Unsere esoterischen Freunde geben einfach keine Ruhe - kaum glaubt man, dass sie sich mit dem letzten Schlag ins matschige Gehirn endlich eine Pause vom Irrsinn redlich verdient haben und das malträtierte Organ ohnehin irreparabel beschädigt ist, legen sie schon wieder nach. Ich verlinke den Müll, den ich dazu gelesen habe, hier nicht, will aber auf einen Aspekt eingehen, der viele dieser Eso-Spinner - heute wie damals - eint: Nämlich das Streben nach einem "Evolutionssprung" bzw. einem "neuen Menschen".
Exemplarisch zitiere ich dazu die Kommentatorin "Angela Ebert", die diese These bei "Jenseits der Realität" mithilfe ihrer bescheidenen sprachlichen Mittel versucht hat auszuformulieren:
Es ist der emphatische Mensch der die nächste Stufe des Mensch-SEINS erreichen will, der Gierige will das nicht, so scheint es zumindest. Es ist der Mensch ... / Wir müssen alle mitnehmen auf dem Wege die nächste Stufe zu erreichen, das geht nur über die Bewußt-Werdung jedes Einzelnen, vermutlich, oder?
Dieser radebrechende, hilflos anmutende Versuch ist beileibe kein Einzelfall, sondern typisch für sektiererisch beeinflusste Menschen, die dem Eso-Wahn verfallen sind. Dabei bemerken diese bedauernswerten GesellInnen vermutlich nicht einmal, dass sie exakt das anstreben, was die Ideologen des Nationalsozialismus vor 80 Jahren schon einmal zum Ziel erklärt hatten. Der Philosoph Ernst Bloch ordnet in seinem Essay "Zur Originalgeschichte des Dritten Reiches" (1937) diesen für den Nationalsozialismus zentralen Topos ein in die christlich-chiliastische Tradition: "Die Perspektive ist die der Utopie einer neuen Gesellschaft von neuen Menschen."
Wie man angesichts der bitteren Realität, in der genau das Gegenteil zu beobachten ist - nämlich ein stetig anwachsender brauner, hirnloser Mob, der alles mögliche, aber gewiss keinen "neuen Menschen" fordert - eine solche Meinung vertreten kann, bleibt das rosafarbene Geheimnis der religiös Erleuchteten bzw. esoterisch Gefickten.
Auch in der Esoterik bleibt das eigentliche Problem - nämlich der Kapitalismus samt all seinen Auswirkungen - völlig außen vor: Die gegenwärtige Katastrophe wird schlicht heruntergebrochen auf das "Individuelle" und damit allen Menschen als "eigene Schuld" auf die Schultern geladen - so als ob sich irgendwer jemals "frei" und bewusst für ein Leben im ausbeuterischen Sklavendasein für Superreiche "entschieden" habe und es gar keine politischen, gesellschaftlichen und medialen Mächte gäbe, die diesen Prozess aktiv betrieben haben.
"Damit unser Volk nicht in den Entartungserscheinungen der Gegenwart untergeht, müssen wir einen neuen Menschen erziehen", schrieb Hitler damals. Esoteriker unterschreiben diesen Satz heute einmal mehr - im trauten Verbund mit rechtsextremen Arschlöchern von Pegida, AfD, CSU und weiteren völkisch-nationalen Spinnern.
Im Rückblick auf die Neuzeit ist wohl keine andere Zeit derart von Utopien des "Neuen Menschen" geprägt wie das erste Drittel des 20. Jahrhunderts. Die "Urkatastrophe" des Ersten Weltkriegs steigerte die Dringlichkeit grundlegender Erneuerung. In allen drei großen Diktaturen, der sowjetischen, der italo-faschistischen und der nationalsozialistischen, ging es um Projekte, die zwar säkular auftraten und sich religiösen Vorstellungen widersetzten, tatsächlich aber von religiösen Mythen getragen waren; vielleicht steigerte dies das Programm des "Neuen Menschen" als Glücksbringer.
