Mittwoch, 19. Juni 2013

Zur ewigen Gebetsmühle der "politischen Fehlentscheidungen"


Die Welt befindet sich im Krieg, im Finanzkrieg. Davon ist Wolfgang Hetzer überzeugt. Er war bis 2011 beim europäischen Amt für Korruptionsbekämpfung OLAF tätig. Was er dort erlebt hat, lässt für den Juristen nur einen Schluss zu: Der Kapitalismus ist eine Kriegserklärung an die bürgerliche Welt. In seinem ersten Buch "Finanzmafia" schreibt Hetzer über die "Korruption als Leitkultur". Die derzeitige Wirtschaftskrise ist demnach ein Produkt aus politischen Fehlentscheidungen, wirtschaftlicher Inkompetenz und krimineller Energie.

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Anmerkung: Lest Euch dieses Interview sorgfältig durch. Es ist ein Paradebeispiel dafür, wie unter dem umgehängten Mäntelchen der Scheinkritik am Kapitalismus letztlich wieder nur die alten Floskeln und Gebetsmühlen heruntergeleiert werden. Selbstverständlich ist auch diesem Herrn Hetzer klar, dass der katastrophale Zustand dieser Welt nichts mit "politischen Fehlentscheidungen", die auf "wirtschaftlicher Inkompetenz" beruhen, zu tun hat - wenn er das tatsächlich glaubte, wäre er ebenso dumm wie jeder dumpfe CDU- oder FDP-Wähler aus Hinterfurzingen.

Reagan, Thatcher und ihre NachfolgerInnen samt den Strippenziehern im Hintergrund wussten und wissen selbstredend, was sie da anrichten - das waren keine "Versehen" oder "Fehlentscheidungen", sondern es war das konsequente Abarbeiten einer zuvor erstellten "Agenda", die eben diese zunehmenden katastrophalen Zustände, die wir seit einigen Jahrzehnten beobachten müssen, bewusst in Kauf genommen hat, um den Superreichtum und die Macht einer kleiner Minderheit zu mehren und zu betonieren. Man kann das alles nachlesen, wenn man sich die Mühe machen will - auf Deutschland bezogen reicht ein Blick in das so genannte "Lambsdorff-Papier" aus den 80er Jahren, das als Grundlage für das "Schröder-Blair-Papier" 1999 und die nachfolgende "Agenda 2010" diente. Da ist nichts "versehentlich" passiert - es war alles ausformuliert und vorgedacht und die Halunken haben es schlicht böswillig in die Tat umgesetzt. Das einzige Versehen, das ich dieser Bande zugestehen mag, ist die Tatsache, dass es in Deutschland trotz dieser Zerstörungen noch immer manchen Menschen wirtschaftlich einigermaßen gut geht. Das war so sicher nicht vorgesehen - und es wird sich in Bälde zunehmend ändern.

Derweil wollen uns Propaganda-Experten mit Texten wie dem verlinkten Standard-Interview beruhigen, indem sie nach alarmistischen Phrasen beruhigend resümieren, dass alles doch gar nicht so schlimm und die Umkehr im Übrigen schon eingeleitet sei. Sicher, Solarzellen auf den Dächern der Behausungen von Besserverdienern oder Car-Sharing werden die kapitalistische Katastrophe gewiss aufhalten. So naiv kann dieser Mann gar nicht sein, dass er einen solchen Stumpfsinn allen Ernstes glaubt. Vielleicht ist es kein Zufall, dass er "Hetzer" heißt.

Den oben zitierten Eingangstext zum Interview möchte ich abschließend so korrigieren: "Der Kapitalismus ist eine Kriegserklärung an die Menschheit und die Natur. (...) Die derzeitige Wirtschaftskrise ist ein Produkt aus bewusst getroffenen politischen Entscheidungen, Korruption, Habgier, Menschenfeindlichkeit, Verlogenheit, gewollter Verarmung der Massen zugunsten einer kleinen Minderheit - mithin ein glasklares Spiegelbild der üblichen kriminellen Energie der politischen 'Elite' in einem derart verkommenen System wie dem Kapitalismus." - Solche Binsenweisheiten werden wir indes in den Propagandamedien niemals zu lesen bekommen.

