Dienstag, 8. Februar 2011

Deutsche Waffen in Ägypten - und Westerwelle schwadroniert von "Menschen- und Bürgerrechten"

  1. (...) Es ist wie im Tollhaus: Europas konservative Spitzenpolitiker beklagen die Zustände in Ägypten. Wie zuvor in Tunis. Und wie morgen vermutlich in Saudi Arabien. Oder in den Vereinigten Emiraten. Oder in Jordanien. Warum haben Sie bisher zu den "berechtigten Beschwerden" geschwiegen? - Deutschlands Medien entdecken, dass in Tunesien und in Ägypten Diktatoren walten. Warum entdecken Sie das erst jetzt?

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  2. (...) Als der ägyptische Diktator Husni Mubarak vor wenigen Monaten auf Staatsbesuch in Deutschland war, bezeichnete Außenminister Westerwelle [ihn] noch als "Mann großer Weisheit mit einem festen Blick für die Zukunft". Selbstverständlich wusste Westerwelle damals schon, dass "der Mann großer Weisheit" in seinem Land die Menschenrechte mit Füßen tritt, zehntausende politische Häftlinge eingekerkert hat und jegliche oppositionelle Tätigkeit mit äußerster Brutalität unterdrückt. Die Begriffe "Demokratie" und "Menschenrechte" sind für unsere Politiker jedoch zum Inhalt von Wahlwerbespots und Sonntagsreden verkommen und werden nur dann ins Spiel gebracht, wenn dies "deutschen Interessen" [sic!] dient – das Wohlergehen des ägyptischen Volkes gehört dabei nicht zwingend zu den "deutschen Interessen".

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  3. (...) Bundesaußenminister Guido Westerwelle erklärte, "der Weg zur Stabilität führt über die Wahrung der Menschen- und Bürgerrechte". Erklärungen wie diese "wirken heuchlerisch angesichts der Tatsache, dass Deutschland zu den Hauptwaffenlieferanten der diktatorischen Machthaber in Ägypten zählt", sagte Jürgen Grässlin, Bundessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) und Vorsitzender des RüstungsInformationsBüros (RIB e.V.). Der Freiburger Rüstungsexperte wirft der Bundesregierung vor, dass sie 2009 gegenüber dem Vorjahr "mehr als eine Verdoppelung der Lieferungen von Waffen und Rüstungsgütern an Ägypten genehmigt" habe. So sei der Genehmigungswert von 33,6 Millionen Euro (2008) auf 77,5 Millionen Euro (2009) "dramatisch gesteigert worden".

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Anmerkung: Wo bleiben die Aufschreie - zuerst in den Massenmedien, dann auch endlich in der Bevölkerung - angesichts dieser heuchlerischen, skandalösen Fakten? Da ist ausführlich dokumentiert, wie die neoliberale Bande die diktatorischen Regimes jahrzehntelang, natürlich des Geldes wegen, hofiert hat, und jetzt, da die Paläste dort brennen, lassen diese Gesellen sowie die zugehörigen Hofberichterstatter ihre hohlen Phrasen von der "Demokratie und den Menschen- und Bürgerrechten" vom Stapel. Diese schamlose und offensichtliche Heuchelei ist nicht auszuhalten!

Ben Ali war für die Konrad-Adenauer-Stiftung ein "ausgezeichneter Partner", Mubarak war für Westerwelle ein "Mann großer Weisheit mit einem festen Blick für die Zukunft" - man kann gar nicht genug Orwell lesen, wenn man die heutigen Äußerungen derselben Institutionen und Personen zu exakt denselben Diktatoren wahrnimmt. Wer gestern noch vehement "weiß" sagte, schreit heute wie selbstverständlich "schwarz" - und kein Journalist kommt auf die naheliegende Idee, diese Leute einfach laut auszulachen und der dreisten Lüge zu bezichtigen. Westerwelle darf beispielsweise in der Aktuellen Kamera seine dämlichen Phrasen über "Menschen- und Bürgerrechte" abladen und wird selbstredend nicht gefragt, wieso er kurze Zeit vor den Aufständen noch eine komplett andere, konträre Meinung vertreten hat.

Diese verlogene Bande samt zugehöriger Presse unterscheidet sich nicht im Geringsten von den Zuständen in der arabischen Welt. Nur wir unterscheiden uns von den Bevölkerungen dort - wir sind nämlich immer noch so strunzblöd, dass wir das auch weiterhin mit uns machen und uns dabei auch noch einreden lassen, dass wir ja in "freiheitlich-demokratischen" Verhältnissen lebten.

Nicht nur Orwell, auch Kafka hätte seine helle Freude an unseren "freiheitlich-demokratischen" Zuständen, und beide kämen aus dem irren Lachen nicht mehr heraus, wären sie anwesend. Man muss sich das immer wieder auf der Zunge zergehen lassen: Westerwelle stellt öffentlich fest, Mubarak sei ein "Mann großer Weisheit mit einem festen Blick für die Zukunft", gleichzeitig wird der Waffen- und Rüstungsexport nach Ägypten innerhalb eines einzigen Jahres verdoppelt, und kurze Zeit später stellt sich derselbe Hanswurst hin und schwadroniert darüber, "der Weg zur Stabilität [in Ägypten] führt über die Wahrung der Menschen- und Bürgerrechte". Viel mehr als lautes, irres Lachen ist da als Reaktion kaum möglich.

Dies sind nur Einzelbeispiele - der Rest der neoliberalen Bande hat sich ganz genauso verhalten. Wie schrill muss diese Groteske eigentlich noch werden, bis der erste Moderator der Aktuellen Kamera in einer seiner Lügen-Vorlese-Shows einen hysterischen Anfall erleidet und sich kreischend büschelweise die Haare ausreißt? Und wie lange dauert es noch, bis es in unseren Städten endlich so aussieht wie auf diesem Bild aus Kairo?


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