Dienstag, 30. Dezember 2014

Europas Aufbruch in den Totalitarismus: Es geht voran!


Mit der Demokratie, den Menschen- und Bürgerrechten oder gar veralteten, sozialromatischen Träumen wie dem Datenschutz oder dem "mündigen Bürger" hat unser modernes, marktkonformes Europa des vollendeten Kapitalismus nicht mehr viel am Hut - das wissen bzw. bemerken wir alle. Umso erfrischender ist es, immer wieder miterleben zu dürfen, wie die neoliberale Bande überall allmählich jede auch noch so dämliche Maske fallen lässt und immer offensichtlicher Kurs auf den ersehnten Totalitarismus nimmt. Dazu nur zwei Beispiele aus den letzten Wochen:

Die ungarische Regierungspartei Fidesz will erneut einen heftig umstrittenen Vorschlag umsetzen: Jugendliche zwischen 12 und 18 Jahren sollen jährlich einen Drogentest absolvieren müssen. (...) Der Kommunikationsdirektor der Fidesz, Mate Kocsis, hatte vergangene Woche gesagt, ein jährlicher Drogentest solle auch Journalisten und Politikern vorgeschrieben werden.

So meldete es die Tagesschau vor drei Wochen und vergaß auch nicht den von den Initiatoren bzw. den beteiligten PR-Huren wohlfeil platzierten Hinweis, dass dies schließlich zum "Wohl der Kinder" zu geschehen habe. Denn das ist ja das ureigenste Ziel der kapitalistischen Raffgier - auch wenn das manch eine/r zwischendurch immer wieder vergisst.

Ja, Zwangsdrogentests (die bei unseren "amerikanischen Freunden" in den USA längst zu den üblichen Mitteln zur Disziplinierung auf dem "freien Arbeitsmarkt" und bei BezieherInnen von Sozialleistungen gehören), sind in der Tat ein adäquates Mittel in dieser untergehenden Zeit, um Kosten bei den Schwächsten zu sparen - insbesondere vor dem Hintergrund, dass es in diesem Schweinesystem selbstverständlich der herrschenden "Elite" obliegt zu definieren, was denn nun genau zu jenen teuflischen Drogen gehört und was nicht (und wer zu "testen" sei und wer nicht). - Ich persönlich fände einen vorgeschriebenen Intelligenz- oder, besser noch, Korruptionstest für Politiker und Journalisten ja weitaus sinnvoller, aber auf mich hört ohnehin niemand.

Deutschland wäre aber nicht Deutschland, wenn dieses verkommene Land den devoten, widerwärtigen Vorstoß aus Ungarn nicht noch locker toppen könnte - wir erinnern uns an die faschistoiden Pläne zur "Markierung von Ausweisen" und müssen nun bei n-tv lesen:

Pass-Entzug auf Verdacht ist rechtens / Ein 28-Jähriger ist dem Verfassungsschutz als Mitglied der islamistischen Szene bekannt. Als er seine Ausreise nach Syrien plant, ziehen die Behörden seinen Reisepass ein. Ein wirkungsvolles Instrument, dessen Rechtmäßigkeit die Justiz nun bestätigt.

Wir lernen: Deutschland ist wieder einmal stramm weiter als Ungarn oder die USA - hier reicht bereits der von einer zwielichtigen, offensichtlich verfassungsfeindlichen Behörde formulierte Verdacht [sic!] aus, um einem Menschen den Reisepass abzunehmen, und unsere freiheitlich-demokratische Klassenjustiz segnet das in gewohnter Winkeladvokatenmanier pfaffengleich ab. Gleichzeitig wird politisch und medial massiv Islamophobie geschürt - und im selben Atemzug sogleich wieder pseudo-kritisch verurteilt, wenn sie (wer konnte denn das auch erahnen!) auf fruchtbaren Boden fällt und strunzdämliche "Pegida"-Verirrungen zur Folge hat. - In Deutschland sind Hopfen und Malz in jeder Hinsicht endgültig verloren.

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Weltgeschichtliche Betrachtung
[oder: Schöne Träume aus der Vergangenheit]


"Glauben Sie mir, Fräuleinchen, der Tag, an dem der selige Zar den Schnaps verboten hat, der Tag war der Geburtstag des Bolschewismus."