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Kabinett und Volk


"Alle Macht geht vom Volke aus!"
"Durch den Mund des Reichstags kommen seine Wünsche an das Ohr der Regierung."
"Aber - wichtige Dinge bleiben nach wie vor der geheimen Kabinettsberatung vorbehalten."
"Die allerwichtigsten Entscheidungen freilich behält sich der Ressortminister vor."
"Dafür darf das ganze Volk zahlen."

(Zeichnungen von Thomas Theodor Heine [1867-1948], in "Simplicissimus", Heft 33 vom 14.11.1927)

8 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Das ist das gleiche Phänomen, mit dem das Nazi-V-Mann-Förderungssystem als ""Pannenserie" umgedeutet wird oder der Ausverkauf ganzer Staaten als "Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit".

Niemand da oben hat je die Absicht, das Leben der Menschen besser zu machen. Da oben in den Schaltzentralen sitzen keine Idealisten, sondern Mächtige, egal ob sie sich grün, rot oder schwarz gebärden. Ich lebe in Berlin. Ich habe erlebt, wie selbst die Linkspartei, wenn sie an der Macht sitzt, die ganze Klaviatur der Grausamkeiten mitspielt. Sparen bis es quietscht. Hauptsache an der Macht. Jetzt tun sie wieder so, als wäre das ein Ausrutscher gewesen.

War es nicht. Das hat System. Es gibt keine Fehlentscheidungen. Und die da sitzen, sind nicht dumm, auch wenn in den Medien immer wieder suggeriert wird, dass an den Schaltstellen der Macht tapsige Bärchen sitzen, die gar nicht wissen, was sie tun..

Doch das tun sie.

Ich bin Nichtwähler und ich weiß, was ich da tue.

Holdger Platta hat gesagt…

Charlie hat die Interview-Antworten Hetzers scharfsinnig analysiert. In der Tat erliegt Hetzer der Gefahr, die Systemprobleme auf bloße Psychologie zu reduzieren - auf Dummheit, auf moralische Debilität, auf Macht- und Geldgier, die keine humanen Grenzen mehr kennt, undsoweiter. Das ist die deutliche Schwäche dieses Interviews. Und wenn Hetzer am Schluß des Interviews äußert, er wolle keine "Revolution", so ist das wohl auch im Sinne Hetzers so zu verstehen, daß er keine grundlegende Systemveränderung möchte.

Wenn ich an dieser Stelle einfügen darf: soeben hat die kulturell-politische Website von Konstantin Wecker - www.hinter-den-schlagzeilen.de - eine etwas ältere Analyse aus meiner Feder abgedruckt, die genau dieses Wepsychologisieren von Systemfehlern des Kapitalismus zum Gegenstand hat: "Wir alle sind gierig! Achja?". Diese Wegpsychologisiererei der Systemfehler in 'unserem' famosen Kapitalismus war zu beobachten bei einer der populärsten Talkshows in der ARD, in einer Sendung aus der Reihe "hartaberfair".

Lediglich in einer Hinsicht möchte ich Charlies zutreffende Analyse ergänzen (ich vermute, durchaus in seinem Sinne):

Natürlich bringt Kapitalismus auch eine bestimmte 'Psychologie' hervor, eine Psychologie, die bestens zu diesem Wirtschaftssystem paßt. Natürlich prämiert Kapitalismus Mitmenschen, die alle Gewissensbisse fahren lassen, jedwede Menschenrechtsorientierung, Mitmenschen, die um jeden Preis zu den Gewinnern des Systems zählen möchten, Mitmenschen, die Erich Fromm sehr zutreffend als "Gesellschaftscharaktere" bezeichnet hat: als durch den Kapitalismus bis weit ins Persönliche hinein deformierte Individuen. Diese Tatsache a u c h anzusprechen, kann sinnvoll sein. Ich halte das sogar für erforderlich. Nur dürfen diese Richtigkeiten nicht zur Vereinseitigung der Analyse führen, zur Fixierung auf Charaktermängel der kapitalistischen Akteure. Erliegt man diesem Reduktionismus, wird sogar das Richtige falsch.

