Freitag, 13. November 2015

Angriff der Schlips-Borg: Die Profit-Krise


Kürzlich war bei n-tv wieder einmal ein Paradebeispiel für den vollkommenen Irrsinn des kapitalistischen Systems zu lesen. Unter dem vernebelnden Titel "Kupfer-Krise trifft die Armen" wird dort eine wahre Orwell'sche Neusprechorgie abgehalten, in der Begriffe wie "Kapitalismus", "Ausbeutung" oder "Irrsinn" gar nicht erst vorkommen. Wichtige Informationen findet man in diesem Text nur, wenn man zwischen den Zeilen liest und sich zusätzlich anderweitig informiert.

Der Grund für jene "Krise" ist diesmal ein gesunkener Preis. Was für jeden, der den Rohstoff Kupfer benötigt, erst einmal eine gute Nachricht ist, bedeutet für den "Produzenten" - in diesem Fall den Konzern Glencore mit Sitz in der Schweiz - ein böses Höllenfanal, denn dadurch sinken die erwarteten Profite des habgierigen Gesindels. Im n-tv-Text wird dagegen dreist behauptet, dass die "Schulden" dadurch stiegen, was schlicht nicht stimmt, wie man unschwer auf den Geschäftsseiten des Konzerns nachlesen kann. Im kapitalistischen Neusprech sind nicht eingefahrene, zuvor aber "erwartete" Profite automatisch "Schulden" - und die Presse plärrt diesen infantilen Unsinn wie immer hemmungslos nach, als richte sie sich an Zombies.

Diese "Kupfer-Krise" hat nun also zur Folge, dass Glencore und weitere Konzerne, welche die Kupferförderung in Sambia betreiben, ihre Minen "temporär" für 18 Monate schließen, um so zu einer "Verknappung" des Rohstoffes und damit zu einem erneuten Anstieg des Preises beizutragen. Dass dieser Vorgang, der aus kapitalistischer Sicht durchaus "logisch", im Übrigen aber nichts als grotesker Irrsinn ist, nicht nur für die bettelarme Bevölkerung des afrikanischen Landes verheerende Folgen hat, ist n-tv immerhin einige Absätze wert - in denen vom Irrsinn aber selbstredend nur lakonisch berichtet wird, anstatt ihn zu hinterfragen.

Eigentlich selbstverständliche Fragen - wie zum Beispiel, wieso im elendsgebeutelten Land Sambia irgendwelche Konzerne, die dort nichts zu suchen haben, die ohnehin armen Menschen ausbeuten und über die dort vorkommenden Rohstoffe nach Belieben verfügen können; oder weshalb es unwidersprochen das offensichtlich höchste und heiligste Ziel allen wirtschaftlichen Handelns in diesem System sein muss, stets die größtmöglichen Profite für die kleine, superreiche Minderheit der Eigner bzw. Aktionäre einzufahren - stellt hierzulande kein einziges Massenmedium mehr.

n-tv wäre aber nicht konsequent systemhörig, wenn der Autor nicht trotzdem eine "Erklärung" für das Leid der Menschen in Afrika parat hätte. Und so schreibt er munter: "Die Folgen des Preisverfalls des Rohstoffs sind ein Paradebeispiel für die Globalisierung." - Dem kann ich nur augenverdrehend entgegnen: Nein, Herr Gänger, die "Globalisierung" ist ebenso uralt wie der Kapitalismus selbst - daran ändert auch die mantraartige Wiederholung des Gegenteils nichts. Korrekt müsste der Satz lauten: "Die Folgen des Preisverfalls des Rohstoffs sind ein Paradebeispiel für die verheerende Wirkung des Kapitalismus, der unverzüglich abgeschafft gehört." - Es gibt keine "Kupfer-Krise", sondern allenfalls eine "Profit-Krise" - und die hängt einzig und allein mit diesem abgrundtief perversen System zusammen, besitzt jedoch keinerlei logischen Bezug zum jeweiligen (willkürlich austauschbaren) Rohstoff oder Produkt.

Selbstverständlich haben die aktenkoffertragenden Superspezialexperten des Konzerns längst einen tollen Plan ausgearbeitet, der den Profit schnell wieder sprudeln lassen soll: "In den kommenden Monaten will Glencore knapp eine Milliarde Dollar in die Mopani-Minen investieren, um die Förderung zu modernisieren und damit die Kosten zu senken." - Soviel also zum Thema "Schulden" und zur üblichen Lösungsstrategie des heiligen Mantras der "Kostensenkung". Wie abgefahren und offensichtlich schwachsinnig muss ein System eigentlich sein, bis auch der letzte Hinterwäldler endlich erkennt, dass der Kaiser gar keine Kleider trägt?

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"Ihr braucht keine Eier mehr zu legen, man kauft sie jetzt billiger."

(Zeichnung von Thomas Theodor Heine [1867-1948], in "Simplicissimus", Heft 22 vom 25.08.1924)

3 Kommentare:

Fluchtwagenfahrer hat gesagt…

Moin Charlie,
ja so ist es, immer die gleichen Mechanismen, Provitverlust, verknappen des Angebotes, Neukreation eines noch besseren suppiduppi Produktes,Reduzierung der Belegschaft, vorher reduz. der Löhne, Gürtel eng...,
Umweltschäden anrichten und hinterlassen, (Hände in die Taschen und pfeifen)
als ultima Ratio den Steuerzahler/Menschen/Umwelt blechen lassen.
brave new world
LG

Mollbert hat gesagt…

Beiträge wie dieser hier sind der Grund, warum ich Deinen Blog immer wieder mal gerne lese (inzwischen so eine Art Hass-Liebe). Danke dafür. Dieses „zwischen den Zeilen lesen“ ist bei mir erst seit ein paar Jahren in Fleisch und Blut übergegangen. Allerdings ist das regelmäßige Lesen auf so Agentur-Schleudern wie n-tv auf Dauer der Gesundheit nicht zuträglich...

Charlie hat gesagt…

@ Mollbert: Die "Hassliebe" fasse ich einfach mal als Kompliment auf - schließlich provoziere ich gerne und oft und habe mir derlei Bezeichnungen gewiss redlich verdient. ;-)

Zu n-tv und vergleichbaren Nachrichtenangeboten im Netz kann ich aber nur sagen, dass ich es ungemein wichtig finde, gerade auch dort stets mitzulesen, denn dies sind schließlich - neben dem TV und den allmählich aussterbenden Tageszeitungen - gerade die Medien, die noch immer den Großteil der Bevölkerung mit Informationen bzw. Propaganda versorgen. Wenn ich dazu also etwas schreibe, kommt es gelegentlich vor, dass sich ein solcher Text auch über das Fratzenbuch oder andere Seiten zu Menschen verirrt, die nach wie vor die Tagesschau oder gewisse Printmedien für den "freien" Nabel der Informationswelt halten.

"Steter Tropfen höhlt den Stein" - nach dieser schnöden Erkenntnis handelt die kapitalistische Propaganda, und ebenso muss es die Kritik leider auch tun, wenn sie im Sumpf der Wiederholungen wahrgenommen werden möchte.

Liebe Grüße!