Freitag, 18. Dezember 2009

Die Bologna-Depression. Rede vor Studenten

Was hat der Freitod eines höchst erfolgreichen Fußballtorwarts, der glücklich verheiratet und Einkommensmillionär war, mit den derzeitigen Protesten deutscher Studentinnen und Studenten gegen den "Bologna-Prozess" und für eine bessere Hochschule zu tun? Ich will zunächst etwas über das Bachelor-of-Arts-Studium (BA) sagen und dann auch auf Robert Enke zu sprechen kommen.

Pro Studienjahr gilt es 60 "Credit-Points" genannte Leistungspunkte zu erwerben; diese entsprechen einem "Workload" genannten Aufkommen von 1.800 Arbeitsstunden, so dass ein Studienjahr jetzt 45 Arbeitswochen à 40 Stunden umfasst. Es verbleibt der Anspruch auf einen siebenwöchigen Jahresurlaub. Diese Denkweise setzt den Vollzeitstudenten voraus, der ohne Brot-Jobs und Nebentätigkeiten auskommt – Voraussetzungen, die nur einer Minderheit der Studierenden vergönnt sind. Von daher ist es ein realitätsfremdes Konzept.

Viele Studierende klagen über die Zumutungen eines ganz normalen Arbeitnehmer-Alltags, denen das BA-Studium sie aussetzt. In der Tat: Das Creditpoints- und Workload-Denken lehrt das Studium wie einen Acht-Stunden-Bürotag zu verstehen; um 17 Uhr fällt der Griffel, und das Büffeln hat ein Ende. Dieses Denken stiftet lebenslange Lust auf Erkenntnis nicht an, sondern tötet sie eher ab. In Ihrem Protest sprechen Sie mit der Parole "Keine geistige Lehre, nur fleißiger Leerlauf" diesen Punkt an.

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