Montag, 13. Juli 2015

Unsere tägliche Propaganda gib uns heute


Kürzlich durfte ich im Online-Angebot meines Lieblingspropagandasenders WDR mal wieder ein Glanzstück und Paradebeispiel für Desinformation und intellektuellen Irrsinn lesen. Unter dem eigentlich bereits alles vorwegnehmenden, hirnschmelzenden Titel "Prognose der Bertelsmann-Stiftung: NRW schrumpft am stärksten" gab dort einer dieser überall anzutreffenden Nachwuchs-Schlipsborg, der sich hier Markus Rinke nennt, seinen üblen Durchfall zum Besten, der im Wesentlichen aus den wiedergekäuten Botschaften des neoliberalen Propagandavereins der superreichen Familie Mohn aus Gütersloh bestand. Wer das lesen will, sollte zuvor eine große Dosis Satirepillen einwerfen oder den Magen vollkommen leeren.

Selbstverständlich enthält der "Artikel" keinerlei Informationen darüber, wer sich hinter dieser "Stiftung" verbirgt, welche perversen Ziele sie verfolgt und an welchen gesellschaftlich-sozialen Katastrophen sie bereits massiv beteiligt war. Derlei Informationen verwirren die BürgerInnen nur, sie sollen schließlich glauben und nicht selber denken. Stattdessen wird hier die große kapitalistische Angstschimäre schlechthin bemüht - nämlich die böse, böse Schrumpfung, die bekanntlich des Teufels ist und im krassen Widerspruch zur heiligen Kuh des gepredigten permanenten Wachstums steht. Entsprechend stumpfsinnig fällt das "Thema des Tages" - unter diesem Motto steht der Beitrag beim WDR allen Ernstes - denn auch aus.

Die "Prognose" der "Bertelsmann-Stiftung" sowie deren Zustandekommen werden ebensowenig erklärt bzw. hinterfragt wie die Stiftung selbst; dem geneigten Leser werden lediglich kleine Bröckchen der "Ergebnisse" sowie der von interessierter Seite erwünschten "Schlussfolgerungen" vorgesetzt - das ist so offensichtliche und dabei so grottenschlechte PR (früher nannte man das einfach Reklame), dass ich mich beim Lesen unwillkürlich bei dem Gedanken ertappt habe, wer um alles in der Welt so einen absurden Blödsinn tatsächlich als "Information" einstufen solle. Vielleicht habe ich aber auch immer noch eine zu hohe Meinung vom kapitalistisch indoktrinierten Menschen.

Ich möchte im Einzelnen gar nicht auf den Schwachsinn eingehen, dafür aber einige Punkte herausgreifen, die aus meiner unmaßgeblichen Sicht eigentlich für fast jeden Menschen, der über ein halbwegs funktionstüchtiges Gehirn und einen IQ auf mindestens Primatenstatus verfügt, klar als strunzdämlicher Bullshit auf Goebbels-Niveau erkennbar sind:

  1. Der "Pflegenotstand": Hier wird wieder einmal das dümmliche Horrorszenario des "steigenden Altersdurchschnitts" der Bevölkerung beschworen, während die zeitgleich vorherrschende Massenarbeitslosigkeit - gerade auch der Jugend - ebenso ausgeblendet werden wie die Horrorzustände im Berufsalltag des Altenpflegers. Wer mieseste Bezahlung (oft nicht einmal auf Sozialhilfeniveau) bei ebenfalls miesesten Arbeitsbedingungen (erzwungene Teilzeit- und Zeitverträge) und überdurchnittliche Belastungen "anbietet", sollte sich nach kapitalistischer Logik nicht darüber wundern, dass nur wenige Menschen Lust verspüren, sich für einen Appel und ein Ei krank zu schuften und die zu Pflegenden dabei trotzdem konsequent vernachlässigen zu müssen.

  2. Die "Konkurrenz" der Städte, Gemeinden und Kommunen: Es fällt mir wirklich schwer, hierzu überhaupt etwas Sinnvolles zu schreiben. Es kann sich eigentlich nur um perverse, schwer therapiebedürftige Irre handeln, die sich ein solches Konzept der "Konkurrenz" zwischen verschiedenen Regionen eines Landes (oder auch zwischen verschiedenen Ländern beispielsweise einer Europäischen "Union") ausgedacht haben. Was soll das denn bitte auch anderes hervorbringen als (bestenfalls) einige wenige "Gewinner" und viele Verlierer, so dass letzlich fast alle im "Rattenrennen" verlieren müssen? Wer konzipiert so etwas und darf trotzdem noch Auto fahren, wählen gehen oder selbstständig einen Kugelschreiber einkaufen? Dieses stumpfsinnige Monopoly-Prinzip gehört ebenso wie das ewige Wachstum heute zu den nicht in Frage zu stellenden heiligen Kühen der neoliberalen Einheitspartei und ihren willfährigen Propagandaorganen: "The winner takes it all" - und der gesamte Rest, also die überwältigende Mehrheit, krepiert einfach. An welche finstere deutsche Zeit erinnert mich das bloß?

