Montag, 26. Oktober 2015

Willy-Brandt-Arena: Absurde Schaukämpfe und feist lachende Kapitalisten


Die Entscheidung Wolfgang Liebs, die Nachdenkseiten zu verlassen, scheint ja hohe Wellen zu schlagen - was ich nicht nachvollziehen kann. Ich habe meine Gedanken dazu bereits beim Kollegen von den Fliegenden Brettern hinterlassen und möchte dazu, um Wiederholungen zu vermeiden, nur ergänzen:

Es ist bestürzend, wenn in "linken Kreisen" nun schon der eine Kapitalist gegen den anderen ausgespielt wird, um den Kampf gegen den Kapitalismus "voranzubringen". Der Irrsinn schreit hier gellend und unüberhörbar in wahnwitzigen Tönen! Müller und Lieb sind beide alte "Sozialdemokraten", die den "goldenen" Zeiten eines Willy Brandt nachhängen, am kapitalistischen System an sich aber keine grundsätzliche Kritik üben. Wie tief muss eine tatsächliche Opposition denn noch sinken, bis sie sich selbst offenkundig überflüssig macht?

Die Nachdenkseiten - ob nun mit oder ohne Lieb - sind und waren kein Teil der antikapitalistischen Bestrebungen - und werden es auch in Zukunft mit Figuren wie Müller, Berger, Jebsen oder Elsässer nicht sein. Es ist Herrn Lieb zwar hoch anzurechnen, dass er sich den offensichtlichen Anbiederungsversuchen Müllers in Richtung diffuser "Friedenswächter", die gerne im nationalistischen, antisemitischen Brei fischen, hiermit widersetzt - zu einem antikapitalistischen "Kämpfer" macht ihn das aber noch lange nicht.

Es ist alles beim Alten im Lande Kapitalistan - kein Mafioso muss fürchten, dass er auch nur um seine ergaunerte Portokasse im Foyer für Dienstboten gebracht wird, solange die Linke sich auf diesen absurden Nebenschauplätzen mit albernen Nebelkerzen bewirft und diese Farce dabei nicht einmal bemerkt. Dazu ein etwas modifizierter Satz aus einem Schulbuch für die vierte Klasse, Stand 1988:

"Merke: Du kannst den Kapitalismus nicht mithilfe von Kapitalisten bekämpfen." - Meine zehnjährige Tochter versteht ihn auf Anhieb - die schwadronierende Linke hat derzeit offensichtlich aber wieder einmal arge Verständnisprobleme.

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"Ich erkläre hiermit meinen Austritt aus der sozialdemokratischen Partei. Wir hatten unseren Weihnachtsbaum tip-top elektrisch eingerichtet. Am heiligen Abend streikten die Arbeiter des Elektrizitätswerkes und brachten uns um unsere Festfreude."

(Zeichnung von Thomas Theodor Heine [1867-1948], in "Simplicissimus", Heft 38 vom 20.12.1922)

2 Kommentare:

altautonomer hat gesagt…

Ja, es wird ziemlich viel über den NDS-Abgang von Lieb diskutiert. Das beweist mir wieder einmal die vermeintliche höherwertige Stellung einiger Blogger, die nicht mitbekommen, wenn sich ihre Stammkommentatoren leise oder weniger leise von diversen Plattformen verabschieden.

Einzig wohltuende Ausnahme war bisher Klaus Baum, der auch mal fragte, "Wo ist eigtentlich XY geblieben?"

Ich frage daher mal nur so in den Raum, ohne die Texte und das Blog kritisieren zu wollen, wo sind zum Beispiel die früheren feynsinn-Stammkommentatoren von flatter geblieben?

"Nützliche Klicker" wie bojenberg, tux. Goldener Reiter, Flying Circus,Bakunin, Horst Horstmann, landbewohner, HAAL9002, antiferengi, Herr Liebreiz, Andreas Kreuz, Uena, mo,Gerhard Schrödibär, Salvador Arachnir,langlode44, oblomow, unbequemer und auch ein gewisser Charlie
- einst fleißige Repräsentanten der Kommentarspalte - haben klammheimlich den "Lieb" gemacht, ohne dass es jemanden besonders berührte, geschweige denn überhaupt auffiel.

Wenn Blogger sich verabschieden, wird ein großes Bohey gemacht. Zuletzt bei Mrs. Mop, obwohl die anschließende Diskussion bei ihr sehr informativ war. Das Blog von Nina Tabai und das ganze Gewese darum ist mir auch noch gut in Erinnerung.

Insofern ist es richtig, sich mit der Rolle der NDS als Krankenpfleger des Kapitalismus auseinanderzusetzen.







Charlie hat gesagt…

@ Altauto: Meine kommentatorische Abwesenheit bei feynsinn ist darauf zurückzuführen, dass ich dort meistens schlichtweg nix zu kritisieren habe und ein Kommentar daher bloß aus einem "Du sprichst mir aus der Seele / dem Herzen / dem Gehirn" bestünde. Das halte ich dort indes für überflüssig.

Ich verlinke die oft sehr guten Texte auch eher selten, weil ich davon ausgehe, dass diejenigen, die hier mitlesen, den flatter ohnehin kennen und jene Texte auch ohne explizite Hinweise lesen. Wenn es einen "Referenz-Blog" für konsequent antikapitalistische Sichtweisen gibt, ist es sicherlich feynsinn.

Es könnte gut sein, dass einige "Alt-Kommentatoren" dort aus ähnlichen Gründen schweigen - aber das bleibt Spekulation. Ein weiterer Grund, den ich selber auch gut kenne und der mir in Diskussionen oft begegnet, ist die pure Resignation. Das ist nicht schön, aber man muss es wohl einfach zur Kenntnis nehmen, dass unsere furchtbare Zeit manche Menschen zunehmend dazu bringt, in die "innere Migration" zu flüchten. Ich kann diese Flucht, auch wenn sie äußerst fatal ist, angesichts des permanenten, so ermüdenden Windmühlenkampfes niemandem vorwerfen.

Das ganze hat - nach meinem Empfinden - aber nicht sonderlich viel mit den Nachdenkseiten und dem Konflikt zwischen Lieb und Müller zu tun. Ich betrachte dieses Blog schon seit Längerem äußerst skeptisch und benutze es eigentlich nur noch als "Nachrichtenfilter", damit ich mich auf der Suche nach wichtigen Infos nicht ständig selber durch die grotesken Informationswüsten von Spiegel, FAZ, Welt, Zeit & Co. klicken muss. Die Beiträge von Müller und seinen Mitstreitern habe ich meist gar nicht gelesen - ausgenommen die Texte von Lieb zur mutwilligen Zerstörung des Hochschulwesens, die oft wertvoll waren.

Ansonsten dreht die Welt sich weiter, und das - offensichtlich auch in Kleinbloggersdorf - stetig nach rechts.

Liebe Grüße!