Der Text von Albrecht Betz, aus dem das obige Zitat stammt, sei jedem Interessierten dringlich ans Herz gelegt - auch wenn der gute Mann vor fünf Jahren offensichtlich noch nicht bemerkt hat, dass die schaurige Reise in diesem verkommenen Land einmal mehr schnurstracks zurück in die braune Jauchegrube geht und dass sowohl die herrschende Politik, als auch die Medien einen essenziellen Anteil daran haben.
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Es ist auch gewiss kein Zufall, dass die zunehmende Hollywood-Plage, welche die westliche Welt mit immer neuen, stets lächerlichen "Superhelden" und "Übermenschen" geradezu überschwemmt, gerade jetzt aufkommt ... aber das ist ein anderes Thema.
16 Kommentare:
Lieber Charlie,
bist Du da nicht etwas 'hyperkritisch'? die dame mag ja etwas "eso" sein, aber grundsätzlich hat sie doch recht. auf einem "Narrenschiff" fahren halt auch blinde passagiere mit und solange sie nicht braun sind, muß der Käptn sie nicht über die planke laufen lassen ... ;-)
BG
Frank
@ Frank: Die Dame ist mir herzlich egal. :-) Ich habe doch - hoffentlich! - deutlich gemacht, dass es mir um etwas anderes geht.
Liebe Grüße!
Hi Charlie.
In Bezug auf die Superhelden-Schwemme die aktuell in Hollywood abgeht muss ich dir widersprechen. Das sind rein monetäre Gründe. Und neu ist das auch nicht, nur wird es im Moment etwas viel, weil die großen Studios auf der Marvel/DC-Welle reiten. Das geht aber schon bis in die frühen neunziger zurück und ist IMHO auch bald wieder vorbei, weil die Menschen es langsam leid sind.
Also kein Zufall, aber es kommt einfach nur von der Gier der Studios und deren Angst vor Neuem, sonst nichts.
gruß H.F.
Charlie
"Es ist auch gewiss kein Zufall, dass die zunehmende Hollywood-Plage, welche die westliche Welt mit immer neuen, stets lächerlichen "Superhelden" und "Übermenschen" geradezu überschwemmt, gerade jetzt aufkommt ... aber das ist ein anderes Thema."
Hubert Farnsworth
"In Bezug auf die Superhelden-Schwemme die aktuell in Hollywood abgeht muss ich dir widersprechen. Das sind rein monetäre Gründe."
Ein sehr interessanter Aspekt. Wenn Dir, Charlie, mehr dazu einfällt, immer her damit ;-) Und das Eine schließt das Andere ja nicht gleich aus. Sicher, ist die DC- und Marvel-Superhelden-Hollywood-Orgie derzeit eine Goldgrube. Aber das sind Michael Bay-Filme, Transformers etc. ja auch. Und alle haben stets auch einen ideologischen und kulturimperialistischen Aspekt, den es nicht zu unterschätzen gilt.
Ich denke nicht,dass es der Dame da um irgendeine Übermensch-Vorstellung geht.Diese Vorstellung mancher Menschen,etwas Höheres und Besseres als andere zu sein und allen anderen einzutrichtern,dass sie nur ein Stück Dreck sind ,hat ja genau dazu geführt,dass alles auf dieser Welt so katastrophal ist.
Das sind alles kindliche Fantasien.Weder ist irgendwer ein Übermensch noch ist irgendwer ein Nichts.Das man sich das vormacht,hat alles damit zu tun,dass alle Menschen von klein auf durch die Zivilisation total von sich selbst entfremdet und damit seelisch verletzt werden,weil das alles,was irgendwelche Eliten hier auf der Welt seit Jahrtausenden veranstalten,einfach krank ist.
Da wir es ja aber alle nur noch so kennen und allen eingetrichtert wird,dass das alles richtig und gut wäre,führt sich das immer weiter fort.