  3. Die gottgesandte Lösung: "Der Bürger muss sparen!" - Auch dazu fällt mir kaum etwas über der Gürtellinie Liegendes ein. Da wird laut "Bertelsmann" in der speichelleckenden Kommunalpolitik tatsächlich darüber spekuliert, der "Mittelstandsfamilie auf dem Dorf" die Kosten für den aufgrund des fehlenden öffentlichen Nahverkehrs notwendigen Zweitwagen kurzzeitig zu erlassen - ohne überhaupt darauf einzugehen, dass genau dieser fehlende oder im schlimmsten Fall "privatisierte" und damit massiv verteuerte und verschlechterte Nahverkehr ein Teil des Problems ist. Ebenso spielen dort alberne Fragen keine Rolle, weshalb die "Mittelstandsfamilie" sich diesen seit Jahrzehnten selbstverständlichen Luxus nun plötzlich nicht mehr leisten kann oder warum sich der Mittelstand ohnehin in der Auflösung in Richtung totaler Verarmung befindet, während die selbsternannte "Elite" unablässig immer reicher und reicher und reicher (und kleiner!) wird. Dass ein zunehmender Teil der Bevölkerung, der inzwischen in die Millionen geht, sich längst nicht einmal mehr einen "Erstwagen" oder auch nur eine ernsthafte Teilnahme am sozialen, gesellschaftlichen Leben leisten kann, ist da nur noch eine lästige, erst recht nicht erwähnenswerte Randnotiz. Zusammenhänge gibt es da jedenfalls laut Propaganda gewiss nicht. Diese verarmten, alten, kranken, behinderten oder einfach "ausgesourcten" Verlierer sind natürlich alle selber schuld.

Für einen der Logik verpflichteten Menschen ist es ja auf der Stelle einleuchtend, dass angesichts einer planetaren Überbevölkerung, einer grassierenden Massenverelendung ganzer Kontinente und zunehmemd auch ganzer Bevölkerungsteile innerhalb des "reichen Westens" sowie immer knapper werdender Ressourcen eine natürliche Schrumpfung der globalen Bevölkerung durch weniger Nachwuchs ein sehr sinnvolles Ziel - sogar im Rahmen des perversen kapitalistischen Systems - wäre. Ich möchte gerne einmal die betriebswirtschaftliche Sicht auf diese Frage, die sich bekanntlich durch schnöde Logik nicht beeinflussen lässt, kennenlernen: Vielleicht kann mir hier jemand auf die Sprünge helfen? Läuft das letztlich wieder nur auf "nationale" Interessen und/oder "elitäres" (also faschistisches) Gedankengut hinaus, oder treiben diese Irren ihr lebens- und damit auch menschenfeindliches Spiel einfach immer weiter, auch wider jede Vernunft und Erkenntnis? Wie - falls sie es denn tun - denken Betriebswirtschaftler?

Wenn Superreiche rigorose Sparmaßnahmen - natürlich nicht für sich selbst, sondern für alle anderen und ganz besonders die bereits bis aufs letzte Hemd Verarmten und Schwächsten - verkünden und dabei vom angeblich unabhängigen Staatsfunk derart willfährig unterstützt werden, müsste doch ... [nachfolgende Passage wurde vom Zensor marktkonformen Konsenssucher der Demokratie gestrichen].

Und wer, wie offenbar der Markus Rinke vom WDR, glaubt, dass er aus dieser kapitalistischen Katastrophe mit heiler Haut wieder herauskäme, ist entweder sehr alt, sehr dumm oder sehr, sehr reich.

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Internationale Hilfsbereitschaft


"Nur jetzt die Nerven nicht verlieren! Wir hoffen, Ihnen in vierzehn Tagen einen Rettungsring zuwerfen zu können!"

(Zeichnung von Thomas Theodor Heine [1867-1948], in "Simplicissimus", Heft 18 vom 03.08.1931)

3 Kommentare:

epikur hat gesagt…

Wie Prof. Christoph Butterwegge (einer der wenigen Professoren in Deutschland, die noch nicht gekauft wurden) einmal richtig feststellte: "Der demografische Wandel und die Globalisierung sind die beiden großen Erzählungen dieser Tage." Hinzu würde wohl noch der "Fachkräftemangel" und der "Terrorismus" kommen. Mit diesen vier Mythen wird fast alles begründet: Sozialabbau, Rentenkürzungen, Lohndumping, Überwachung etc.

Charlie hat gesagt…

I'm sorry - aber Herr Butterwegge liegt leider auf genau dem kapitalistischen Kurs, dem die gesamte Linke in Deutschland in schöner Eintracht mit den üblichen korrupten Vasallen aufsitzt: Es geht nicht um "Arbeit", sondern um Besitzverhältnisse.

Butterwegge verkündet gerne Nebelkerzen wie diese: "Man muss dafür sorgen, dass man Arbeitsverhältnisse schafft, von denen die Menschen leben können".

Das ist falsch. Man muss stattdessen dafür sorgen, dass Superreiche ihren grotesken Besitz abgeben müssen, damit alle anderen Menschen endlich daran teilhaben können - und das betrifft natürlich gerade auch die Produktionsmittel. Gerade ein "Armutsforscher" wie Butterwegge sollte solche Binsenweisheiten doch verinnerlicht haben.

Liebe Grüße!

altautonomer hat gesagt…

"Man muss dafür sorgen, dass man Arbeitsverhältnisse schafft, von denen die Menschen leben können". Die SPD brachte das im letzten Wahlkampf auf die Kurzformel "Gute Arbeit".

http://nwmd.de/project/spd-bundestagsfraktion-gute-arbeit/

Dieser Propagandabegriff wurde inzwischen vom DGB, seinen Untergliederungen und sogar der Partei DIE LINKE unkritisch und nicht hinterfragt übernommen. Hört sich ja auch prima an wie "gute Butter" oder "Guter Cop, böser Cop" oder "gute Erträge".