Freitag, 27. März 2015

Realitätsflucht (18): Fable - The Lost Chapters


Meine heutige Flucht führt mich ins Fantasyreich "Albion", dem Handlungsort des PC-Rollenspiels "Fable - The Lost Chapters" (Lionhead Studios) aus dem Jahr 2005, das auf dem Konsolenspiel "Fable" aus dem Jahr 2004 basiert. Dieses Spiel war das allererste Rollenspiel dieser Art, das ich vor einigen Jahren überhaupt gespielt habe - deswegen hat es eine besondere Bedeutung für mich, da ich mich noch sehr gut an die Begeisterungsstürme, die es seinerzeit bei mir ausgelöst hat, erinnere.

2012 ist eine überarbeitete "Anniversary"-Version erschienen, was ich nun zum Anlass genommen habe, diese erste Spielerfahrung noch einmal zu wiederholen. Ich musste allerdings schnell feststellen, dass man das Spiel in weiten Teilen konsequent "verschlimmbessert" hat: Neben allerlei Bugs, die es zuvor nicht gab, ist hier insbesondere das komplett geänderte Menü zu nennen. Das ursprüngliche Menü war zwar ebenfalls kein großer Wurf, aber es war benutzbar, und darauf kommt es in einem solchen Spiel, in dem man diese Funktion relativ häufig benötigt, an. Die neue Version ist vollkommen unübersichtlich, potthässlich - und vor allem in der Bedienung komplett unbrauchbar, da das Menü sich - anders als in der alten Version - nicht einmal mit der Maus bedienen lässt, sondern exotische Tasten wie "Pos1" oder "Ende" bemüht. Ich habe mich drei quälende Stunden damit herumgeärgert, das Spiel dann entnervt wieder von der Platte entfernt und stattdessen die ursprüngliche Version gestartet. Um diese geht es im Folgenden.

"Fable" ist ein typisches Rollenspiel mit einer recht spannenden, wunderbar erzählten und teils sehr dramatischen Geschichte, über die ich hier nicht mehr verraten möchte. Der Spieler startet als Kind, erlebt die Kindheit und Jugend des späteren Helden quasi als Tutorial, bis er schließlich als junger, unerfahrener Heldenanwärter nach "Albion" aufbricht, um als Schwertkämpfer, Bogen- bzw. Armbrustschütze oder Magier (oder einer Kombination aus allen diesen) mannigfaltige Abenteuer zu bestehen und letztlich - natürlich - einmal mehr das ganze Land vor dem Untergang zu retten.


Im ersten "Bosskampf" tritt man gegen den Oberräuber "Zwillingskling" an.

Im Grunde handelt es sich um eine offene Welt - allerdings werden gewisse Areale erst später im Spiel freigeschaltet, wenn man bestimmte Aufgaben erfüllt und eine gewisse Stärke erreicht hat. Einen besonderen Schwerpunkt legt das Spiel auf die Atmosphäre: Dazu tragen fantasievoll und detailreich gestaltete, ziemlich unterschiedliche Areale ebenso bei wie der Tages- und Nachtrhythmus, der Wetterwechsel und die besonders zu lobende Musik, die tatsächlich im positiven Sinne Ohrwurmcharakter besitzt und ein unverwechselbares "Fable"-Gefühl produziert.

Das Spiel hat neben den üblichen Haupt- und Nebenquests, die es zu erledigen gilt, eine Menge Details zu bieten, die von verschiedenen Mini-Games bei Abzockern, die man in jeder größeren Stadt findet (u.a. Blackjack, Memory, Münzenschießen etc.), über einen Angel-Wettbewerb bis hin zu wunderbar prolligen Faustkämpfen reichen. Überall sind mehr oder weniger versteckte Truhen, vergrabene Schätze oder im Wasser verborgene Kostbarkeiten zu finden, wodurch der Anreiz, die Welt akribisch zu durchsuchen, gestärkt wird. Oft lohnt sich das, denn so lassen sich nicht nur wertvolle Gegenstände, die man verkaufen kann, finden, sondern auch Heiltränke, besondere Waffen oder Rüstungsteile sowie die im Spiel besonders wichtigen Silberschlüssel. Diese benötigt man, um besondere Truhen zu öffnen, in denen sich immer legendäre Gegenstände befinden. Fast schon sagenhaft sind die sprechenden sogenannten "Dämonentüren", von denen man in "Albion" eine ganze Reihe findet: Diese stellen dem Spieler jeweils eine bestimmte, manchmal auch verschlüsselte Aufgabe, die es zu erledigen gilt, bevor die Tür sich öffnet und ihre stets wertvollen oder nützlichen Schätze preisgibt.

Man kann sich frei entscheiden, ob man einen "guten" Helden oder einen "bösen" Tyrannen spielen möchte. Diese Entscheidung beinhaltet teilweise unterschiedliche Nebenquests und hat neben der Reaktion der Bevölkerung auf den Protagonisten (Jubel bzw. Angst und Flucht) insbesondere eine optische Konsequenz: Der Held erhält im weiteren Spielverlauf tatsächlich einen wunderbar kitschigen Heiligenschein, während dem Schurken allmählich diabolische Hörner aus der Stirn wachsen. Genauso ironisch wie dieses Detail sind weite Passagen des Spiels, das neben der ernsten, dramatischen Hauptgeschichte auch eine Menge Humor zu bieten hat.

Der Spieler kann Handel treiben, Häuser und Läden erwerben, sich verlieben, heiraten, Kinder bekommen, andere Leute bestehlen, ganze Städte ausrauben, wahllos morden und vieles mehr - alle diese Handlungen haben aber Konsequenzen, die man vorher bedenken sollte. Viel mehr will ich dazu gar nicht verraten.

Die deutsche Sprachausgabe ist äußerst gelungen und professionell umgesetzt. Das Spiel (wohlgemerkt: nicht die "Anniversary"-Version) ist frei von Bugs und läuft unter Win7/64 perfekt stabil (das Programm ist in beiden Spielverläufen kein einziges Mal abgestürzt). Der einzige wirkliche Kritikpunkt, der mir einfällt, ist die mangelhafte Speichermöglichkeit: Es gibt keine Schnellspeicherfunktion, und auch über das Menü lässt sich lediglich der "Helden-Spielstand" abspeichern, was zur Folge hat, dass man eine mit einer Bildschirmmitteilung begonnene Quest erst beenden muss, bevor man speichern und das Spiel beenden kann - ansonsten fängt man bei der nächsten Spielsession wieder am Beginn der besagten Quest an.

Es mag sein, dass ich "Fable" durch eine leicht rosa gefärbte Brille betrachte, da es ja mein "erstes Mal" in Sachen Rollenspiele gewesen ist - ich habe aber tatsächlich ansonsten nichts an diesem Spiel auszusetzen und betrachte es als eines der ganz Großen dieses Genres, das mir beim zweiten Mal genauso viel Spaß gemacht hat wie zuvor.


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