Ich denke,diese Dame meint damit,genau das zu erkennen und sich zu heilen,damit man sich nicht selbst genauso verhält.
Man kann sich immer nur selbst verändern,wenn man mit seinem Leben nicht zufrieden ist,nicht die anderen.Die müssen das auch alle selbst tun.
Dafür muss man aber auch erstmal erkennen können,dass irgendwas nicht stimmt.Das ist aber mit viel verdrängtem Schmerz und Arbeit an seinen Problemen verbunden,da machen sich die meisten lieber weiter was vor und tun weiter das,was sie kennen...
VeRena: "Man kann sich immer nur selbst verändern,wenn man mit seinem Leben nicht zufrieden ist,nicht die anderen.Die müssen das auch alle selbst tun."
Das ist ein Grundprinzip der Esoterik, die Verortung sozialer Probleme in das Individuum. "Willst Du die Welt verändern, ändere Dich selbst!" Wer so etwas sagt, hat nichts verstanden von Machtverhältnissen, strukturellenen Gesellschaftsbedingungen und Geschichte.
@ Hubert & Epikur: Dieser Aspekt ist für mich ja, wie erwähnt, ein anderes Thema ... deshalb habe ich das lediglich im Nachsatz kurz erwähnt. Ich müsste mir darüber noch nähere Gedanken machen, bevor ich etwas Sinnvolles dazu schreiben könnte. ;-)
Ich bekomme das ja ohnehin nur dann mit, wenn ich woanders - meist mit Grausen - das TV-Programm bzw. die ständigen Trailer im Hauptprogramm - also der Werbung - mitansehen muss, was zum Glück eher selten vorkommt. Besonders schockiert hat mich dabei die Erkenntnis, dass jetzt schon der rote Blitzmann in seinem herrlich homosexuellen Karnevalskostüm und in Serie (!) auf die Jagd nach der kriminellen Bande geht (die in solchen Comics ja meist aus gruseligen Schurken besteht, die den bedauernswerten Superreichen etwas "klauen" wollen). Welch ein beachtlicher Niedergang. :D
Ich verlinke dazu mal den Gärtner, der sich in seiner unübertroffenen Art dazu kürzlich geäußert hat (im zweiten Absatz).
Liebe Grüße!
@ Ve Rena: Die "kindlichen Fantasien" sind eben nicht neu und haben seinerzeit zur Totalkatastrophe des Holocaust geführt. Ich denke nicht, dass es sinnvoll ist, das einmal mehr so zu verharmlosen.
Im Übrigen schließe ich mich den Ausführungen des Altautonomen an.
Liebe Grüße!
Alles falsch und richtig.
Zum einen kann man nicht immer die gegenwärtigen und früheren, in der Tat widerwärtigen, Verhältnisse beweinen und auf den großen Umschwung von außen hoffen.
Das ist doch auch nur eine faule Konsumhaltung.
Andere Seife, und die Falten in der Fresse sind weg.
So geht es nicht.
Man selber sollte sich tatsächlich mal etwas Gedanken über sich selbst machen und versuchen, sich etwas, nur ein wenig, nicht gleich ändern aber hinterfragen.
Zumindest der Versuch bzw. die Erkenntnis, das auch in der eigenen Birne, im eigenen Ich, nicht alles optimal läuft bring einen ja schon etwas weiter und somit auch die ganze Welt.
Klar, Banken werden dadurch nicht gesprengt und Regierungen nicht gestürzt.
Aber daß das noch nie oder selten (Kuba ?) zielführend war ist hoffentlich erkannt.
@ veganer Klimbim-Gärtner: Es ist völlig einerlei, wie es beispielsweise um meine Birne und die darin stattfindenden oder auch ausbleibenden Denkprozesse bestellt ist (darüber kann man zu Recht unterschiedlicher Meinung sein) - an den äußeren Verhältnissen, in denen wir kläglich dahinvegetieren, ändert das genau nichts.
