Donnerstag, 18. Mai 2017

Hartz-Terror: Ich bin ein Krimineller


Ich bin ein Krimineller. Das jedenfalls legt mir der jüngste Bescheid des "Jobcenters" nahe, das dafür zuständig ist, meinen viel zu geringen Arbeitslohn aufzustocken, damit ich von der erwirtschafteten Summe auch "leben" kann. Konkret geht es hierum:



Diese Passage bedeutet, dass die Behörde im Dezember 2016 offensichtlich einen Fehler gemacht und sich trotz der vorgelegten Unterlagen bei der Berechnung des "Aufstockungsbetrages" verrechnet hat. Das kann ja mal vorkommen. Nun ist dies nach staatlicher Auffassung aber selbstredend kein Behördenfehler, sondern ein kriminelles Verhalten des bösen Charlie, der den Rechenfehler böswillig und in eindeutig krimineller, eigennütziger Art und Weise nicht unverzüglich "gemeldet" hat.

Das kafkaeske Schreiben umfasst inklusive des "neuen" Bescheides und eines "Anhörungsbogens", den man ansonsten eigentlich nur aus dem Strafrecht kennt, insgesamt 15 (in Worten: fünfzehn) Seiten. Nun darf man sich gerne ausmalen, wieviel die Erstellung (Arbeitszeit der beteiligten "Sachbearbeiter"), der Ausdruck und der Versand dieser 15 Seiten wohl gekostet haben mag – die Folgekosten berücksichtige ich lieber gar nicht. Ich komme da auch bei einer kurzen Überlegung auf einen Betrag, der deutlich über 42,60 € liegt – aber das ist in einem bizarren Land wie Kapitalistan völlig unerheblich, denn hier geht es in sozialen Fragen nicht um "Kostenersparnisse", sondern um ein möglichst asoziales, menschenfeindliches Verhalten, um betroffene Menschen einzuschüchtern, zu schikanieren, zu verarmen und zu kriminalisieren. Entsprechend endet das behördliche Schreiben auch nicht mehr mit der – sogar in Jobcenter-Kreisen – ansonsten üblichen Floskel "Mit freundlichen Grüßen", sondern nur noch mit dem Hinweis "Im Auftrag".

Nun darf ich mich also darauf einstellen, zukünftig mit 7,10 € weniger im Monat auskommen und einmalig einen Abzug von 42,60 € verkraften zu müssen. Was sich für einen halbwegs gut verdienenden Menschen vielleicht wie eine Lappalie anhört, ist für einen "grundgesicherten" Menschen ein großes, existenzielles Problem, denn hier zählt jeder Cent. Wenn man in der Mitte des Monats im Supermarkt steht und abwägt, ob man sich den Blumenkohl, der momentan fast doppelt so teuer ist wie noch vor einem Jahr, leisten sollte, wird das Problem deutlich sichtbar.

Selbstverständlich sind für diese faschistoiden Entwicklungen in erster Linie Gerhard Schröder und seine BandenkumpanInnen von der SPD und den Grünen verantwortlich. Man sollte aber nicht vergessen, dass auch zuvor den Ärmsten stets die strengste staatliche Gewalt ins Gesicht geschmettert wurde und das auch heute nach wie vor der Fall ist, während Steuerbetrüger aus der "Elite" weiterhin als "Sünder" verharmlost und "notleidende" Banken mit Milliarden "gerettet" werden und generell den Superreichen das Geld, das dem Rest der Bevölkerung erbarmungslos aus dem blutigen Fleisch geschnitten wird, überbordend in den Anus geschoben wird. Die Gangart wurde von den "Genossen" deutlich verschärft (und es ist hier kein Ende abzusehen), die Richtung aber war stets dieselbe. Wer sich von der CDU, FDP oder gar der AfD [*glucks*] Linderung erhofft, gehört in die geschlossene Psychiatrie.

Nun bin ich also ein Verbrecher. Ich möchte lieber gar nicht wissen, ob ich vom LKA schon überwacht werde – es ist ja gar nicht auszudenken, welche maßlosen materiellen Schäden ich der Bunten Republik Deutschland zufügen könnte, wenn ich auch weiterhin meinen kriminellen Beschäftigungen nachginge und den Steuerzahler um horrende 7,10 € monatlich betröge, ohne es zu wissen. Wäre Kafka seinerzeit nicht krankheitsbedingt gestorben, würde er heute wohl freiwillig von jeder sich anbietenden Brücke springen, um dem sich ausweitenden Irrsinn zu entkommen. – Ich folge ähnlichen Gedanken.

P.S.: Wie man in einem auf Textbausteinen basierten System, in das man als Anwender nur wenige Worte einfügen muss, dennoch so viele Rechtschreibfehler unterbringen kann, wird wohl das Geheimnis der "Jobcenter-Experten" bleiben.

