Mittwoch, 25. August 2010

Medienmanipulationen: Dokumente aus Afghanistan

91.731 Dokumente (ich habe nicht nachgezählt) mit bis dahin geheimen Berichten der US-Armee über den Afghanistan-Krieg hat das Enthüllungsportal WikiLeaks ins Internet gestellt und an die Printmedien New York Times, Guardian (London) und Spiegel (Hamburg) durchgereicht. Ich hatte auch nicht den Mut, in diesen Bergen nach bisher unbekannten Einzelheiten des brutalen Neokolonialkriegs zu suchen, sondern habe mich hauptsächlich mit der Sekundärliteratur befasst und Reaktionen auf die Enthüllungen notiert.

Man sollte meinen, die Medien, die etwas auf sich halten, hätten sich nicht mit den Darstellungen dieser drei Blätter begnügt, sondern die Dokumente selbst auf Authentizität und Aussagekraft geprüft, um sich danach eigenständig äußern zu können. Weit gefehlt! Schon einen Tag nach der Veröffentlichung (...) urteilten sie – von ARD-Tagesschau und ZDF-heute bis Neue Züricher Zeitung – in jovialem Ton: Die Dokumentation enthalte "kaum Neues". Aufsehenerregend sei lediglich, dass die US-Armee "offenbar" von Spezialkommandos wie der Task Force 373 gezielt Taliban-Führer töten lasse. (...)

Die WikiLeaks-Dokumente belegen den knappen Nachrichten zufolge tausendfach: US- und ISAF-Soldaten, einschließlich Bundeswehr, bringen bei ihren rücksichtslosen Bombardements, verpfuschten Stoßtruppunternehmen, an ihren Kontrollposten im ganzen Land, bei Durchsuchungen von Häusern und Ortschaften sowie bei Gefechten mit Aufständischen noch viel mehr Zivilisten um, als bisher gelegentlich gemeldet. Sie verhöhnen hernach die Opfer, indem sie Lügen über die Vorfälle verbreiten. Die Dokumente belegen jetzt auch die Ermordung von Gefangenen, Entführungen, Folter, Plünderungen und die systematische Vertuschung der Verbrechen. Diese Nachrichten werden uns in einem Tonfall übermittelt, als sollten wir uns endlich an all das gewöhnt haben und uns spätestens seit dem vom deutschen Obristen Klein bei Kundus angeordneten Massaker darüber klar geworden sein, dass auch Deutschland die Verbrechen ungeahndet lässt.

(Weiterlesen)

Anmerkung: Die Entrüstung des Autors ist verständlich - allerdings war das Verhalten der Presse vorhersehbar. Allein die erschlagende Fülle der Dokumente verhindert es schon, dass sich irgendwer "auf die Schnelle" einen Überblick verschaffen, geschweige denn, tiefgehende Analysen vornehmen könnte - ganz zu schweigen von der fehlenden Bereitschaft, das zu tun. Im schnelllebigen Geschäft der Systemmedien hat Nachhaltigkeit keinen Platz - bereits jetzt, einige Wochen nach der Veröffentlichung der Dokumente auf Wikileaks, spielen sie in der täglichen "Berichterstattung" keine Rolle mehr.

Es bleibt zu hoffen, dass sich die Wissenschaft dieser Dokumente annehmen und sie auswerten und analysieren wird. Das wird erfahrungsgemäß einige Zeit in Anspruch nehmen, aber das Ergebnis wird umso spannender sein.

