Donnerstag, 25. Mai 2017

Zitat des Tages: Die verdiente Revolution


Der unbeirrbare Stumpfsinn, mit dem diese Kapitalisten ihre törichte Geldpolitik fortsetzen, immer weiter, immer weiter, bis zur Ausblutung ihrer Werke und ihrer Kunden, ist bewundernswert. Alles, was sie seit etwa zwanzig Jahren treiben, ist von zwei fixen und absurden Ideen beherrscht: Druck auf die Arbeiter und Export.

Für diese Sorte sind Arbeiter und Angestellte, die sie heute mit einem euphemistischen und kostenlosen Schmeichelwort gern "Mitarbeiter" zu titulieren pflegen, die natürlichen Feinde. Auf sie mit Gebrüll! Drücken, drücken: Die Löhne, die Sozialversicherung, das Selbstbewusstsein – drücken, drücken! Und dabei merken diese Dummköpfe nicht, was sie da zerstören. Sie zerstören sich den gesamten inneren Absatzmarkt.

Sie scheinen ihn nicht zu wollen – dafür haben sie dann den Export. Was dieses Wort in den Köpfen der Kaufleute angerichtet hat, ist gar nicht zu sagen. Ihre fixe Idee hindert sie nicht, ihre Waren auch im Inland weiterhin anzupreisen; ihre Inserate wirken wie Hohn. Wer soll sich denn das noch kaufen, was sie da herstellen? Ihre Angestellten, denen sie zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel geben, wenn sie sie nicht überhaupt auf die Straße setzen? Die kommen als Abnehmer kaum noch in Frage. Aber jene protzen noch: dass sie deutsche Werke seien, und dass sie deutsche Kaufleute und deutsche Ingenieure beschäftigen – und wozu das? "Um den Weltmarkt zu erobern!"

So schlau wie die deutschen Kaufleute sind ihre Kollegen jenseits der Grenzen noch alle Tage. Es setzt also überall jener blödsinnige Kampf ein, der darin besteht, einen Gegner niederzuknüppeln, der bei vernünftigem Wirtschaftssystem ein Bundesgenosse sein könnte. Die Engländer preisen rein englische Waren an, die Amerikaner rein amerikanische, und das Wirtschaftsinteresse tritt als Patriotismus verkleidet auf. Eine schäbige Verkleidung, ein jämmerlicher Maskenball. (...)

Wie immer in ungesunden Zeiten ist der Kredit in einer geradezu sinnlosen Weise überspannt. Das Wort "Wucher" ist ganz unmodern geworden, weil der Begriff niemand mehr schreckt, er erscheint normal.

Nun haben aber Kartelle und kurzfristige Bankkredite die Unternehmungslust und die sogenannte "freie Wirtschaft" völlig getötet – es gibt sie gar nicht mehr. Fast jeder Unternehmer und besonders der kleinere ist nichts als der Verwalter von Bankschulden; geht's gut, dann trägt er den ungeheuren Zins ab, und geht's schief, dann legen die Banken ihre schwere Hand auf ihn, und es ist wie in Monte Carlo: die Bank verliert nicht. Und wenn sie wirklich einmal verliert, springt der Steuerzahler ein: also in der Hauptsache wieder Arbeiter und Angestellte. (...)

Wo steht geschrieben, dass es gerettet werden muss? Warum ist die Menschheit nicht stärker als dieser Popanz? Weil sie den Respekt in den Knochen hat. Wiel sie gläubig ist. Weil man sie es so gelehrt hat. Und nun glaubt sie. (...)

Doch schweigen sie [die Politiker und "Wirtschaftsführer", Anm.d.Kap.] nicht. Sie haben die Dreistigkeit, unter diesen Verhältnissen noch "Vertrauen" zu fordern, dieselben Männer, die das Unglück verschuldet haben. Und keiner tritt ab, nur die Gruppierung ändert sich ein wenig. Das verdient die schärfste Bekämpfung. (...)

Bleiben die Wirtschaftsführer bei dieser ihrer Wirtschaft, dann ist ihnen die verdiente Revolution sicher.