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Putting A Propagandist Under Arrest



(Gemälde von Ilja Jefimowitsch Repin [1844-1930] aus den Jahren 1880/92, Öl auf Leinwand, Tretjakow-Galerie, Moskau, Russland)

8 Kommentare:

Arbo hat gesagt…

Wirklich krass. Ich habe schon einen Fall erlebt, in dem Du zu wenig Geld bekommst, weil die einen Berechnungsfehler machen oder Recht "unrecht" auslegen. Dann dauert es ewig, die sträuben sich ... und Beweislast liegt bei Dir. Und Du kommst aus dem Staunen nicht raus, wie schnell auf einmal ein Vergleich vor Gericht möglich ist, wenn absehbar ist, dass die verlieren (innerhalb von 20 Minuten). Da kannst Du zu Unrecht nix bekommen und die versuchen das auszusitzen.

Tja, und sobald Du - wie in Deinem Falle - "zu viel" (ein Hohn...) bekommst, werden die aktiv und Du hast - wie Du beschrieben hast - auch den schwarzen Peter.

Echt ein widerliches System, in dem Du immer die Arschkarte hast.

Und keiner von denen, die heute über die Niederlagen der SPD rumjammern kommt mal auf die Idee, dass das genau mit diesem System zu tun haben könnte... Dümmer geht's nimmer.

LG
Arbo

P.S.: Chris Cornell ist gestorben. Habe zwar Soundgarden aus dem Blick verloren, der Tag heute ist damit aber trotzdem obersuboptimal...

altautonomer hat gesagt…

Es gilt bei Behördenentscheidungen grundsätzlich der Vertrauensschutz des Empfängers. Ergänzend dazu die sogenannte Evidenztheorie, die besagt, dass der Brechnungsfehler so offenkundig sein muss, dass er einem verwltungsrechtlichen Laien auch aufgefallen wäre.

"Wenn Hartz-IV-Leistungen falsch berechnet werden und zu hoch ausfallen, müssen sie nur dann erstattet werden, wenn der Empfänger den Fehler problemlos und leicht hätte feststellen können. Auf diese recht einfache Formel brachte es das Sozialgericht Dortmund (AZ: S 28 AS 228/08) in seinem Urteil vom 22. Juli 2009."

Quellen: http://www.hartziv.org/news/20090914-hartz-iv-urteil-keine-rueckzahlung-bei-berechnungsfehler.html

http://www.berliner-kurier.de/amts-irrtum-zu-ihren-gunsten-zu-viel-gezahltes-alg-ii-muss-nicht-immer-erstattet-werden-hartz-iv-21734044


Andere Entscheidungen zu Ungunsten der Empfänger:
Quelle: http://www.hartziv.org/news/20130115-hartz-iv-rueckzahlung-trotz-fehler-des-jobcenters.html

Mein Vorschlag: Anhörungsbogen ausfüllen und die Urteile (zu Deinen Gunsten oben) aufführen. Mach ihnen auf diese Art auch bürokratischen Ärger, denn Sie müssen über Deinen Protest entscheiden. Auch dagegen kannst Du Widerspruch einlegen und ggfs, klagen (kostenlos SG Dortmund).



altautonomer hat gesagt…

Nachtrag: Einen Anhörungsbogen bzw. die Gelegenheit zur Anhörung bekommst Du immer, wenn die Behörde beabsichtigt, einen belastenden Verwaltungsakt gegen Dich zu erlassen. Also auch bei Ablehnung einer Baugenehmigung oder bei Ablehnung eines Antrages auf einen Angelschein. Das schreibt das Verwaltugsverfahrensgesetz so vor.


Arbo hat gesagt…

@altautonomer:

"Ergänzend dazu die sogenannte Evidenztheorie, die besagt, dass der Brechnungsfehler so offenkundig sein muss, dass er einem verwltungsrechtlichen Laien auch aufgefallen wäre."

Das mag so sein. Aber "das Amt" kann sich doof stellen und Du musst das dann vor Gericht erstreiten. Selbst dann, wenn die wissen, dass sie im Unrecht sind, können sie sich blöd stellen und auf Zeit spielen bzw. das Ganze aussitzen.

Ich verstehe sehr gut, dass Du mit den Hinweisen sicher auch Mut machen willst - ich find's prima. Als Betroffener hast Du aber trotzdem erstmal den Ärger am Hals.

Und im Falle von Charlie zeigt sich auch, wie struntzdoof, verachtend und lächerlich 'das System' ist. Ich meine, selbst wenn die Berechnung stimmt: Mit 7,10 Euro und insg. 42,60 Euro soll der Wohlstand usw. der BRD gefährdet sein? Wegen sowas - und darauf weißt Charlie ja hin - machen die so einen Aufwand?

