Montag, 11. Mai 2015

Musik des Tages: Sinfonie Nr. 5 in cis-moll




  1. Trauermarsch. In gemessenem Schritt. Streng. Wie ein Kondukt
  2. Stürmisch bewegt. Mit größter Vehemenz
  3. Scherzo. Kräftig, nicht zu schnell
  4. Adagietto. Sehr langsam
  5. Rondo-Finale. Allegro - Allegro giocoso

(Gustav Mahler [1860-1911]: "Sinfonie Nr. 5 in cis-moll" aus den Jahren 1901 bis 1904. World Orchestra for Peace, Leitung: Waleri Gergijew, 2010)

Anmerkung: Gustav Mahler war sich bewusst, dass er mit dieser Komposition im Begriff war, die bis dahin seit Jahrhunderten gültigen Begrenzungen des tonalen Raumes endgültig zu verlassen - eine Entwicklung, die ihn in massive Selbstzweifel und Ängste gestürzt hat, wie sie sich beispielsweise in einem Brief an seine Frau Alma wiederfinden, den er nach der Generalprobe zur Uraufführung in Köln 1904 schrieb:

Es ist alles passabel gegangen. Aber das Publikum - o Himmel - was soll es zu diesem Chaos, zu diesen Urweltsklängen, zu diesem sausenden, brüllenden, tosenden Meer für ein Gesicht machen? Was hat eine Schafherde zu einem "Brudersphären-Weltgesang" anderes zu sagen, als blöken!? O, könnt' ich meine Symphonien fünfzig Jahre nach meinem Tode uraufführen! Jetzt gehe ich an den Rhein, - der einzige Kölner, der nach der Premiere ruhig weiter seinen Weg nehmen wird, ohne mich für ein Monstrum zu erklären!

Dieser Einschätzung des Komponisten, die seinerzeit zunächst erwartbar der furchtbaren, biederen deutschen Realität entsprach, will ich 110 Jahre später nur eine einzige Empfehlung hinzufügen: Man lösche die Lichter, drehe die Musikanlage bis zum gerade noch vertretbaren Anschlag auf und tauche ein in diese fantastische - damals geradezu anarchistische - Klangwelt. Es versteht sich von selbst, dass die barbarische Nazi-Bande Mahlers Musik - nicht allein wegen der jüdischen Herkunft des Komponisten - ab 1933 als "undeutsch" klassifizierte und sie verbot.

Ich habe - ebenso wie Mahler - lange geglaubt bzw. gehofft, dass eine Spezies, die imstande ist, solch grandiose Werke hervorzubringen, auch irgendwann den Weg in eine gute Zukunft finden wird. Heute habe ich diese Hoffnung längst verloren. Die blökende Schafherde ist auch 110 Jahre und viele unsägliche Katastrophen später noch genauso dämlich wie sie es seinerzeit gewesen ist - und dasselbe trifft auf die Verkommenheit, kriminelle Energie und pure Lernresistenz der damals wie heute bis zum an Schwachsinn grenzenden Egoismus degenerierten Finanz- und Macht-"Eliten" dieses gruseligen Planeten zu.

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Der Volkswirt



"Über eine Milliarde Mark wird täglich fürs Essen hinausgeworfen. Wie nützlich könnte man dieses Geld verwenden!"

(Lithografie von Paul Schondorff [1880-?], in "Simplicissimus", Heft 3 vom 20.04.1925)

2 Kommentare:

Kramladen hat gesagt…

Allein der Anfang! Neben dem Titan mein Lieblingsstück Mahlers.

Letzlich ist der Kapitalismus jedoch konsequent, der Mahlers Ausspruch "eine Symphonie zu schreiben, sei mit allen Mitteln der vorhandenen Technik eine Welt aufzubauen" im Alltag umsetzt. Daß er ihn um eine selbszerstörerische Komponente erweitert, ist natürlich zwingend - sonst würde er nicht funktionieren.

Charlie hat gesagt…

@ Kramladen: Für Mahler war diese Musik offenbar ebenfalls ein Fluchtweg - trotz oder vielleicht gerade wegen aller selbstzerstörerischer Tendenzen. Ich bin kein Mahler-Biograf, kann mich also durchaus irren, aber diese Sinfonie hat er selbst in Briefen mit dem folgenden Gedicht von Friedrich Rückert, dessen Lyrik er teilweise auch vertont hat, verknüpft:

Ich bin der Welt abhanden gekommen,
Mit der ich sonst viele Zeit verdorben.
Sie hat so lange von mir nichts vernommen,
Sie mag wohl glauben, ich sei gestorben.

Es ist mir auch gar nichts daran gelegen,
Ob sie mich für gestorben hält;
Ich kann auch gar nichts sagen dagegen,
Denn wirklich bin ich gestorben der Welt.

Ich bin gestorben dem Weltgewimmel,
Und ruh’ in einem stillen Gebiet.
Ich leb’ in mir und meinem Himmel,
In meinem Lieben, in meinem Lied.


Vielleicht kann man diesen Umstand auch für die Erkenntnis nutzen, dass eine Flucht in virtuelle Welten - seien es nun musikalische, literarische, filmische, spielerische oder sonstige - keine Lösung sein kann, sondern lediglich einem Urlaub von der grauenhaften Realität gleichkommt. Der muss aber zweifellos sein, und das - zumindest für mich - immer öfter, damit die finstere Realität zumindest soweit erträglich bleibt, dass sie nicht kontinuierlich Depressionen und suizidale Tendenzen fördert.

Liebe Grüße!