(Zeichnung von Alphons Woelfle [1884-1951], in "Simplicissimus", Heft 44 vom 28.01.1919)

Montag, 29. Dezember 2014

Zitat des Tages: Mein weißes Blatt


Kranker Tag, wem kann ich heute schreiben?
Draußen Rost am Baukran, kalt das Eisen.
Freunde ziehen weg und wollten bleiben.
Briefe fand ich keine, will nicht reisen.
Telefon, schon lange tot? kein Zeichen?
Da ist nichts, was schreit, nur weites Schweigen
und das Wort, das bleicher auf dem weichen
Blatt bald werden wird und weiß sich zeigen.

(Jürgen Theobaldy [*1944], in: "Schwere Erde, Rauch. Gedichte", Rowohlt 1980)


Samstag, 27. Dezember 2014

Weihnachten im Kapitalismus: Gitter gegen Obdachlose


In der südfranzösischen Stadt Angouleme sind öffentliche Sitzbänke mit Gittern verbarrikadiert worden, um Obdachlose davon abzuhalten, darauf zu nächtigen - so berichtet es die heimische Propagandapresse (Beispiel Tagesschau) in christlich-empörtem Tonfall. Ausgerechnet zu Weihnachten sei so etwas ja skandalös, finden denn auch viele KommentatorInnen und stimmen ein in den weihnachtlichen Chor der Empörten.

Wieder einmal geht dabei aber völlig unter, dass es an und für sich bereits eine menschenverachtende Schande sondergleichen ist, dass dieses furchtbare System der Raffgier überhaupt Obdachlose inmitten des pervertierten Konsumterrors produziert und sich um deren Wohlergehen noch dazu nicht im Geringsten kümmert. Es gibt mehr als genügend Ressourcen, um allen obdachlosen Menschen - ob nun in Frankreich, in Deutschland oder anderswo im reichen Westen - eine anständige Wohnung bereitzustellen und damit die bittere Not der Armut etwas erträglicher zu machen. Dies wird jedoch nicht einmal experimentell angedacht - weder von der Politik, noch von den "empörten" Mainstreammedien. Eine solche Bigotterie bringt mich - "gerade zu Weihnachten" - unentwegt zum Kotzen, zumal es ja auch in Deutschland gang und gäbe ist, Obdachlose aus den Innenstädten zu vertreiben und sie zu kriminalisieren, anstatt ihnen zu helfen.

Letzten Endes sind auch die vergitterten Bänke nichts anderes als ein Symptom unter so vielen anderen für das unaufhaltsam wuchernde Krebsgeschwür des raffenden Kapitalismus, das allen anderen Menschen weder die herabrieselnden Brotkrumen, noch das Schwarze unter den Fingernägeln gönnt. Empören kann sich darüber eigentlich nur jemand, der noch immer nicht begriffen hat, in welchem perversen System wir hier leben müssen - und in welche braunen Gefilde es unweigerlich führen muss.

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Abseits



(Zeichnung von Anton Hansen [1891-1960], in "Simplicissimus", Heft 42 vom 12.01.1925)

Freitag, 26. Dezember 2014

Realitätsflucht (8): Drakensang


Es gibt Dinge, die ein Mensch wie ich einfach nicht beherrscht - dazu gehört zweifelsfrei das kluge und ausgewogen-taktische Vorgehen in Computerspielen. Es wird sicher eine gewisse Verwunderung hervorrufen, dass ich trotz dieses Wissens um meine Schwächen ausgerechnet ein Spiel wie "Das schwarze Auge: Drakensang" gespielt habe und auch noch etwas dazu schreibe.

