Freitag, 5. Dezember 2014

Der Nazi-Terror - und wie er heute kommentiert wird


Es ist ja nichts Neues, dass der umfassende Terror der Nazis zwischen 1933 und 1945 auch im damaligen öffentlichen Leben der Bevölkerung, also auch im Fasching bzw. Karneval, allgegenwärtig war. Aus Köln sind beispielsweise mindestens zwei antisemitische "Motivwagen" seit langem dokumentiert, und zwar aus den Jahren 1933 und 1936:


("Die Letzten ziehen ab", 1933)


("Däm han se op d'r Schlips getrodde!", 1936)

Nun ist in einem Archiv ein Filmdokument aus dem Jahr 1936 aufgefunden worden, das eben diesen zweiten "Motivwagen" zeigt, der aufgrund der kurz zuvor von den Faschisten beschlossenen Nürnberger "Rassegesetze" ganz besonders perfide und widerlich wirkt. Über diesen Fund hat der WDR knapp berichtet - und es dabei wie immer unterlassen, irgendwelche Bezüge zu unserer heutigen Zeit und Realität herzustellen, die ja nun angesichts der um sich greifenden Islamphobie, des zunehmenden Hartz-Terrors samt der ständigen Verharmlosungsversuche oder der permanenten Propaganda gegen Flüchtlinge ganz generell geradezu auf der Hand liegen.

Aber das soll jetzt und hier gar nicht mein Thema sein. Ich habe es nämlich gewagt, die Kommentare zu lesen, die unter diesem Beitrag abgegeben wurden. Wer sich das selber antun möchte, sei gewarnt: Sensible Menschen oder gar Humanisten können da an sehr schmerzhafte Grenzen stoßen. Die Dummheit, Geschichtsvergessenheit, Arroganz und stupide Menschenfeindlichkeit tropft da aus fast allen Zeilen. Mir ist bewusst, dass der Inhalt solcher Kommentarspalten gewiss nicht repräsentativ ist - aber die Tatsache allein, dass sich heute eine gewisse Anzahl von Menschen traut, solche Kothaufen und Jauchegruben öffentlich zu hinterlassen - und das ausgerechnet in Deutschland -, macht mich fassungslos.

Eine Auswahl:

Tom: "Ich stimme 'Kritiker' vollkommen zu. Diese dunkle Zeit wird selbst heutigen Generationen so vorgetragen, dass diese ein Mitschuldgefühl entwickeln. Ein probates Mittel der in- und ausländischen Politik um Deutschland 'gefügig' zu machen."

Zu diesem Statement kann ich nur meinen Kopf auf die Tischplatte knallen und "Setzen, sechs." röcheln. Tom kann offensichtlich nicht unterscheiden zwischen Verantwortung, Sorge und Mitschuld; außerdem wüsste ich gern, wem gegenüber (abgesehen von den USA) "Deutschland" (wer ist damit gemeint?) denn wohl "gefügig" sei. Der Hinweis auf die "in- und ausländische Politik" lässt den Einwurf komplett zur lächerlichen Farce werden, die eigentlich gar nicht kommentiert werden dürfte. Asche auf mein Haupt.

Lümmel: "Mir machen die dummen Neonazis im Übrigen kaum Sorgen. Sorgen bereiten mir die, die im Verborgenen arbeiten in Kombination mit der denkfaulen Masse. Es ist bedenklich, dass wir es in unserem Land nie geschafft haben, einen gesunden Patriotismus auf die Beine zu kriegen."

Mein Kopf ist schon blutig, knallt aber weiter auf die Tischplatte. Der "Lümmel", der wohl eher hirntot ist, beklagt also das angebliche Fehlen eines Patriotismus' in Deutschland - eines "gesunden" noch dazu, was auch immer das wohl sein mag. Angesichts der überall stark zunehmenden Deutschtümelei, der ständigen Reden der korrupten Politmarionetten über die "Führungsrolle Deutschlands in Europa" oder des schwarz-rot-pissgelben Fahnenmeers besonders zu WM-Zeiten wüsste ich ja wirklich gerne, was eine solche Figur unter einem "gesunden Patriotismus" versteht. Wahrscheinlich ist es etwas ähnliches wie die "soziale Marktwirtschaft" bzw. der "Kapitalismus mit menschlichem Gesicht", also eine blödsinnige Schimäre.

Jay: "Ja genau: unseren täglichen Nazi gib uns heute. Ich bin nach 45 geboren, ich schulde der Welt einen Driss."

Dieser Mensch rennt nun nicht mehr nur blind, sondern gleich völlig kopflos durch die Welt: Was interessiert es Jay, was damals geschehen ist - das ist belanglos und geht ihn oder sie nichts an. Solch empathiefreie, egozentrische Arschlöcher schickte ich ja allzu gerne einmal - und sei's auch nur für eine Stunde - mit einer Zeitmaschine ins Köln von 1936 zurück, versehen mit einer hübschen Armbinde, auf der ein gelber Stern prangt. Dabei sind es genau solche Widerlinge, die der Kapitalismus gleich massenhaft hervorbringt - wundern kann sich darüber eigentlich nur jemand, der längst ebenso abgestumpft und verdummt ist. Liebe/r kopflose/r Jay: Im WDR-Text, den Du ja zu "kommentieren" versucht hast, steht nichts darüber, dass ausgerechnet Du Dumpfbacke "der Welt etwas schuldest". Allerdings trägst auch Du - so wie wir alle - die Verantwortung dafür, dass ein solcher Wahnsinn nicht erneut geschieht! Ich verstehe, dass das ohne Kopf relativ schwierig ist, aber vielleicht reicht Dein Rückenmark als Denkorgan ja auch aus.

Sesam: "Und täglich grüßt das Murmeltier!"

Und dies war der finale Klopfer, der meinen Kopf blutig und reglos auf der Tischplatte zurückließ. Ich nehme jedenfalls an, dass Sesam mit diesem wahnsinnig kreativen Pamphlet nicht die furchtbare Zeitschleife der ewigen Wiederkehr des faschistischen Terrors im Kapitalismus gemeint hat, sondern eher die heute noch andauernde Thematisierung des damaligen Nazi-Geschmeißes - wie immer ohne Bezug zum System des Kapitalismus und damit tatsächlich ohne Sinn. Sesam stellt - stellvertretend für 70, 80, 90 (?) Prozent der Bevölkerung - keinen Bezug zwischen Faschismus und Kapitalismus her. Ich konnte aufgrund akuter Bewusstlosigkeitsanfälle nicht mehr darüber nachdenken. Immerhin habe ich es noch fertiggebracht, kurz die Zusammenfassung zu lesen, die sodann folgte und zu der ich tatsächlich nichts mehr sagen kann, weil die Axt in meinem gespaltenen, auslaufenden Schädel jeden weiteren Denkprozess verhindert hat (wodurch mich mit dem Urheber Enno leider einiges verbindet):

Enno: "Ein 'Film, der zurzeit für großes Interesse sorgt.' Ja, ehrlich, großes Interesse? Bei wem denn? Kenne niemand, der sich nach 80 Jahren noch dafür interessiert, wie in der NS-Zeit wohl in Köln ein Karnevalswagen ausgesehen haben mag. Und wie auch schon andere Kommentatoren hier sinngemäß angemerkt haben: sind doch nur die üblichen linksgrünen Medien und Verdächtigen, die dieses Thema seit Jahrzehnten versuchen, am kochen zu halten, damit der schläfrige deutsche Michel auch weiterhin brav seine Klappe hält. Karneval 1936: Aufnahmen aufgetaucht... und in China ist ein Sack Reis umgefallen!

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