Mittwoch, 12. März 2014

Zitate des Tages: 's ist Krieg! / Krieg dem Kriege


's ist Krieg!

Die fetten Hände behaglich verschränkt
vorn über der bauchigen Weste,
steht einer am Lager und lächelt und denkt:
"'s ist Krieg! Das ist doch das beste!
Das Leder geräumt, und der Friede ist weit.
Jetzt mach' ich in anderen Chosen –

Noch ist die blühende, goldene Zeit!
Noch sind die Tage der Rosen!"

Franz von der Vaterlandspartei
klatscht Bravo! zu donnernden Reden.
Ein ganzer Held – stets ist er dabei,
wenn sich Sprecher im Saale befehden.
Die Bezüge vom Staat, die Nahrung all right –
lass Stürme donnern und tosen –

Noch ist die blühende, goldene Zeit!
Noch sind die Tage der Rosen!

Tage der Rosen! Regierte sich je
so leicht und bequem wie heute?
Wir haben das Prae und das Portepee
und beherrschen geduckte Leute.
Wir denken an Frieden voll Ängstlichkeit
mit leider gefüllten Hosen –

Noch ...
Noch ist die goldene, die blühende Zeit!
Noch sind die Tage der Rosen!

(Kaspar Hauser alias Kurt Tucholsky [1890-1935], in "Die Weltbühne", Nr. 32 v. 31.07.1919)

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Krieg dem Kriege

Sie lagen vier Jahre im Schützengraben.
Zeit, große Zeit!
Sie froren und waren verlaust und haben
daheim eine Frau und zwei kleine Knaben,
weit, weit -!

Und keiner, der ihnen die Wahrheit sagt.
Und keiner, der aufzubegehren wagt.
Monat um Monat, Jahr um Jahr ...

Und wenn mal einer auf Urlaub war,
sah er zu Hause die dicken Bäuche.
Und es fraßen dort um sich wie eine Seuche
der Tanz, die Gier, das Schiebergeschäft.
Und die Horde alldeutscher Skribenten kläfft:
"Krieg! Krieg!
Großer Sieg!
Sieg in Albanien und Sieg in Flandern!"
Und es starben die andern, die andern, die andern ...

Sie sahen die Kameraden fallen.
Das war das Schicksal bei fast allen:
Verwundung, Qual wie ein Tier, und Tod.
Ein kleiner Fleck, schmutzigrot -
und man trug sie fort und scharrte sie ein.
Wer wird wohl der nächste sein?

Und ein Schrei von Millionen stieg auf zu den Sternen.
Werden die Menschen es niemals lernen?
Gibt es ein Ding, um das es sich lohnt?
Wer ist das, der da oben thront,
von oben bis unten bespickt mit Orden,
und nur immer befiehlt: Morden! Morden! -
Blut und zermalmte Knochen und Dreck ...
Und dann hieß es plötzlich, das Schiff sei leck.

Der Kapitän hat den Abschied genommen
und ist etwas plötzlich von dannen geschwommen.
Ratlos stehen die Feldgrauen da.
Für wen das alles? Pro patria?

Brüder! Brüder! Schließt die Reih'n!
Brüder! Das darf nicht wieder sein!
Geben sie uns den Vernichtungsfrieden,
ist das gleiche Los beschieden
unsern Söhnen und euern Enkeln.
Sollen die wieder blutrot besprenkeln
die Ackergräben, das grüne Gras?
Brüder! Pfeift den Burschen was!
Es darf und soll so nicht weitergehen.
Wir haben alle, alle gesehen,
wohin ein solcher Wahnsinn führt -

Das Feuer brannte, das sie geschürt.
Löscht es aus! Die Imperialisten,
die da drüben bei jenen nisten,
schenken uns wieder Nationalisten.
Und nach abermals zwanzig Jahren
kommen neue Kanonen gefahren. -
Das wäre kein Friede.
Das wäre Wahn.
Der alte Tanz auf dem alten Vulkan.
Du sollst nicht töten! hat einer gesagt.
Und die Menschheit hört's, und die Menschheit klagt.
Will das niemals anders werden?
Krieg dem Kriege!

Und Friede auf Erden.

(Theobald Tiger alias Kurt Tucholsky [1890-1935], in "Ulk", Nr. 24 v. 13.06.1919)

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Der Krieg, wie ich ihn sah



(Zeichnung von Fritz Arnold [1883-1921], in "Simplicissimus", Heft 46 vom 11.02.1919)

Anmerkung: Das erste Gedicht - "'s ist Krieg" - hat Tucholsky schon während des Krieges 1914-18 geschrieben, durfte es damals aber nicht veröffentlichen. Der Titel nimmt Bezug auf das glühend-pazifistische Gedicht "Kriegslied" von Matthias Claudius. Der zweite Text darf also durchaus als "Nachschlag" verstanden werden, als der Autor zu Beginn des ersten Demokratieversuches auf deutschem Boden nach 1918 doch endlich in der Lage war, pazifistische Texte gegen den Kriegswahnsinn publizieren zu können.

Heute verbietet solche Texte niemand mehr - die neoliberale Bande weiß schließlich, dass sie ihre Kriegstreiberei dennoch ungehindert weiter verfolgen kann und mit keiner nennenswerten Gegenwehr mehr zu rechnen braucht. Solange nicht die eigenen Gartenzwerge weggebombt werden, interessiert den deutschen Durchschnittsnarkotisierten heute wie damals nicht, was auch seine "Vertreter" weltweit für Gräueltaten anrichten. All die Appelle und Bekenntnisse wie "Nie wieder Krieg!" sind nur noch ein Treppenwitz der Geschichte - heute greift der moderne Neoliberale längst wieder beherzt zur Waffe, wenn er irgendwo etwas stehlen kann, um sich zu bereichern - und die furchtbare Ideologie ist natürlich längst auch in der Gesellschaft angekommen und hat sich dort festgefressen wie ein übler Parasit, der aus ehemals denkfähigen Individuen egozentrische, habgierige Monster gemacht hat.

Die Wiederholungsschleife nimmt Fahrt auf.

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