Freitag, 8. September 2017

Schöne neue Welt, Beispiel 759: Die Strahlenkanone


Ich bin ja ein bekennender und enthusiastischer Science-Fiction-Fan, der liebend gerne gute SF-Bücher liest oder SF-Filme schaut und sich auch ansonsten sehr gerne mit Zukunftsszenarien befasst. Schlimm wird es aber – natürlich nicht überraschend – stets dann, wenn SF-Szenarien in den realen, kapitalistischen Untergang Einzug halten. Die – stets dystopischen – Beispiele dafür sind inzwischen schon so mannigfaltig, dass ich sie hier nicht alle auflisten kann: Staatliche Überwachungsorgien, Mikrowellenwaffen gegen DemonstrantInnen oder flächendeckende DNA-Datenbanken, um nur drei völlig willkürliche Beispiele zu nennen, sind heute keine Science Fiction oder Verschwörungstheorien mehr, sondern bereits Realität oder zur solchen in naher Zukunft auserkoren.

In diesen finsteren Reigen reiht sich nun die sagenumwobene "Strahlenkanone" aus den Anfängen der SF ein. Bei Zeit Online war kürzlich zu lesen:

Aufgrund der jüngsten Attacken in Barcelona und Cambrils rückt daher eine neue Technik in den Fokus der Sicherheitskräfte: eine Strahlenpistole, mit der elektromagnetische Impulse und Hochleistungs-Mikrowellen abgefeuert werden können. Trifft die Strahlung ein Auto, versagt dessen Elektronik – der Motor bleibt abrupt stehen und lässt sich auch nicht wieder starten, solange der Strahlenbeschuss andauert. / Was nach einer futuristischen Waffe klingt, hat die EU-Kommission in den vergangenen Jahren mit zwei Forschungsprojekten vorangetrieben.


(Die "Strahlenkanone" von Captain Proton, aus der Holodeck-Episode "Bride of Chaotica" der Serie "Star Trek: Voyager", 1999; basierend auf den amerikanischen SF-Filmen aus den 1940er Jahren.)

Eigentlich lohnt sich die Lektüre dieses gruseligen Textes nicht, denn dort wird lediglich blödsinnige Propaganda betrieben, aber keine sinnvolle Information geliefert. Es liegt auf der Hand, dass sich mit einer solchen Technik kein einziger Terroranschlag verhindern ließe – es sei denn, man installierte diese "Kanonen" flächendeckend und könnte sie im "Notfall" innerhalb von wenigen Sekunden aktivieren. Dieses Szenario ist indes so utopisch bzw. albern, dass es selbst in der Science Fiction meines Wissens noch nicht angedacht wurde. Die eigentliche Anwendungspraxis soll also wohl eine ganz andere sein, für die der Terrorwahn wie so oft nur als dümmliche Scheinbegründung herhalten muss.

Welche das sein könnten, lässt sich leicht vermuten – schließlich ist es kein Geheimnis, dass die kapitalistische Welt seit Jahren eine immense militärische Aufrüstung betreibt, die insbesondere erwartete "soziale Unruhen" ins Visier nimmt. Da ließen sich Bullenpanzer, die mit einer solchen Waffe ausgerüstet sind, doch sehr gut einsetzen. Auch gegen jede andere Art von Elektronik – seien es nun Dumpfphones, Computer, Laptops oder was auch immer – ließe sich das herrschaftliche Spielzeug zur elektronischen Abschaltung aus der Ferne sehr wirkungsvoll benutzen.

Dabei ist aus propagandistischer, also streng kapitalistischer Sicht weniger wichtig, welche eventuellen Auswirkungen die Strahlen auf Menschen – auch auf "Unbeteiligte" (als sei dieser alberne Hinweis von Belang für die Schlips-Borg) – haben könnten. Im Text heißt es dazu lapidar:

Die Ergebnisse zeigen, dass von der Strahlung wahrscheinlich keine Gefahr ausgeht.

Na, dann ist doch alles gut und die Strahlenkanone kann kommen: Hier gibt es schließlich einen totalitären Überwachungsstaat aufzubauen, wodurch Konzerne nebenbei ordentlich Profite generieren sollen. Bullshit-Technologie wie diese, die keinen sinnvollen, dafür aber einen äußerst repressiven und zudem propagandistischen Zweck erfüllt, ist das perfekte Beispiel für die Denkweise der korrupten Bande. Was schert diese Leute denn auch das Wohlergehen der Menschen, die sie stattdessen konsequent verarmen – hier geht es, wie immer, nur um Geld, um Macht und um Kontrolle für eine kleine selbsternannte "Elite" – und die Maximierung von alledem. – "1984" oder das schöner-schlimmere "Brave New World" waren einmal Science Fiction, sind es heute aber längst nicht mehr.

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Orgelmann



(Gemälde von Felix Nussbaum [1904-1944] aus dem Jahr 1943, Öl auf Leinwand, Felix-Nussbaum-Haus, Osnabrück.)

2 Kommentare:

Eike Brünig hat gesagt…

EMPs sind aber alte Hüte. Sie werden seit 1993 eingesetzt, von daher muss ich über den Satz "hat die EU-Kommission in den vergangenen Jahren mit zwei Forschungsprojekten vorangetrieben" sehr schmunzeln.
Warum wird das nur sehr selten eingesetzt? Es ist und bleibt eine sehr teure Technologie, auch was die Wartung angeht.
Da sich Ähnliches mit gezielten Nuklearnukes auslösen lässt, ist hier mehr zu erwarten.

Schlimmer sind da tatsächliche Neuheiten, wie hier beschrieben:

https://psyarxiv.com/hv28a/

Was könnte das Geschäftsmodell dahinter sein? Schneller den passenden Geschlechtspartner finden oder aber die Technologie teuer an die Saudis verkaufen, die dann mittels Volkszählung alle "Unerwünschten" eliminieren?

Charlie hat gesagt…

@ Eike Brüning: Dass die "Strahlenkanone" ein alter Hut ist, habe ich mit diesem Posting auszudrücken versucht. ;-) Es ist allerdings ebenfalls ein alter Hut, dass die korrupte Bande auch damit maximalen Schaden anzurichten weiß.


Liebe Grüße!