedankengänge der schwarz-gelb-rot-grünen WählerInnen wohl nie nachvollziehen können - wobei die SPD-WählerInnen da noch besonders zu bewerten sind, weil sie sich immer wieder aufs Neue verarschen und verraten lassen, und das seit über 100 Jahren schon. Sind das denn alles Masochisten?
Ich muss mir bei diesem Thema an die eigene Nase fassen, denn ich selber war seinerzeit so dämlich, den Grünen meine Stimme zu geben, weil ich der irrigen (aus heutiger Sicht geradezu irrwitzigen) Meinung war, es sei sinnvoll und hilfreich, wenn Kohls furchtbarer Dauerregentschaft samt seiner asozialen Politik endlich ein Ende gesetzt würde - mit dem Ergebnis, dass Rot-Grün noch viel umfassender, nachhaltiger und asozialer im Land gewütet hat, als Kohl sich das jemals getraut hätte. Mir ist erst ein Licht aufgegangen, als der Freitag anlässlich Schröders Agenda-Politik titelte: "Dagegen war Kohl modern".
Und nun tritt also der Agenda-Genosse mit dem umgekehrten "U" im Gesicht an, um die Katastrophen-Angela mit dem umgekehrten "U" im Gesicht abzulösen und auch ordentlich Knete zu scheffeln wie diese, wie Gaz-Gerd, Panzer-Joschka und all die anderen rot-grünen GenossInnen und schwarz-gelben Christ-Liberallas. Was haben wir gelacht.
Bis zum bitterbösen Erwachen jedenfalls - einmal mehr.
---
Der Bergmann
"Sie frieren nicht, sie brauchen keine Kleider, sie haben keine Zeit zum Essen - und wollen doch mehr verdienen."
(Zeichnung von Wilhelm Schulz [1865–1952], in "Simplicissimus", Heft 32 vom 07.11.1927)
7 Kommentare:
Die Grünen also. Bei mir war es Schröder. Was war das für eine Aufbruchstimmung 1998. Jetzt wird alles gut nach 16 Jahren bleierndem Kohl. Dachten alle. Gekommen sind Dosenpfand, Kriegseinsätze und Hartz IV. Bravo.
Lieber Charly,
nun, der Autor Sigmund Leid hat dem Markomimen Steinbrück keine "sozialdemokratischen Inhalte" zugesprochen, im Gegentum: sein Text enthält einen deutlichen Seitenhieb gegen dieselben.
Wer in diesen Tagen auf 200 Jahre SPD zurückblickt, wies sehr schnell bemerken, daß allerspätestens seit Bewilligung der Kriegskredite und der sogenannten "Burgfriedenspolitik" im Sommer 1014 die Geschichte der SPD eine Selbstverratsgeschichte ist und die SPD als Umfallerpartei bezeichnet werden muß. Aber das darzustellen, benötigte mehr Zeit, als ich jetzt habe.
Herzlich
Holdger
ja, den schröder hab ich auf gewählt. peinlich im nachhinein - allein schon sein großfressiges zigarrenrauchen hätte mir zu denken geben sollen....
ein macho par excellence - bäääähhh...
nun mutti ist auch nun nicht der große bringer - aber mal ehrlich - welcher halbwegs normale mensch tritt in eine partei ein und möchte dort auch noch was bewirken?!?!
die meisten, die dort rumhüpfen sind profilneurotiker und pimperl-wichtig.
schade, daß es kein "qualtitätsmanagement" für politiker gibt. obwohl dieses wiederum bestimmt dann korrupt wäre. ach...........
parteien anschaffen!!!!!!!
@ µnÐ3rÐ09: Die Liste der rot-grünen Untaten ließe sich problemlos massiv verlängern - eigentlich kann ich mich an keine einzige für die BürgerInnen positive Aktion erinnern, die diese Bande auf den Weg gebracht hat. Dafür jede Menge Katastrophen, Reichen-Hätscheleien und im besten Falle wirkungslosen Schein-Aktionismus.
Die Grünen haben mich dabei am meisten enttäuscht, denn von denen hatte ich elender Vollhorst mir eine deutliche Linkskorrektur des Kurses erhofft. Welch ein "epic fail". Wir hätten eigentlich auch gleich die olle Thatcher wählen können.
Liebe Grüße!
Lieber Holdger, mir ist bewusst, dass der Autor seinen satirischen Text mit einem feinen Augenzwinkern geschrieben hat - ebenso sollte mein Dialogangebot und damit der "Vorwurf" aber auch verstanden werden. ;-) Ich finde den Text ja großartig, sonst hätte ich ihn nicht verlinkt.
Bezüglich der SPD scheinen wir ja recht ähnliche Meinungen zu vertreten - vielleicht ist es keine schlechte Idee, mal einen knappen historischen Abriss zu schreiben, der die schlimmsten Verfehlungen dieser Partei prägnant zusammenfasst. Ich behalte den Gedanken mal im Hinterkopf.
Liebe Grüße!
@ dani: Die etablierten Parteien schaffen doch schon an - sie sind nichts weiter als Huren. ;-)
Aber Spaß beiseite - Du meintest "abschaffen", ich weiß. ;-) Doch wie sollte ein gesellschaftlich-politisches System ohne Parteien aussehen? Vielleicht wie eine Räterepublik? Damit wäre das Problem der Korruption aber immer noch genauso präsent. Ich glaube, der sinnvollere Weg wäre eine strafbewehrte, konsequente und möglichst schlupflöcherfreie Bekämpfung von Korruption und Lobbyismus. Das ist freilich mit den etablierten Parteien nicht zu machen, deshalb müssen die ja endlich weg.
Liebe Grüße!
@ charlie
huch....hehehe....hab ich gar nicht gemerkt. danke!
der rechtschreibteufel - immer wieder schleicht er sich ein!!!! und gleich mehrmals - oder der "freudsche versprecher" in buchstabenform. das unterbewusste läßt grüßen?????!
das problem ist wohl nicht die "form" der politik an sich - sondern der "inhalt" mensch.
und da gibt es wieder alle facetten der gier, neid, eitelkeiten und vor allem unbewusstheit.
da müssten wir schon eine andere "erziehung" genießen. weg vom ICH, ICH, ICH und hin zum WIR und vernetzten denken.
sowas wird leider im mainstream nicht wirklich gefördert. weil - bringt ja keine kohle!!!! :-(
letzte woche laß ich von einem kita-platz für 1.300 euro im monat. mit bring- und holservice, flexiblen zeiten, wochenendservice gerne auch mal über nacht wenn mami und papi beruflich unterwegs sind und karriere machen!
solche leute sollten sich doch lieber ein stofftier gönnen. das kann man auch in den schrank sperren ohne daß es schreit!
seele - für viele materialisten ein fremdwort. schade......denn sie ist mit das wichtigste, was einen menschen ausmacht. aber schon der olle goethe hat sie ja verkauft.....
lieben gruß
Kommentar veröffentlichen