Was wir aus dieser Geschichte aber ganz sicher lernen können, ist dies: Die geballte Medienmacht in Deutschland - von den öffentlich-rechtlichen Medien bis hin zu den Zeitungen und Magazinen - haben kein Interesse an einer kritischen Berichterstattung über Kriege, die Deutschland und andere Staaten führen. Die "Methoden der Kriegsführung" sollen den Menschen ebenso vorenthalten werden wie die Motive und Ziele und natürlich erst recht die Opfer. Der Autor formuliert das so - und diesem Absatz ist in all seiner Schwärze und Aussichtslosigkeit vollkommen zuzustimmen:

"Jedenfalls bewirkte die Dokumentation keinen Aufschrei, keine Massenproteste. Die Herrschenden scheinen alles im Griff zu haben. Nicht nur in den USA, auch hierzulande. Aktionen wie einst gegen den Vietnamkrieg, die weltweit Millionen Demonstranten auf die Straße und die USA schließlich in die Niederlage trieben, finden nicht statt. Infolge der medialen Verstrahlung des Publikums kann sich keine kämpferische Öffentlichkeit mehr formieren, die die regierenden Politiker in Washington und Berlin zum Einlenken zwingen könnte. Die Mediennutzer wurden zu passiven Verbrauchern verzogen, die sich, auch im Gespräch mit Freunden, Kollegen, Nachbarn, nicht mehr um Erkenntnis oder gemeinsame Einsicht oder gar um solidarisches Handeln bemühen. Vor der Glotze sitzend werden sie narkotisiert von Unterhaltungsangeboten, erschlagen vom täglichen Tsunami sinnloser Information und gezielter Desinformation."

Treffender könnte man das kaum schreiben.

5 Kommentare:

jakebaby hat gesagt…

Vorab ein bisschen was zum Aufwaermen: http://www.mein-parteibuch.com/blog/2010/08/03/afghanistan-warlogs-datenanalyse-wie-tropfen-zum-reissenden-strom-werden-4/#more-4077 (einer von 4 Teilen).. (alleine die Grafiken zB. Kriegstote/Verletzte 04-09 sind schon uebelst aufschlussreich)

Ansonsten muss ich deinen Ausfuehrungen kaum mehr was hinzufuegen.
Aus den 'schlechten Erfahrungen Vietnams hatte man viel gelernt. Haetten sich damals nicht einige tapfere, semi-suizide, freelancende Kriegsberichterstatter unter Einsatz ihres Lebens bemueht der Welt zu zeigen, welches Gesicht dieses Massaker hat, waere die Welt schon jenerzeit der Moeglichkeit beraubt ihren angewiderten, kriegsbeendenden Protest zu leben.
In den darauffolgenden Jahrzehnten hat man sich angestrengt, was bis zum heutigen Tag zum Exzellent gereicht. Dieser Art Berichterstattung existiert nicht mehr und zuzueglich wollen es die meisten Leute, unter so vielem Anderen auch ueberhaupt nicht mehr sehen oder gar wissen.
Wenn ich zB. sowas 'Ekliges verschicke, http://jakester-express.blogspot.com/2010/01/911.html bekomme ich im grossen Ganzen die empoertesten Resonancen.
'Schaebig mit solch Grauslichkeiten hausieren zu gehen' .. 'schon annaehernd pervers sich sowas ueberhaupt anzuschaun' .. etc. ... mir hat sogar schon mal jemand vorgeworfen, dass dies billigste, verabscheuungswuerdige AntiKriegsPropaganda sei. ....

Das Bewusstsein und damit das Gewissen, wurden ausgeknipst. Man darf und will es nicht mehr wissen.
Es wird mit Zahlen gefeilscht.
'Da hat mir doch tatsaechlich so ein Linker Kriegsgegner was von ueber einer Million Toten erzaehlt, ... dabei warns ja Nur 300tausend.'
Das laueft wie beim Lotto.
Bei 100 Millionen im Jackpot stehen Millionen von zahnlosen Pennern in Milen'langen Schlangen zu Tankstellen, Schnapslaeden und anderen Annahmestellen. Fuer den Standard-Pot von Nur 4 Millionen waers nicht mal ein Gedanke/Schein wert.
You know what i mean

Gruss
Jake

jakebaby hat gesagt…

Kleine Welt

Ich hatte mir den Volker Brauetigam beim Tilo gegeben. http://www.0815-info.de/News-file-article-sid-10704.html#comments

Vorgestern hat er nochmal nachgelegt. http://www.0815-info.de/News-file-article-sid-10707.html

Gruss
Jake

Charlie hat gesagt…

Yes, I know what you mean.