Liebe Grüße!
Ein "neuer Mensch", der auch noch unser Jahrhundert heimsucht, wird hier leider unerwähnt gelassen (ist aber wohl auch implizit gemeint): Der erz-egoistische, sich konstant selbst-optimierende, immerzu "machende", alles verschlingende... homo oeconomicus. Avatar der unsichtbaren Hand. Liebling der Neoliberalen und feuchter Traum der "Libertären", ob sie nun Mises, Ayn Rand, Reagan, Thatcher, Lambsdorff, Sinn oder Lucke . Ein Ideal, das (meiner eingeschränkten Erfahrung gemäß) in allen Gesellschaftsschichten (Klasseninteresse hin oder her) gut ankommt. Denn wer möchte kein Gewinnertyp sein?
Kann übrigens auch gerne mal esoterisch sein, solange der Götzendienst am Markt nicht kurz kommt. Nietzsche, der bei allem Genie nun mal ein reaktionärer Drecksack war, würde es lieben.
@ Anonym: Neoliberalismus (und damit auch der ominöse "homo oeconomicus") ist ja ebenfalls pure Esoterik - insofern hast Du also völlig recht.
Moin Charlie,
um noch mal auf das Thema "SUPERHELDEN" zu kommen.
Ich mag die Lucha Libre`s. In diesem Kulturkreis gewinnt am Schluss
immer der Gute. Mag sein das die Menschen dort noch nicht Ihren moralischen Kompass verloren haben oder einfach die Hoffnung nicht aufgegeben das sich Ihr Leben zum Besseren wenden mag. Hier in DEU/EUR ist leider der Zug abgefahren. Aber träumen dürfen wird man doch NOCH!
LG
@ Fluchtwagenfahrer: Ich kann mit dem Begriff "lucha libre" leider nichts anfangen - eine erste Netzsuche ergab lediglich, dass es sich dabei wohl um eine "Form des professionellen Wrestlings" aus Mexiko handelt.
Was hat das mit "Superhelden" zu tun? ;-) Ich bitte beschämt um Aufklärung. :-)
Liebe Grüße!
Moin Charlie,
ja da hast du recht. Es handelt sich um mexikanische "Wrestler".
Meist aus verarmten Verhältnissen stammend, sich in jungen Jahren durch ständiges trainieren den Traum erfüllen zu wollen auch mal ein bekannter oder bekannte Lucha Libre zu sein. Hat aber nur entfernt mit dem Spektakel der Amis zu tun. Sehr akrobatisches Entertainment für die armen Massen.
Dort gewinnt immer(wenn auch knapp) der/die Gute.
Hat doch was von Superhelden oder??
LG
@ Fluchtwagenfahrer: Danke für die Aufklärung - ich lerne immer gerne dazu. :-) Ich befürchte allerdings, dass Du mich hier missverstanden hast. Die "Superhelden" waren ja nur ein Nachtrag zum eigentlichen Thema, und dieser Nachtrag war - so hoffe ich doch - klar erkennbar als kritisches Statement gemeint.
Ich schreibe vielleicht später noch etwas mehr dazu, wenn ich genügend Informationen gesammelt habe. Bislang kann ich aber festhalten, dass ich weder "Superhelden", noch "Wrestling", noch irgendeine andere Art von (im Kapitalismus so gerne auch inszeniertem) Wettkampf gutheiße. Das entpringt alles derselben fürchterlichen, menschenfeindlichen Ideologie der brutalen Konkurrenz.
Die Menschheit braucht keine "Superhelden" (auch dann nicht, wenn sie die "richtigen" Ziele verfolgen), sondern Aufklärung, Bildung und Information. Genau daran sind die "Eliten", die den kapitalistischen Kurs vorgeben, aber nicht interessiert, weshalb sie diese Ziele nach Kräften torpedieren und vereiteln.
Liebe Grüße!
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