Vor einiger Zeit hatte ich angekündigt, dass ich mich - als bekennender "So-gut-wie-nie-TV-Glotzer" - verstärkt mit diesem Medium auseinandersetzen werde. Ich habe das im Rahmen meiner Möglichkeiten inzwischen getan und muss das "Experiment" nun abbrechen und teilweise für gescheitert erklären, weil ich es schlicht nicht mehr ertrage, so viel Zeit mit Propaganda, Müll und Schlimmerem zu verplempern. Das Ergebnis mag weder für mich, noch für so manchen Mitlesenden befriedigend sein - aber dazu mehr in den Einzelheiten:
Zunächst musste ich die Auswahl dessen, was ich anzusehen gedachte, schon allein aus Zeitgründen sehr stark einschränken: Offensichtliche Trash-Formate, wie ich sie exemplarisch aus Kreymeiers Magazin "Fernsehkritik-TV", das ich inzwischen allerdings auch kaum mehr anschaue, kannte, habe ich von vorn herein ausgeschlossen; dasselbe galt für all die mehr oder minder politischen Quassel-Shows, sämtliche Unterhaltungs-Shows sowie die täglichen Propagandaschleudern wie "Tagesschau" oder "heute". Gerade zu den letztgenannten Sendungen muss ich mir keine Meinung mehr bilden, dazu reicht die Lektüre der geschriebenen Online-Varianten völlig aus.
Ich wollte mir statt dessen anschauen, was das heutige Fernsehen jenseits dieser Jauche- und Desinformationsgruben noch zu bieten hat, stieß dann aber gleich auf das nächste Problem, nämlich die ständige, allgegenwärtige und für einen "Ungeübten" wie mich nicht erträgliche Reklame, die in der Zeit nach 20 Uhr (und darauf beschränkte sich mein "Experiment") glücklicher Weise nur die Privatsender betrifft. Selbst wenn ich dort einmal eine Sendung entdeckt hatte, die ich mir ansehen wollte, hat diese permanente, aufdringliche und schrille Reklame das erfolgreich und konsequent verhindert - ich bekomme von solchem Schmutz auf der Stelle Kopfschmerzen und juckenden Hautausschlag. Es tut doch weh mitansehen zu müssen, wie irgendwelche "Promis" sich gegen meist wohl recht fürstliche Bezahlung zum lächerlichen Affen machen und dem Zuschauerdeppen irgendeinen Mist präsentieren - ganz zu schweigen von den vielen, vielen Nicht-Promis, die dasselbe für einen Bruchteil dieses Geldes tun. Aufgefallen sind mir in den wenigen Spots, die ich ertragen habe, beispielsweise Heike Makatsch, Jürgen Vogel, Mehmet Scholl, dieser Basketball-Heini aus den USA und natürlich Thomas Gottschalk. Nagen diese Leute, die größtenteils längst Multimillionäre sind, plötzlich am Hungertuch - oder wieso halten sie ihre Fratzen zu Reklamezwecken gegen Geld sonst in die Kameras? Ich verstehe das nicht - ich verstehe maßlose Habgier nicht.
Jedenfalls waren damit auch die Privatsender ausgeschieden - es macht ja keinen Sinn, eine Sendung lediglich bis zur ersten Werbeunterbrechung zu beurteilen. Ich muss an dieser Stelle darauf hinweisen, dass in einigen wenigen Fällen bei Privatsendern tatsächlich Spielfilme im Programm waren, die ich mir gerne angesehen hätte - aber wenn ein guter Film, der in der Regel ja so etwas wie Spannung und Atmosphäre aufbaut, durch Reklame so zerstückelt und auseinandergerissen wird, dass von eben jener Spannung und Atmosphäre nichts mehr übrig bleibt, verzichte ich dankend. Man stelle sich einmal eine Mahler-Symphonie oder meinetwegen auch ein oberflächliches Lloyd-Webber-Musical vor, das an der einfühlsamsten Stelle von lauter, blinkender Reklame für einen Kloreiniger oder Damenbinden unterbrochen wird. Wie halten Menschen, die sich so etwas ansehen, das bloß aus? Der Abstumpfungseffekt dürfte hier extrem ausprägend sein.
So blieben noch die öffentlich-rechtlichen Sender samt deren "Spartenkanälen", die "dritten Programme" sowie 3sat, Arte und Phoenix für das "Experiment" übrig. Ich will es kurz machen: Das Ergebnis war mehr als ernüchternd. Es gab gelegentlich Spielfilme, die ich mir gern und mit Gewinn angesehen habe; es gab sogar vereinzelt kulturelle Beiträge (beispielsweise über den Maler Max Ernst auf 3sat), Dokumentationen (diese allerdings meist zu nachtschlafener Zeit, also nach Mitternacht) oder auch Kabarettsendungen, die ich empfehlen kann. Der weit überwiegende Anteil des Programms (geschätzte 95 Prozent) bestand allerdings aus im besten Fall redundantem, im schlimmsten Fall tendenziösem, propagandistischem Mist, der mir böse Hirnfäule beschert hat.