Die Bilder in Deinem Posting aus dem Januar sind dennoch mehr als schrecklich - doch genau so sieht er eben "unzensiert" aus, der Krieg. Noch schrecklicher finde ich die Reaktionen darauf, die Du oben erwähnt hast.

In manchen Dokumentation über den Nazi-Terror finden sich auch sehr schreckliche Bilder, die (vollkommen zu Recht) den Irrsinn und die Grausamkeit dieser Zeit darstellen sollen. Bezüglich der "modernen Kriege" unserer Zeit sucht man solche Foto- und Filmdokumente allerdings meist vergeblich. Dabei haben auch die heutigen Kriege selbstverständlich kein anderes Gesicht als frühere.

Ich bin mir ziemlich sicher: Wenn die verstümmelten Leichen der zivilen Opfer dieser Kriege in den Hauptnachrichten der westlichen Länder gezeigt werden würden, gäbe es auch sehr schnell einen breiten, gesellschaftlichen Protest dagegen. Es ist selbstverständlich politisches Kalkül, dass solche Bilder den Weg in die Nachrichten eben nicht finden.

jakebaby hat gesagt…

Unschuld sollte keine Feinde haben.

Gerade hier in Amerika als auch sonst Ueberall werden Kinder als 'Our greatest Good' bezeichnet. Nichts, ausser Liebe, Unantastbar, das beschuetzend, natuerlich'instinktiv'noetig'beduerftig unschuldigst Kind. .... steht in jeglichster Hinsicht an vorderster Front etablierter Grausamkeiten.
Von verhungern'Armut'a-sozial ueber Kirche zum Krieg sind immer wieder ausgerechnet die so beschuetzendwerten Kinder am uebelsten gepeinigt.

Ich habe eine richtig daerbe Sammlung von Bildern von zumeist zu Tode 'gepeinigter Kinder. Nicht nur aber sicherlich bei bestimmten zittert mir das Kinn.. Wenn sie sich, vor oder waehrend des Verletzen/Sterben, naessen. Ich denke es macht einen Unterschied selbst Vater/Mutter zu sein.

Widerlichste 'Zustaende sind schon fuer, mehr oder wenig der Situation bewussten, Erwachsene ein Horror. Fuer Kinder ist es ein, fast unnachvollziehbarer, unbewusster Terror.
Und genau dieser Terror wird unnachgiebig und gezielt etabliert, wobei mir gerade eben einer der Moerder empoert ins Genick gaafert, ob ich denn damit unterstellen wolle, dass dieses MassenAbschlachten von unschuldigen Zivilisten/Menschen einer Absicht unterliege.
Da verweis ich ihn dann nur mal auf die letzten 500 Jahre, .. oder auch nur die letzten 10. ...
Und ich laufe wiedermal Gefahr meiner Gewaltlosigkeit mit einem un/kontrollierbaren Reflex eine kurze Auszeit zu geben. :-(

Ich wuerde gerne alle Eltern fuer alle Kinder weinen sehen. 'Alleine damit waere schon viel geholfen. Whats the fu..ing Problem? .. NOT!

Gruss
Jake

PS. Hierzu noch ein Zeitzeuge aus der Sicht der Moerder. (sorry for the Picture)
http://jakester-express.blogspot.com/2009/01/tzipi-bibi-e-barak-no-choice-at-all.html

jakebaby hat gesagt…

http://www.mein-parteibuch.com/blog/2010/08/26/die-methoden-der-nato-im-kampf-um-die-herzen-der-afghanen/#more-4108

Der krasse Unterschied zwischen westlicher Berichterstattung ... Anderen.(in diesem Fall 'Lokus)