Montag, 23. Oktober 2017

Der linke Konservative


Eine Glosse am Rande des glucksenden Wahnsinns

Eigentlich hatte ich ja vor, mich inhaltlich nicht mehr mit den Auswürfen meines geschätzten Freundes Roland Faulfuß, die er – sofern er denn gelegentlich mal einen selbst verfassten Text veröffentlicht – in seine esoterische, wirre Filterblase entlässt, die er merkwürdiger Weise für "das Internet" oder gar "die Welt" hält, zu befassen. Heute muss ich mit diesem Grundsatz leider brechen (und ich sehe schon die genervt rollenden Augen einiger MitleserInnen, denen mein ganzes, aufrichtiges Mitgefühl gilt), denn der Mann hat wieder einmal so viel geballten Blödsinn aus seinem hypersensiblen Hirn gesaugt und in pseudointellektuelle Worthülsen gezwängt, dass mir gar keine andere Wahl bleibt. Es nützt ja schließlich nichts, sich bloß in den eigenen vier Wänden oder im kleinen Kreis aufzuregen – das ist nicht gut für den Blutdruck und die gehaltvolle Verdauung.

Faulfuß hat sich nun – wenn auch über Bande und mit dem obligatorischen Fragezeichen versehen, auf das sich Leute seines windigen Schlages stets herausreden können, wenn es "hart auf hart" kommt – als "linker Konservativer" geoutet. Da schmerzt sogar das schmerzunfähige Stammhirn und die Fußnägel rollen sich beherzt auf, dass es eine wahre Wonne ist. Für den Eso gehört nun also "Computer- und Kommunikationsspielzeug" zu irgendwelchen "vielen skurrilen Interessengebieten, denen man frönen, denen man sich aber auch entziehen" könne. Das ist mal eine Aussage, die so dämlich ist, dass auch die weiteren Ausführungen daran nichts mehr ändern, denn offenbar versteht der "linke Konservative" darunter lediglich oder zumindest vornehmlich die Dumpf-Phone-Besessenheit der hiesigen (keineswegs nur jungen) Bevölkerung.

Dass er selbst dem "Computer- und Kommunikationsspielzeug" frönt, indem er seit Jahren an einem obskuren Blog mitarbeitet, fällt ihm nicht auf – und so merkwürdige, lächerliche Menschen wie beispielsweise ich fallen ganz durch sein monokausales Raster: Ich boykottiere Dumpf-Phones seit vielen Jahren und lasse es mir dennoch nicht nehmen, mich ausgiebig mit dem Computer, mit diverser Software und gelegentlich sogar mit (*Jesses hilf!*) Computerspielen zu beschäftigen. Damit bin ich in des Faulfußes kleiner Biene-Maja-Welt schon ein Sektierer, ein Menschenfeind, ein Aussätziger.

Das war aber bloß der Prolog. Was der Mann danach vom Stapel lässt, offenbart das ganze Ausmaß der intellektuellen Einöde, in der er sich befindet bzw. befinden muss. Es sprengte den Rahmen, jede einzelne Äußerung des Wahn- und Irrwitzes hier zu kommentieren, so dass ich mich auf eine Auswahl im Nano-Bereich beschränke. Faulfuß schreibt beispielsweise:

Ich selbst will den Status Quo nicht "einfrieren". Entwicklung ist unvermeidlich und oft auch gut. Aber das Tempo der Veränderung muss sich den Menschen und ihren Bedürfnissen anpassen, nicht umgekehrt. Heute haben wir es geradezu mit einem Innovationsterror zu tun.

Abgesehen davon, dass diese Passage – wie auch der gesamte Text – mit keiner Silbe darauf eingeht, weshalb diese Forderung im kapitalistischen System vollkommen blödsinnig ist, da dem Kapitalismus "der Mensch und seine Bedürfnisse" schlichtweg scheißegal sind – hier geht es einzig um möglichst viel Profit für die "Elite" –, ist auch der letzte Satz hanebüchener Unsinn. Die technische Innovation – egal, wie man diese nun im einzelnen bewerten möchte – ist seit mehr als hundert Jahren in einem wahnwitzigen Tempo auf ihrem dampfenden Weg. Das kein neues Phänomen. Die technischen "Quantensprünge" beispielsweise der Elektrizität, der Dampfmaschine und damit der Eisenbahn oder der Verbrennungsmotoren haben in der Vergangenheit für ähnlich dramatische Veränderungen und natürlich auch Verwerfungen gesorgt. Faulfuß plappert hier schlicht esoterischen Bockmist nach, für den er sogar einen "Zeugen" (Harari) benennt und den er als "Bestseller-Autor" vorstellt, so als seien die Verkaufszahlen eines Printwerkes ein Indiz für die Relevanz oder Qualität desselben. Einige der üblichen Propagandatechniken der korrupten Bande beherrscht der Hochsensible bereits. Er zitiert Harari:

Obwohl sich Geschichtswissenschaftler mit fast jedem erdenklichen Thema beschäftigen – von Politik, Gesellschaft und Wirtschaft über Geschlechter und Sexualität bis zu Krankheiten, Essen und Kleidung –, haben sie sich nie gefragt, welchen Einfluss das alles auf das Glück der Menschen hat. Das ist die größte Lücke in der Geschichtsschreibung.

