Dienstag, 4. März 2014

Die Groteske des Superreichtums in den Propagandamedien: Geld über alles


Wal-Mart ist der größte Arbeitgeber der Welt. Und wie die Aldi-Kette ein Familienbetrieb: Hinter dem Handelsriesen stehen die Waltons, die reichste Familie der Erde. Sie zahlt ihren Mitarbeitern Billiglöhne. Und spendet Milliarden.

(Weiterlesen - aber bitte nur mit eingeschaltetem Gehirn)

Anmerkung: Hier haben wir wieder ein solches Beispiel, in dem nahezu sensationsheischend über den "reichsten Clan der Welt" berichtet wird - stets getreu dem absurden Motto: "Wer will und genug arbeitet, kann es ebenso 'weit' bringen" und natürlich der impliziten Umkehrung: "Wer es nicht so weit bringt, ist ein persönlicher Versager und somit selbst schuld". Ich weiß gar nicht, wo genau ich mit meiner Kritik beginnen soll, denn auch dieser Text lässt wie gewohnt jegliche Ursachenerwähnung aus und behauptet statt dessen wie immer auf dummdreiste Weise, dass es diesen Personen auf wundersame Weise gelungen sei, von "Tante-Emma-Laden-Besitzern" zu den reichsten Menschen auf diesem Globus zu mutieren, als sei nichts "normaler" und nachvollziehbarer auf der Welt. Dieses Szenario für sich genommen ist schon so grotesk, dass nicht nur jeder tatsächlich hart arbeitende Mensch auf diesem Planeten dem Verfasser einen ganzen Reigen von Ohrfeigen verpassen müsste - es genügt tatsächlich auch das schlichte Nachdenken, dass an diesem Märchen angesichts des gewaltigen globalen Elends und der gleichzeitigen Konzentration von absurden Summen Geldes in sehr wenigen Händen irgendetwas nicht stimmen kann. Und auch die einzig kritisch erwähnten Dumpinglöhne, die nicht nur Wal-Mart oder Aldi ihren "Angestellten" zahlen, können das "Wunder" eines solchen Superreichtums allein natürlich nicht erklären - der ganze Rattenschwanz von allen möglichen Abhängigkeiten, Erpressungen und sklavenähnlichen Zuständen im gesamten kapitalistischen Produktions- und Vertriebsprozess kommt im Text erst gar nicht vor. Über das Geld- und Zinssystem will ich da besser gar nicht erst beginnen zu schreiben.

Fast im gleichen Atemzug wie die zahnlose und völlig unzureichende Anklage bezüglich der Billiglöhne wird auch gleich ein entsprechender "Ausgleich" mitgereicht: Diese hochsozial denkenden Profitgeier spenden ja schließlich "Milliarden" ihres hart erworbenen Vermögens für soziale Zwecke und sind somit augenblicklich wieder rehabilitiert. Genaueres weiß man zwar nicht - der Text schwadroniert da etwas von einer "Familienstiftung" sowie von "Umweltschutz, Bildung und [der] Förderung der Region Arkansas" - das war's dann aber auch schon in Sachen Information. Mehr soll und darf der Pöbel nicht wissen, Details verwirren ihn bloß. Leider lässt allein der Begriff "Familienstiftung" bei kritischen Zeitgenossen unverzüglich alle Alarmglocken schrillen und er möchte dringend mehr wissen - aber kritische Zeitgenossen sind leider eine kleine Minderheit in unserer schönen kapitalistischen Glitzerwelt und werden daher geflissentlich ignoriert. (Randnotiz: Eine Milliarde Dollar entspricht angesichts eines Vermögens von 145 Milliarden Dollar einem Volumen von weniger als 0,7 % - eine wahrlich fürstliche Spendenbereitschaft, die man gar nicht ehrfürchtig genug bewerten kann!)

Das ganz große Highlight seines preisverdächtigen Textes hat der Autor Hannes Vogel aber ganz am Schluss versteckt, wenn er dort schreibt: "Doch nicht nur die Armen, sogar die Freunde der Wal-Mart-Brüder hat die Firma reich gemacht (...)". Nein, welch eine Offenbarung: Die Firma des reichsten Clans dieses Planeten macht nicht nur (alle?) Arme reich (!!!), sondern entfaltet sogar noch segensreichere Kräfte, indem sie die (zuvor offenbar nicht armen?) "Freunde" des Clans auch noch viel reicher macht, als sie es vorher gewesen sind! Der Segen des kapitalistischen Systems beschert uns hier also gleich eine dreifache Win-win-win-Situation, um im Orwell-Sprech der neoliberalen Bande zu bleiben - Verlierer gibt es laut diesem Text hier nicht mehr. Das Paradies ist nicht mehr jenseitig - wir erleben es hier und jetzt! Man soll den Superreichen auf Knien dafür danken, dass sie uns allen ein so wundervolles, sorgenfreies und luxuriöses Leben ermöglichen. Gebenedeit sei die Frucht eurer heiligen Geldbörsen!

Wenn man dem üblen Propagandatext bis zu diesem finalen Blattschuss tatsächlich (ohne psychische oder intellektuelle Schäden zu nehmen) gefolgt ist, weiß man allerspätestens an diesem Punkt, dass man das Leben in einem freiheitlich-demokratischen oder gar sozialen System Zeit seines Lebens voraussichtlich niemals kennenlernen wird. Aber die gütigen Waltons spenden Milliarden (Milliarden!!!) für soziale Zwecke und die Armen werden reich - und die "Freunde" der Reichen sowieso.

Die allerbitterste Pointe an der Sache bleibt aber diese: Und fast keiner merkt's. Alle rennen weiterhin wie von Sinnen dem Geld hinterher und wundern sich vielleicht gelegentlich über die perversen Auswüchse, die das selbstredend hat, kommen aber nicht auf den naheliegenden Gedanken, dass das Behandeln von Symptomen nichts an der Situation an sich ändert. Die Farce könnte aussichtsloser kaum sein. Geld, Geld, Geld über alles - ganz besonders über die Vernunft.

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Börsenpanik


"Wie meine beiden Söhne fielen, war ich nicht so verzweifelt wie Sie, da Ihre Papiere gefallen sind."

(Zeichnung von Wilhelm Schulz [1865–1952], in "Simplicissimus", Heft 31 vom 29.10.1918)

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