LG
Arbo

schadensmeldung hat gesagt…

@Charlie,
zuerst (siehe auch Altautonomer): Meines Wissens bist Du für einen Berechnungsfehler seitens des Jobcenters nicht verantwortlich. Da haben die eben gepennt. Bei Einführung Hartz IV wurde mir mit dem ersten Antrag für meine Warmwasserkosten mit Strom zwischen 30 und 40 Euro zugebilligt. Als ich nach längerer Zeit einen Widerspruch gegen einen Bescheid der Leistungsabteilung einlegte, folgte darauf eine Neuberechnung und ich bekam weniger Leistung. Die Überzahlung mußte ich allerdings nicht zurückzahlen, da ich dafür nicht verantwortlich war. Du könntest versuchen, mit einem begründeten Widerspruch (siehe Altautonomer)die Nachzahlung zu verhindern, also nur kurz SGB II-Regelungen oder einschlägige Urteile darüber zitieren. Im Erwerbslosenforum (siehe meine Blogroll) wirst Du bei einer Anfrage im Chat sicherlich fündig werden; mußt Dich dazu nur anmelden.

Dass Du wegen den paar Euro noch bluten mußt, kann man getrost als staatlich-verordnete Strafmaßnahme bezeichnen, ohne Rücksicht darauf, dass Du nebenbei auch noch etwas zu essen benötigst.
Und ja: Sieben Euro weniger pro Monat stellt für uns schon eine existenzielles Problem dar, vergleichbar mit einem zweitägigen Nahrungsentzug. Leider wird diese ungeheuerliche Realität schlichtweg ignoriert und sogar befürwortet.
Vor Tagen stand ich wieder einmal vor einer Eisdiele und rechnete meine Wochenration Euro rauf und runter, mit dem Ergebnis, dass drei Eiskugeln pro Sommer für mich nicht mehr bezahlbar sind, während im Bundestag die Aufwandsentschädigungen für Sekt und sonstige Vergnügungen jährlich – somit auch sozialverträglich – angepasst werden.
Der Bettler hält die Hände auf und wartet bettelnd auf den nächsten Tritt.
Liebe Grüße –
Volker

Morten Menigmand hat gesagt…

Hallo

Wäre es möglich die insgesamt 15 Seiten Anhörungsbogens anonymisiert ins Internet zu stellen? Wäre doch interessant einmal zu lesen was da alles abverlangt wird. Außer den Hartz IV'ler wissen wohl die wenigsten Normalos was von Ämtern zugemutet wird.

Charlie hat gesagt…

Erstmal danke für die Tipps und Hinweise. Ich weiß natürlich, dass ich nicht für Berechnungsfehler der Behörde "verantwortlich" bin - allerdings wird sich das, wie zahlreiche selbst erlebte sowie mir von anderen bekannte, vergleichbare Fälle belegen -, vermutlich erst vor Gericht zu meinen Gunsten klären lassen - und dafür fehlt mir aller Voraussicht nach die (gesundheitliche) Kraft, was die Flitzepiepen im Amt natürlich sehr genau wissen. Schließlich wurden sie vom Amtsarzt rechtswidrig und gegen meine ausdrückliche Verfügung darüber informiert - aber das ist ein anderes Thema.

Ich bin im Verlauf meiner Krankheit und der dadurch bedingten Erwerbsminderung schon zu oft erfolgreich vor Gericht gezogen, um jedesmal wieder festzustellen, dass die Herr- und Frauschaften in der Behörde kurze Zeit später einfach einen neuen, haltlosen Vorwurf konstruiert haben, der wiederum den ganzen bürokratischen Aufwand bis hin zur Klage vor dem Sozialgericht zur Folge hatte. Die Kraftressourcen des Amtes sind schier unerschöpflich - meine jedoch sind es leider nicht.

Trotzdem danke für die Ratschläge.

Liebe Grüße!

Charlie hat gesagt…

@ Morten: Ich bezweifle, dass irgendein halbwegs denkfähiger Mensch - zumal dann, wenn er selbst nicht betroffen ist - sich diese 15 Seiten tatsächlich durchlesen würde. Ich denke, es reicht aus, wenn man zur Kenntnis nimmt, dass ein Großteil dieses kafkaesken "Kladde" aus zitierten Hartz-Terror-Gesetzestexten, "Rechtsfolgebelehrungen" (also diversen Be- und Androhungen) sowie kryptischen, nicht nachvollziehbaren Berechnungstabellen besteht. Selbstverständlich ist es Absicht, dass nahezu kein Nicht-Jurist aus diesen Bescheiden schlau werden kann.

Das leuchtet auch sofort ein, wenn man bedenkt, dass die Aufgabe dieser "Sozialbehörde" ja nicht darin besteht, Menschen zu helfen, sondern darin, die "Ausgaben zu senken". Und da kann der "Sachbearbeiter" eben auch 7,10 € als "Erfolg" verbuchen und wird dafür vermutlich vom Abteilungschef liebevoll getätschelt.

Liebe Grüße!