(Auszüge aus: Kurt Tucholsky [1890-1935]: "Die Herren Wirtschaftsführer", in: "Die Weltbühne", Nr. 33 vom 18.08.1931)

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Hamburger Werftarbeiter



(Gemälde von Heinrich Vogeler [1872-1942] aus dem Jahr 1928, Öl auf Leinwand, Eremitage, St. Petersburg, Russland)

4 Kommentare:

epikur hat gesagt…

Manche Denker waren ihrer Zeit weit voraus.

Beim Kapitalismus ist es wie bei der Matrix: alle paar Dekaden bricht alles grandios zusammen und wird resettet. Solange bis wieder der nächste Crash aka Weltkrieg kommt. Und dann geht der ganze Schwachsinn von vorne los.

Mabel - Joy hat gesagt…

Also ich finde Schland ist auf einem guten Weg!

Das mit dem Inland und den Exportüberschüssen ins Ausland hat man praktisch gelöst. No borders, no nation, no people! Also kein Inland, sondern eine große Weltgemeinschaft, die sich natürlich wie das unter so verschiedenen Geschwistern üblich ist , auch schon mal sehr heftig streitet. Man kann sich ja nicht immer lieb haben. Natürlich braucht das no people auch keine besondere Interessenvertretung . Geht ja gar nicht. Sind ja immer nur ein paar , die durchblicken, die anderen wollen ja absolut das Falsche, weil zu doof.

Wir sind alle Eins, vor allem im race to the bottom und wehe uns will jemand daran hindern. Dann stehen wir alle in Treue fest zusammen. Unten ist es zwar eng, aber warm.Hauptsache: No borders,no nation, no people! Alles andere kann man doch ganz easy verschmerzen, wenn man nicht geschwisterlos allein ist.

Charlie hat gesagt…

@ Epikur: Diese "Verschwörungstheorie" (es erklingt ein irres Kichern aus dem Off) darf man aber nicht öffentlich äußern - jedenfalls nicht in einem "seriösen Rahmen" -, sonst gehört man unverzüglich zu den Aluhutträgern, Rechtsextremen, Russlandtreuen, Linksterroristen oder sonstigen Aussätzigen. ;-)

Ich tu es trotzdem und pflichte Dir bei: Selbstverständlich stimmt Deine Aussage.

Liebe Grüße!

Charlie hat gesagt…

@ Mabel - Joy: Einmal mehr weiß ich nicht, worauf Du genau hinaus willst. Findest Du es nun erstrebenswert, wieder mehr Wert auf die "Nation", die "Staatsgrenzen" und das "Völkische" zu legen - in feiner Abgrenzung zu den "Undeutschen" -, oder wie ist Deine Anmerkung sonst gemeint? Korrigiere mich, falls ich falsch liege, aber mit einem solchen rückwärtsgewandten, menschenfeindlichen, rassistischen Kram habe ich nicht nur nichts am Hut, sondern verurteile und bekämpfe ihn auch auf das Schärfste.

Es gehört jedenfalls mehr als eine gehörige Portion Dummheit dazu, nach nur 90 Jahren erneut die Lösung der kapitalistischen Zerstörungsorgie in der Konzentration auf den "Nationalstaat" und das "deutsche Volk" zu suchen - so als habe die Geschichte gar nicht stattgefunden, die nun so deutlich, wie es deutlicher wirklich nicht mehr geht, bewiesen hat, welch ein Irrsinn das war und selbstverständlich auch wieder wäre.

Manchmal komme ich nicht umhin, mich der Meinung der unbekannten Lebensform aus einer frühen Star-Trek-Folge anzuschließen, welche die Crew der "Enterprise" und Captain Picard schlicht als "intelligenzfeindliche, größtenteils wassergefüllte Beutel" bezeichnet hat. Auf die AfD und ähnliche Rechtsradikale trifft das perfekt zu.

Wie gesagt: Bitte korrigiere mich, falls ich Dich falsch verstanden habe.

Liebe Grüße!