Bei Zeit Online war vor einigen Tagen ein Text von einer gewissen Karin Finkenzeller zu lesen, der sehr anschaulich verdeutlicht, in welchen intellektuellen Jauchegruben des untergehenden Ferengi-Reiches ein Großteil der deutschen KuhjournalistInnen – verzweifelt nach Luft schnappend – herumtaucht. Die Dame stellt fest: "Frankreich ist reformunwillig" und meint damit die Mehrheit der französischen Bevölkerung, die aus sehr nachvollziehbaren Gründen keine Lust auf kapitalistische Zerstörungsorgien hat, wie sie Schröder und Fischer beispielsweise in Deutschland nachhaltig betrieben haben und von Merkel, Westerwelle und Gabriel ebenso nachhaltig fortgesetzt (und auch exportiert) wurden und werden.
Trotzdem hat Macron nicht nur die Präsidentschaftswahl gewonnen, sondern – auch aufgrund der historisch geringen Wahlbeteiligung – nun mit seiner "neuen Partei" auch die absolute Mehrheit im Parlament errungen. Wie kann denn so etwas sein, fragt sich der unbedarfte Leser fassungslos? Finkeneinzeller weiß die Antwort:
Die Franzosen bräuchten sich ja nur an der Wahl zu beteiligen und Oppositionspolitikern ihre Stimmen zu geben, könnte man nun sagen.
In der Tat, das "könnte" man sagen – andererseits wären dafür auch tatsächliche Optionen für eine wirkliche, antikapitalistische Opposition nötig, und die gibt es in Frankreich ebensowenig wie in Deutschland oder anderen durchökonomisierten Pseudodemokratien des Westens. Eine solche "radikale" Position kann und darf eine Kuhjournalistin natürlich niemals einnehmen – das gilt insbesondere dann, wenn sie sogar lediglich angekündigte [sic!] Streiks gegen die von Macron geplanten Deformierungen und Zerstörungen des Arbeitsrechtes unverhohlen und ohne jede Ironie "radikalen Gewerkschaften" in die Schuhe schiebt. Spätestens an dieser Stelle ist jedem Mitlesenden klar, vor welchen braunen Winden die Dame segelt, denn Streiks sind aus ihrer Sicht lediglich ein fieses, zu verdammendes, kommunistisch-teuflisches Instrument, das ein Land "über Wochen zum Teil" lahmlegen könne. Das kostet die "Elite" doch Geld bzw. Profit und darf daher niemals vorkommen, sonst zürnt am Ende noch das goldene Kalb und bringt Pestwolken über die Ungläubigen!
Frau Hinkelstein ergeht sich weiter in glühenden, speichelleckenden Vokabeln wie dem "Reformpräsidenten", dem "Respekt vor der Leistung seiner Bewegung" und ähnlich semireligiösen Schleimereien, die zumindest bei mir einen üblen, krätzeähnlichen Gehirnausschlag hervorrufen, die im Paralleluniversum des sabbernden Irrsinns aber zum allgemeinen, guten Schlips-Borg-Ton gehören. Auch die Beschwörung der politischen "Vielfalt", die es zuvor gegeben habe, darf in diesem realitätsfremden Untergangsreigen nicht fehlen – das kennen wir alles schon aus Deutschland, wo in derselben Presse ebenfalls unentwegt und wie von Sinnen behauptet wird, CDU/CSU, SPD, Grüne, Linke, FDP und AfD unterschieden sich signifikant voneinander, während jeder, der einfach hinsieht, nur kapitalistischen Einheitsbrei in verschiedenen Brauntönen samt entsprechender Duftnote wahrnimmt. Madame Hinkebein ist sich auch nicht zu blöde, gleich noch explizit darauf hinzuweisen, dass die ganz große Koalition doch gar nicht so schlimm – und letzten Endes auch nichts anderes als die "neue Partei" in Frankreich – sei:
Das erinnert ein wenig an die lange Jahre in Deutschland vertretene Auffassung, große Koalitionen seien wegen der Gefahr einer Stärkung der Extremen zu vermeiden, eine Demokratie brauche eine handlungsfähige Opposition.
Was soll man dazu noch sagen, wenn man nicht sowieso kontinuierlich brechen muss. Wenn es nur eine Einheitspartei gibt, deren Blöcke letztlich alle dieselben elitären Ziele verfolgen, ist es in der Tat nur folgerichtig, wenn man auf so etwas Albernes wie eine parlamentarische Opposition gänzlich verzichtet. Die Parteien in Deutschland haben das längst begriffen und führen nur noch ein leicht durchschaubares Affentheater auf, das "Wir spielen parlamentarische Demokratie für die Kameras der Propaganda" heißt – in Frankreich beginnt diese böse Schmierenkomödie allerspätestens jetzt ebenfalls. Und die Journaille klatscht brav Beifall und suhlt sich wonnevoll mit den Räuberbanden im menschenfeindlichen Dreck.
Anmerkung: Ich rate dringend dazu, die Kommentare drüben bei Zeit Online zu diesem furchtbaren Erguss nicht zu lesen – wer sein Gehirn liebt oder es zumindest nicht hasst, muss diesen degenerierten Pfuhl unbedingt meiden, um bleibende Schäden zu verhindern.
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Der flammende Leitartikel
(Zeichnung von Thomas Theodor Heine [1867-1948], in "Simplicissimus", Heft 47 vom 16.02.1925)
2 Kommentare:
Wundert dich das wirklich? Es ist doch normal dass "Reformen", die nix andres sind als Zerstörungen, heute wie sauer Bier angepriesen werden. Es geht hier nicht darum den Kapitalismus für die Mehrheit besser zu machen, sondern darum den Investoren Profite auszuschütten. Sie wollen Geld, auf Deibel komm raus. Nix andres. Das ist ihr Ziel und danach handeln sie.
Radikale Gewerkschaften? Gibt es am Ende sogar vereinzelt noch Organisationen, die nicht die Interessen der Superreichen vertreten? Unerhört! Das gehört verboten! Terroralarm!
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