Das eine ansprechen und das andere a u c h : mir scheint, das erst ermöglicht zutreffende Analyse der gesamten Wirklichkeit.

Charlie hat gesagt…

@ underdog: Auf Deinen Nichtwähler-Text warte ich seit Deiner ersten Ankündigung schon sehnlich. Ich vertrete in dieser Hinsicht ja eine ganz andere Meinung und werde mich gewiss gerne mit Deiner Sichtweise auseinandersetzen. :-)

Liebe Grüße!

Charlie hat gesagt…

Lieber Holdger,

ohne im Detail auf Deinen aktuellen HdS-Text eingehen zu können (das wird an anderer Stelle noch geschehen): Selbstverständlich gibt es im Kapitalismus systembedingt deformierte Persönlichkeiten, und das gewiss nicht nur in den Führungsetagen, sondern quer durch alle Bevölkerungsgruppen. Allerdings ist im Regelfalle auch ein solcher Mensch durchaus in der Lage, die Schändlichkeit seines Tuns intellektuell zu erfassen - es handelt sich da eben per definitionem nicht um (quasi versehentliche) "Fehlentscheidungen" aufgrund von "Inkompetenz", sondern um bewusste Entscheidungen, die das Eigenwohl bzw. das Wohl der eigenen Klientel ganz oben ansiedeln und das Wohl aller anderen ignorieren.

Selbstverständlich kann man an dieses Problem auch mit der Hilfe der Psychologie herangehen - allerdings nur individuell, also im Einzelfall. Für die ständig wiederholte Medien-Mär der angeblichen politischen "Fehlentscheidungen" beispielsweise taugt dieses Instrument aus meiner Sicht nicht.

Wir dürfen auch den gesamten Medienkomplex dabei nicht aus den Augen verlieren: Diese Variation der politischen "Fehlentscheidungen" spielt in diesem Schauspiel ja nur die Rolle der "Kritik", der "Opposition" (ohne freilich eine solche zu sein) - der Mainstream der Medien verkündet ja nach wie vor wie von Sinnen die "Erfolge der Agenda" und sieht überhaupt keinen Grund für Kritik - abgesehen davon, dass die Zerstörungen gerade diesen Medien meist noch nicht weit genug gehen und sie sich noch viel mehr davon wünschen.

Das ist eine klassische Scheinkritik, die insgeheim am selben Strang zieht wie das angeblich kritisierte Subjekt - was der Herr Hetzer (wohl versehentlich) auch deutlich macht, wenn er sagt: "Es ist Bewegung zu beobachten. (...) Ich möchte keine Revolution (...)."

Und noch einmal zur Psychologie: Mich persönlich interessiert es überhaupt nicht, aus welchen Gründen Menschen wie Merkel, Friedrich, von der Leyen oder die unzähligen Banker, Manager und sonstigen Geldhaie zu solchen widerwärtigen Persönlichkeiten geworden sind, die heute die Welt in den Abgrund reißen - es genügte mir vollauf, sie einfach entmachtet und enteignet zu sehen, eben zurückgeführt auf ein "normales Maß". Mit der Aufarbeitung ihrer psychischen Deformierungen könnten sie ohnehin erst dann beginnen - einen Alkoholiker kann man nicht inmitten des Vollrausches therapieren.

Liebe Grüße!

dani hat gesagt…

@ charlie

und deswegen werden "die da oben" sich nicht ändern....weil sie nämlich im vollrausch des geldes, der gier und der macht sind.
und ohne einsicht keine besserung!!

lieben gruß
dani

Charlie hat gesagt…

@ dani: Erwartet denn irgendjemand, dass "die da oben" sich ändern? Ich glaube, ich kenne niemanden, dem solche Gedanken jemals kämen. ;-) Deshalb schrieb ich ja auch, dass sie "entmachtet und enteignet" werden müssten - der Vollrausch muss beendet werden.

Liebe Grüße!

dani hat gesagt…

@ charlie

na dann: auf, auf, mein lieber "che"!

lieben gruß

Charlie hat gesagt…

Viva la revolucion!!! :-)