Auch diese Aussage, die sich Fauli zu eigen macht, ist falsch. Einerseits ist es ja nicht die primäre Aufgabe der Geschichtswissenschaft, dem "Glück der Menschen" nachzuforschen – und es ist damit auch keine "Lücke"; andererseits sollte der Verfasser einfach mal einen Blick in die langen Buchregalreihen dieser Wissenschaft riskieren, um festzustellen, dass es trotzdem sehr wohl Veröffentlichungen, die zu diesem Themenkomplex zählen, gibt. Arbeiten aus anderen Wissenschaftsbereichen oder gar fachübergreifende Forschung will ich hier gar nicht erst erwähnen. Die Behauptung ist stumpfsinniger Mumpitz.

Es folgt ein Highlight der Faulfuß'schen Blümchenwelt:

Leider gelten zufriedene Menschen aber heute als Feinde einer florierenden Wirtschaft. Sie weigern sich, den Herstellern von technischem Schnickschnack als Zielgruppe zur Verfügung zu stehen.

Beim ersten Lesen war ich froh, dass ich gerade keinen Kaffee trank, der sich sonst unweigerlich über meinen technikfreundlichen, scharf zu verdammenden Monitor ergossen hätte. "Heute" sind also Menschen, die sich dem Konsum verweigern, "Feinde der Wirtschaft"? Ah ja? Was waren solche Menschen denn vor 20, vor 40 oder vor 100 Jahren? Des Kapitalisten liebste Freunde? Oder gab es die vormals gar nicht? Und wieso betrifft das heute nur "zufriedene" Menschen? Können nicht auch gänzlich Unzufriedene die viel "besseren" – weil schlagkräftigeren – Feinde des Kapitals sein? Man weiß so wenig, wenn die Sprachkunst des Autors sich auf einem derartig befremdlichen, semi-religiösen Niveau bewegt.

Selbstverständlich führt Faulfuß diese an sich schon absurden Gedanken noch weiter fort und kommt zu dem Schluss, den ich zur Illustration seiner Absurdität in die Sprache der vergleichbaren Menschen von vor hundert Jahren übersetzen möchte: "Heute ist der Eisenbahner dieses prägende Leitbild unserer Kultur. Ob wir wollen/können oder nicht – wir müssen, um im modernen Alltag überleben zu können, zumindest partiell so werden wir 'die'. Eine Zwangsbekehrung zur Religion der Dampfmaschinen-Enthusiasten findet derzeit statt. In der Folge verbrauchen wir viel Zeit und Energie, um mit Hilfe von Technologien Probleme zu lösen, die ohne sie gar nicht entstanden wären."

Ich möchte nicht falsch verstanden werden: Auch das Eisenbahnzeitalter hat seinerzeit extrem viel Leid, Elend und Not verursacht und massenhaft Menschen in Abhängigkeiten, Armut und finstere Ausbeutung gestürzt, während wie gewohnt nur eine kleine Minderheit davon profitiert hat und steinreich auf Kosten der übrigen Menschen geworden ist – aber trotzdem war diese Technologie ein Meilenstein der wenig ruhmreichen Menschheitsgeschichte. Die Pervertierung bezieht sich ja nicht auf die Technologie, sondern auf deren "leitende" Anwender und deren Ziele. Dasselbe trifft heute auf Computer und auch das Internet zu. Die kapitalistischen Auswüchse bzw. "normalen" Ausformungen der Ausbeutung, Armut und imperialistischen Widerlichkeiten, die zu einem technologischen Sprung im Kapitalismus eben immer dazugehören, gilt es heute ebenso scharf zu bekämpfen wie damals. Solch einfache Schlussfolgerungen aus der Primarstufe zieht Faulfuß jedoch natürlich nicht.

