Mittwoch, 21. Juli 2010

Krieg: Die deutsche Militärdoktrin

  1. Welchen Auftrag hat das deutsche Militär? Vom Grundgesetz her nur den Verteidigungsauftrag. Insofern hatte Jürgen Trittin, Vorsitzender der Grünen, recht, als er die vom bisherigen Bundespräsidenten Horst Köhler auf dem Rückflug von Afghanistan, seiner letzten Dienstreise, holprig, aber deutlich gegebenen Hinweise auf die wirtschaftlichen Interessen, denen die Bundeswehr diene, als grundgesetzwidrig beanstandete. Aber diese auch von sozialdemokratischen Politikern geäußerte Kritik sorgte nicht für Klarheit über den tatsächlichen Auftrag des deutschen Militärs, im Gegenteil: Sie verschleierte, dass die Bundeswehr schon jahrzehntelang, spätestens seit dem Ende des Warschauer Pakts, nicht defensiv, sondern offensiv ausgerichtet ist, dass in den geltenden "Verteidigungspolitischen Richtlinien" seit 1992 die "Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des ungehinderten Zugangs zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt" als militärische Aufgaben benannt sind, dass seitdem alle Regierungsparteien und -koalitionen, auch Rot-Grün, diese imperialistische Militärdoktrin gebilligt und angewendet haben und dass diese Doktrin inzwischen – der Öffentlichkeit verborgen – noch ausgeweitet worden ist und jetzt auch die militärische Gewaltanwendung im Innern umfasst.

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  2. Der Krieg in Afghanistan, der nunmehr fast doppelt so lange dauert wie der Zweite Weltkrieg, wurde mit der Lüge begonnen, dass es sich um einen Abwehrkampf handele, der nach den verbrecherischen Anschlägen des 11. September 2001 gegen einen menschenverachtenden Terrorismus geführt werden müsse – als völkerrechtlich erlaubte Notwehr und Selbstverteidigung. Doch auf den noch qualmenden Trümmern des World Trade Center hatte US-Präsident George W. Bush zum "Kreuzzug gegen den Terrorismus" aufgerufen, von "jagen" und "ausräuchern" gesprochen, Rache und Vergeltung geschworen, in Wildwest-Manier die Auslieferung des Hauptverdächtigen Osama bin Ladin "dead or alive" gefordert. All dies hatte mit Völkerrecht nicht das Geringste zu tun und wirft daher gerade für Deutschland und seine Bundeswehr die Frage nach der grundsätzlichen Verfassungsmäßigkeit dieses Militäreinsatzes auf.

    Mehr noch: Der im Oktober nach kürzester Vorlaufzeit begonnene Einmarsch in Afghanistan war seit Jahren von der US-Regierung geplant und vorbereitet worden. So berichtete Bob Woodward in seinem mit dem Pulitzer-Preis gekrönten Artikel über paramilitärische Geheimverbände der CIA, dass "die Spezialeinheiten seit 1997 in Afghanistan ein und aus gingen und dabei immense operative Erfahrungen gesammelt sowie wichtige Kontakte, insbesondere mit der Nord-Allianz, geknüpft" hätten. Da nimmt es nicht Wunder, dass die Operationspläne für die Invasion in Zentralasien seit April 2001 – ein halbes Jahr vor 9/11 – fertig in den Schubladen des Pentagons gelegen hatten. Michael Meacher, Minister im Kabinett von Tony Blair, gab später zu Protokoll, dass der britische Premierminister vor dem "Commons Liaison Committee" ausgesagt hatte: "Ehrlich gesagt hätte es ohne das Geschehen vom 11. September keine Möglichkeit gegeben, die öffentliche Zustimmung für einen plötzlichen Angriff auf Afghanistan zu erhalten."

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  3. (...) Die Wende 1989/90 wurde vom deutschen Kapital als befreiender Dammbruch verstanden, weil in deren Folge die profithemmende, durch die Existenz der realsozialistischen Staaten erzwungene Rücksichtnahme auf das Gemeinwohl nach vierzig Jahren überflüssig geworden schien. Seit dieser Zeit wird in Deutschland bei einem Thema in einem bis dato nicht erlebten Ausmaß gelogen, dass sich die Balken biegen: in der Begründung für Auslandseinsätze der Bundeswehr. Und das kam so:

    Die selbsternannte vermögende Elite dieses Landes wollte nach dem Wegfall der von den Siegermächten des Zweiten Weltkrieges auferlegten Fesseln mit der zurückgewonnenen vollen Souveränität wieder unbefangen die Streitkräfte in ihrer traditionellen Rolle einsetzen: zur Absicherung ihrer ökonomischen Interessen. Die herrschende Klasse der Verbündeten in Nato und EU hatte dies schließlich in ungebrochener historischer Kontinuität von 1945 bis 1990 vorgemacht. (...) Hinzu kam der Druck der Nato-Führungsmacht, verpackt in den Euphemismus von "Partnership in Leadership". So wurde denn unmittelbar nach dem Fall der Berliner Mauer in den Führungsetagen der Bundeswehr und des Verteidigungsministeriums heftig über neue Aufgaben für die einstige Armee zur Kriegsverhinderung nachgedacht, der so urplötzlich der Feind abhanden gekommen war. Das Ergebnis waren die ersten "Verteidigungspolitischen Richtlinien" von 1992, deren Kernüberlegungen zur militärischen Absicherung von Wirtschaftsinteressen auf einem Papier des späteren Generalinspekteurs und danach Vorsitzenden des Nato-Militärausschusses, Klaus Naumann, beruhen.

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Anmerkung: Es liegt alles offen und unverdeckt auf dem Tisch - die genannten "Verteidgungspolitischen Richtlinien" ebenso wie alle anderen in den Texten erwähnten Dokumente und Informationen, die klar belegen, dass der Einsatz der Bundeswehr (nicht nur) in diesem Krieg klar verfassungswidrig ist und der Krieg als solcher gegen das Völkerrecht verstößt. Nur leider hat das - wie gewohnt - keine Konsequenzen.

Das erwähnte Zitat des Blair-Kumpanen Michael Meacher sollte jeden aufhorchen lassen, der angesichts der merkwürdigen Ereignisse am 11. September 2001 weiterhin ein flaues Gefühl in der Magengegend verspürt.

Kämpfen "wir" aktuell eigentlich gerade gegen Ozeanien oder Eurasien? - Und als Tipp für alle, die aufgrund der andauernden Raubzüge der neoliberalen Bande am Monatsende kein Geld mehr übrig haben, um sich Toilettenpapier zu leisten: Hier kann man das Grundgesetz der BRD kostenlos online bestellen. Irgendeinen Sinn sollte es ja noch erfüllen - in Berlin schert sich offensichtlich niemand mehr darum.

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