Es begann, wie so oft, mit einer maßlosen Selbstüberschätzung: "Wenn so viele Idioten dieses Spiel meistern", so dachte ich mir irgendwann, "dann dürfte es doch auch für mich keine unüberwindbare Hürde darstellen!" - Gedacht, getan: Ich hatte die "Gold-Edition" des Spieles schon seit einiger Zeit im Schrank herumliegen, installierte es nun endlich und startete es - um nach den ersten fünf Minuten nach dem Spielstart völlig entnervt das Handtuch zu werfen, weil die Spielsteuerung so gar nicht meinem "gewohnten Luxus" entsprach. Dieses Spiel verlangte doch tatsächlich von mir, dass ich beispielsweise die rechte Maustaste gedrückt halten solle, damit die Kamera den Laufrichtungsänderungen meiner Heldin folgt! Man stelle sich das vor! Das ging gar nicht, das war unzumutbar, das war wie eine ranzige Kaviardose auf dem sterneumwobenen McDonald's-Tresen - und so beendete ich das Spiel sofort wieder und vergaß es. Das war vor etwa einem Jahr.

Nun habe ich aber - aus mir unbekannten Gründen - einen neuen Versuch gestartet und es diesmal tatsächlich geschafft, mich auf die veränderte Situation einzustellen. Ich war sehr stolz auf mich, auch wenn ich bis dahin immer noch nicht wusste, worauf ich mich da eigentlich eingelassen hatte - als gemächlicher Rollenspieler, der sich locker-flockig durch allerlei Fable-, Gothic-, Risen- und Elder-Scrolls-Geschichten geschnetzelt hat, erwartete ich nichts, das nicht zu lösen sei. Ich wurde schnell eines Besseren belehrt: Bereits das erste verkümmerte Wildschweinchen, auf das ich im Tutorial (!) stieß, beförderte mich unter mühelosem, fast schon verächtlich klingendem Grunzen innerhalb von Sekunden ins Jenseits - und spätestens an diesem Punkt wusste ich, dass es in diesem Spiel offenbar nicht ausreicht, beherzt auf Gegner zuzulaufen und dabei wild das Schwert oder die Axt zu schwingen.

Ich hatte nun gelernt, dass es verschiedene Arten von Rollenspielen gibt - "Drakensang" gehört zur Kategorie der "taktikorientierten", "rundenbasierten" Spiele, in denen es zudem nicht nur einen einzelnen Helden, sondern gleich eine ganze Gruppe davon gibt, die man steuern und ausrüsten muss. Das war weiteres, aufwühlendes Neuland für mich, dem ich mich aber beherzt genähert habe - mit anfänglich recht guten, im weiteren Spielverlauf aber immer schlechter werdenden Ergebnissen. Um es vorwegzunehmen: Ich habe das Spiel nicht geschafft - nach vielen verschiedenen kleineren und größeren Problemen und einer verdammt langen, äußerst erfreulichen Spielzeit bin ich letztlich am "Grolmenkönig" gescheitert - und der ist noch immer nicht der Endgegner in diesem Spiel.

Bis dahin allerdings hatte ich eine Menge Spaß, obwohl ich von der DSA-Welt zuvor überhaupt keine Ahnung hatte: Die mittelalterliche Fantasywelt von Aventurien ist hier grandios umgesetzt, es macht einen Heidenspaß, sie zu erkunden und all die Nebenquests in Angriff zu nehmen, die man in den Dialogen mit den vielen NPCs in den Städten und Dörfern bekommt. Dabei handelt es sich nicht, wie sonst in vielen Spielen üblich, um langweilige Sammel-Quests wie "Bring mir 10 Bärenfelle", sondern fast durchweg um eigenständige Geschichten, die längst nicht immer etwas mit dem Abmurksen irgendwelcher Monster zu tun haben. Man muss Erkundungen einholen, zwielichtigen Gestalten unbemerkt (!) folgen, in Häuser einbrechen - und sehr viele Aufgaben lassen sich auf ganz verschiedene Weise lösen: Es liegt allein beim Spieler, ob jemand nun durch Wortgewandtheit "überredet", durch Magie "betört" oder schlicht mit dem Schwert bearbeitet werden soll, um das gewünschte Ergebnis zu erreichen. Dabei hängt es natürlich von den jeweiligen Fähigkeiten des Helden, die man im Laufe des Spieles sehr detailliert beeinflussen kann, ab, ob die gewählte Strategie erfolgreich ist oder nicht. Ich habe jedenfalls bisher in keinem andern Spiel so viel Zeit damit verbracht, die erspielten Steigerungspunkte möglichst sinnvoll zu verteilen - wenn man keine Ahnung hat, worauf man dabei zu achten hat, kann das eben auch tief in die Hose gehen, so wie es bei mir der Fall war.