Eines aber ragt in diesen Sumpf ganz besonders tief hinein, nämlich das ewige, auf sämtlichen Kanälen stetig wiederholte Krimi-Gedöns in all seinen widerlichen Facetten. Es vergeht ja kaum ein Tag, an dem auf irgendeinem Kanal nicht eine "Tatort"-Wiederholung liefe, dazu kommen unzählige Filme und Serien, in denen Kommissare oder SOKOS sich - allzu oft gesetzeswidrig - auf "Verbrecherjagd" begeben: diesem Sujet ist im TV nicht zu entkommen. Mich hat das regelrecht entsetzt. Wer schaut sich das in dieser Überkonzentration an, welche Auswirkungen hat das auf die Zuschauenden - und wieso geht es da fast immer nur um (möglichst bestialischen) Mord? In Deutschland gab es 2012 insgesamt 281, ein Jahr später 282 statistisch erfasste Mordopfer. Ein drängendes, gesellschaftlich-soziales Problem ist das offensichtlich nicht. Ich vermute, dass diese Konzentration im TV mehr darauf abzielt, die in diesen Filmen und Serien oft illegalen Polizeimethoden gesellschaftsfähig zu machen, wofür sich böse Morde und sympathische, "menschelnde" Kommissare natürlich ganz besonders gut eignen - eine andere sinnvolle Erklärung für dieses Phänomen fällt mir auf die Schnelle jedenfalls nicht ein. Für weitere Denkanstöße bin ich dankbar.
Zuletzt bleibt noch das Thema "Unterhaltung", das ja recht kontrovers gesehen und diskutiert wird: Der eine schaut sich das "Dschungelcamp" an oder liest die BLÖD-"Zeitung" (beispielsweise weil man sich darüber trefflich lustig machen kann), der andere findet das ekelhaft und alles andere als unterhaltend. Da treffen wieder einmal Welten aufeinander, die unvereinbarer kaum sein könnten. Es ist eine Binsenweisheit, dass unterschiedliche Menschen selbstverständlich auch völlig andere Interessen und Vorlieben haben, was die Unterhaltung betrifft - allerdings muss ich doch festhalten, dass es hier, wie immer, Grenzen gibt und auch geben muss. Wenn jemand beispielsweise Boxkämpfe unterhaltend findet, in denen sich die Protagonisten unter dem Gejohle des Publikums die Fressen blutig schlagen (das lief in der ARD), finde ich das ebenso inakzeptabel wie eine spaßorientierte Lektüre der BLÖD-"Zeitung", die ja bekanntermaßen ebenfalls eine mehr als üble Rolle in der Tragödie des zerstörenden Kapitalismus spielt. Ich meine, dass es tatsächlich unerheblich ist, wovon sich ein Mensch gerne unterhalten lässt - solange - und das ist der wichtigste Teil - die Konsequenzen dessen, was er wählt, ebenfalls unerheblich sind. Für die BLÖD-"Zeitung" gilt das nicht, für Boxkämpfe gilt das nicht, für Krawall-TV gilt das nicht - ob es für das "Dschungelcamp" gilt, ist immerhin diskutabel.
Fernsehen jedenfalls, das hat mein "Experiment" gezeigt, ist für mich weder ein Informations-, noch ein Unterhaltungsmedium. Auf breiter Front informiert und unterhält es mich nicht. Die wesentlichsten Aufgaben dieses Mediums im Kapitalismus sind augenscheinlich nicht Information und Unterhaltung, sondern Desinformation (Propaganda), Manipulation und schnöde Ablenkung.
Ich bin sehr froh, dass ich meine Zeit jetzt wieder mit sinnvollen Dingen verbringen kann. Und ich hoffe, dass diesem Beispiel immer mehr Menschen folgen und sich diesem völlig pervertierten Medium weiter entziehen. Oder, wie Kreymeier das in seinem Magazin immer so schön sagt:
"Schalten Sie mal wieder ab!"
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[Das Fernsehen] als Erzieher
"So, nu ham wa mal wieder in Mitleid gemacht! Frage ist: Wo nu essen?"
(Zeichnung von Wilhelm Schulz [1865–1952], in "Simplicissimus", Heft 31 vom 31.10.1926)
5 Kommentare:
"wenn ein guter Film, der in der Regel ja so etwas wie Spannung und Atmosphäre aufbaut, durch Reklame so zerstückelt und auseinandergerissen wird, dass von eben jener Spannung und Atmosphäre nichts mehr übrig bleibt, verzichte ich dankend."