Letztlich kommt auch in diesem Text wieder das altbekannte, zum wiederholten Kotzen bemühte "Naturverständnis" dieser verblendeten Eso-Heinis zutage, das auch gerne mit dem abergläubischen Begriff "Schöpfung" belegt wird. Ich frage mich jedesmal, wenn ich so einen Kappes lese, ob der Urheber tatsächlich in derselben Welt lebt wie ich: Schließlich handelt es sich bei "der Natur" um ein System, das essenziell und primär auf dem völlig perversen Prinzip des "Fressens und Gefressen-Werdens" beruht. Wenn Faulfuß sich also in seinem "Biotop", das er in seinem wirren Beitrag visuell angedeutet hat, befindet, ist er sich offensichtlich nicht bewusst, dass um ihn herum zu jeder Sekunde tausende von Lebewesen andere Lebewesen töten und auffressen, um sich selbst am Leben erhalten zu können. Eine andere Wahl haben sie nicht. Das ist "Natur". Wer so etwas auch noch einem "Gott" als "Schöpfung" in die Schuhe schieben will, hat offensichtlich noch größere psychische und intellektuelle Probleme als die AfD oder die CDU. – Merke (es folgt eine steile, aber nicht von der Hand zu weisende These): Wer "die Natur" als "gutes Beispiel" bemüht, muss zweifellos ein übler Faschist sein.

So sind sie eben, die "Konservativen" bzw. Kapitalisten bzw. Esoteriker bzw. Faschisten: Jenseits der Realität.

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Naturidyll


Der Löwe (der Konservative) und das Zebra (die Linke) chillen friedlich gemeinsam im Paradies der Natur.

3 Kommentare:

Fluchtwagenfahrer hat gesagt…

Moin Charlie,
na da bin ich aber froh das ich im Bundesland mit den glücklichsten I.... wohne.
Wobei, scharfnachdenk, die IT-Infra ist hier neben allen anderen Infra`s gelinde gesagt beschissen. Vielleicht gibt es doch einen kausalen??
LG aus dem wahren Norden (dem einzigen) (wirklich)

p.s. Eckkkkaaahaaardt ich will nach Hause

Anonym hat gesagt…

Charlie, du solltest nicht so schwierige Texte schreiben. Leute wie der Dummerich, der Herr Karl oder Lapuente verstehen das doch nicht. Nicht jeder Mensch verfügt über genügend Hirnmasse, um den Rottenfüßen dieser Welt auf die Spur zu kommen.

Du musst viel dümmer schreiben, um Gehör zu finden. Das zeigen die Beiträge der genannten Idioten doch deutlich: Je bekloppter (inhaltlich) und fehlerhafter (sprachlich) der Text, desto größer die Resonanz.

Eigentlich musst Du nur noch auf BLÖD-Zeitungs-Niveau herumstammeln wie der Dummerich, dann wirst du auch von solchen Gestalten verstanden, die dessen Gebrabbel ernsthaft kommentieren. :) Und beim Fratzenbuch und anderen asozialen Medien musst du dich auch flugs anmelden, das ist ganz wichtig. Dann kannst du auch "Häh, isch findt Komunnissmuss scheisse, weil, das scheisse isst" schreiben und bekommst trotzdem eine Menge Aufmerksamkeit.

Ich beneide dich nicht, bewundere aber deine Standhaftigkeit angesichts dieser tosenden Brandung der grenzenlosen Verdummung.

Ein Germanist.

Charlie hat gesagt…

@ Anonymer Germanist: Du hast es erfasst. :-) Und eben deshalb schreibe ich nicht über das Dschungelcamp, Heidi Klum, Helene Fischer oder stammele irgendwelchen anderen Stumpfsinn in BLÖD-"Zeitungs"-Manier ins Netz, wie das die von Dir Genannten so gerne und oft tun. Dafür ist indes keine "Bewunderung" nötig, da es sich um eine alberne Selbstverständlichkeit handelt.

Herr Faulfuß hat inzwischen schon wieder nachgelegt und hirntötende Klopper wie diese herausgehauen (ich zitiere nur rudimentär):

- Martin Schulz ging es eher [beim Thema Digitalisierung] um schnellere Hochladezeiten beim Surfen: "Solange wir in Deutschland beim Ausbau des schnellen Internets nicht merklich vorankommen, bleibt die Digitalisierung eine akademische Debatte."
- CDs sind im Vergleich zu Schallplatten reiner im Klang und auch bequemer handhabbar.
- Heute beschränkt sich der Computer nicht mehr auf seine Kernkompetenz, etwa die Textverarbeitung.


Diese drei Beispiele illustrieren schon, dass der Eso - wie gewohnt - nicht den Hauch einer Ahnung hat, worüber er da in epischer Breite schwadroniert. Allein die Behauptung bezüglich der CDs wird jedem Musiker und Musikenthusiasten die glucksenden Lachtränen aus den blutenden Augen treiben. Über die "Kernkompetenz" des Computers - die "Textverarbeitung" (*luftschnapp*) - muss man da gar nicht weiter nachdenken - das ist vergleichbar mit einem Lapuente, der über "Linkssein" schwadroniert und wie immer gar nicht merkt, wie lächerlich er sich macht.

Liebe Grüße!