Hier bist du schon auf dem Holzweg. Die konditionierte Dummbevölkerung empfindet es eben nicht so sondern nimmt es als selbstverständlich hin daß der Film von Werbung begleitet wird. Die Zerstörung wird gar nicht wahrgenommen sondern als selbstverständlich angesehn. Es wird nicht mehr lange dauern dann gehören Filme ohne Werbung zum alten Eisen, wie heute schon du oder ich.
Hast du dir auch solchen kram wie Markus Lanz amgetan?
"Markus Lanz verdient als Moderator beim ZDF jährlich 1.248.000 €. Seit Oktober 2012 moderierte er bis zur Absetzung "Wetten, das...?" und erhielt dafür jährlich geschätzte 128.000 €. Mit der Talkshow "Markus Lanz" verdient er weitere 250.000 € jährlich." http://www.gehaltsreporter.de/promi_gehaelter/8056.html
Da wissen wir wofür wir Zwangsgebühren zahlen.
Die inflationäre Austrahlung von Tatortfolgen wird noch übertroffen durch die Überflutung des Fernsehprogramms mit Kochshows. Hab bei Klaus Baum mal eine Wochenübersicht zusammengstellt:
http://klausbaum.wordpress.com//?s=Hungertod&search=Los
Wie groß muss die Langeweile von Menschen sein, die für so etwas wertvolle Lebenszeit verschwenden.
@ Anonym: Deiner pessimistischen, generalisierenden Meinung mag ich mich nicht anschließen, zumal ich ja ausdrücklich von "guten Filmen" - also einem eher seltenen Phänomen - sprach. ;-)
Den Schmierlappen Lanz habe ich mir, wie ich auch schon im Text schrieb, nicht angeschaut: Derartige Quasselrunden im TV langweilen mich im besten Falle halb zu Tode und verursachen im schlimmeren (also üblichen) Falle üble Brechreizgefühle und Hirnschmerzen.
Die absurden Mondgehälter solcher lächerlichen Figuren sind ein anderes Thema, das mir zwar ebenfalls übel aufstößt, mit der Qualität des Programmes aber erst einmal nichts zu tun hat. Gegen "Zwangsgebühren" hätte ich im Übrigen gar nichts einzuwenden, wenn es denn dafür auch tatsächlich unabhängige, starke und vor allem kritische öffentlich-rechtliche Medien gäbe. Von diesem Ideal ist die heutige Realität allerdings weiter entfernt als der Pluto von der Sonne.
Für Pseudokritik, Jubelperser und Propagandaschleudern zahle auch ich nicht.
@ altautonomer: Ich fürchte, da sitzt Du einem Irrglauben auf: Es ist zwar richtig, dass Kochshows von den Sendern ebenfalls inflationär rausgehauen werden, allerdings können diese weder durch das Maß der Zuschauerkorrumpierung, noch durch die schnöde Anzahl mit der allgegenwärtigen Krimipest mithalten.
Es ist an jedem beliebigen Abend in der Woche doch völlig unmöglich, diesem Mord-, Kommissar- und SOKO-Geschmeiß senderübergreifend auszuweichen - irgendwo läuft nahezu immer ein Krimi. Von dieser Konzentration ist das alberne TV-Gekoche - trotz seiner massiven Überrepräsentanz - doch weit entfernt.
Davon abgesehen ist das Kochen an sich ja erst einmal nicht verwerflich, sondern, ganz im Gegenteil, angesichts des grassierenden "Trash-Foods" aus Imbissen und Supermärkten eigentlich sogar eher begrüßenswert. Am Krimi-Wahn hingegen lässt sich nichts, aber auch gar nichts auch nur entfernt Positives ablesen, dafür aber umso mehr Ablenkung, Manipulation und mehr oder weniger "sanfte" Vorbereitung des Zuschauenden auf die wiederkehrende faschistische Polizeiwillkür und die Gewöhnung der Massen auch an bestialischste Verbrechen innerhalb der eigenen "Klasse" als scheinbare Normalität.
Hollywood lässt grüßen. Da können tausende im Mittelmehr ersaufen, hunderttausende in Afrika, natürlich unschuldig, elendig verhungern - aber hier wird Abend für Abend der Mord an irgendwelchen "unschuldigen Einzelopfern" zum großen Fernsehthema gemacht, dem die Staatsallmächtigkeit um jeden Preis auf den Grund gehen muss und dabei in der Regel natürlich auch erfolgreich ist. Es ist zum Speien.
Da schaue ich mir, sofern ich denn mit Gewalt vor ein TV-Gerät gezwungen werde, tausendmal lieber einen ganzen Reigen von Kochshows an.
Liebe Grüße!
Es ist ja irgendwie bezeichnend daß gerade der der dich damals so angegriffen hat, jetzt so aussagekräftig schweigt. Hast du dazu echt nix zu sagen, Duderich?
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