Zum Kampfsystem muss ich noch sagen, dass mir diese Art des Spielens einfach nicht liegt. Hier besteht ein Kampf größtenteils aus der Pausenfunktion, die sich zu jedem Zeitpunkt einschalten lässt. In dieser Ruhephase kann bzw. muss man den verschiedenen Gruppenmitgliedern bestimmte Positionen, Angriffsziele und Kampftechniken zuweisen; ebenso kann man auch Heiltränke oder andere magische Essenzen oder Praktiken anwenden - letztlich bleibt das aber eine für mich eher langweilige Angelegenheit, weil ich es weitaus mehr schätze, ganz direkt zu kämpfen oder aber - wie ich es beispielsweise in "Skyrim" so genossen habe - mich an Gegner unbemerkt heranzuschleichen und sie nach und nach mit dem Bogen oder der Armbrust zu meucheln. Das geht in "Drakensang" nicht.

Trotzdem fällt mein Fazit sehr positiv aus, denn Kämpfe sind nicht das Zentrum dieses trotz aller Schwierigkeiten gemächlichen Spieles. Es ist ein wunderbares Abenteuer, auf das ich mich zum Glück doch noch eingelassen habe; und auch wenn ich letztlich gescheitert bin: Ich bin mir sehr sicher, dass ich es irgendwann ein zweites Mal versuchen werde. Vielleicht habe ich bis dahin ja gelernt, die taktischen Potenziale des Spieles tatsächlich zu nutzen, um auch das letzte Drittel des Spieles kennen lernen zu können.


Montag, 22. Dezember 2014

Zitat des Tages: Garderobenständer und Sterne


Wo auf dem schiefgewickelten Globus noch leben,
an welchen Garderobenständer den Hut hängen,
wohin den Postboten zu Tisch bitten,
der mir gerade den Brief gebracht hat,
dass die Miete eine halbe Etage höher steige,
bis zu den Regenrinnen.
Woraus mir die Putzbrocken auf den Kopf flattern.
Was tun, auf einem wackeligen Fußboden,
der mir Kündigungen beschert,
die ich jeden Tag neu erwarte.
Und all die untröstlichen Hoffnungen in der Stadt.
In der ich nicht der erste bin,
nicht der letzte sein werde, dem das Dach überm Hut
und das Bett unterm Rücken weggezogen wird.
Sichtbar in all seiner Schönheit
der blanke Himmel darüber mit geputzten Sternen.

(Johannes Schenk [1941-2006], in: "Spektakelgucker. Gedichte", DVA 1990)





Anmerkung: Ein Kommentar ist hier eigentlich unnötig - der weihnachtlich-kapitalistische Konsumterror geht an den zunehmenden Millionen der Zwangsverarmten in diesem furchtbaren Land ohnehin völlig vorbei. Zu dieser Jahreszeit geziemt es sich sowieso nicht, ausgerechnet an die vielen MitbürgerInnen zu denken, denen von der raffgierigen "Elite" das Einkommen, die Krankenversicherung, die Wohnung geraubt wird - das passt nicht so recht in dieses scheinheilige, vollkommen pervertierte "Weihnachten". So jedenfalls scheint es die vom Kapital zum Abschuss freigegebene "Mittelschicht", die ihren drohenden Absturz zwar erahnt, dafür aber ausgerechnet - einmal mehr - schwächere Minderheiten als Ursache erkannt zu haben glaubt, zu empfinden, wenn ich meinem persönlichen Umfeld Glauben schenken darf.

Es geht alles seinen gewohnten, faschistischen Gang. Habgier, Dummheit und Menschenfeindlichkeit triumphieren auf allen beteiligten Seiten - bei den Geldspeicherbesitzern ebenso wie bei den dumpfen Horden, die "irgendwann" selber mal zu solchen raffenden Arschlöchern werden wollen, wenn es ihnen denn je gelänge. In der Tat weihnachtet es sehr. Und ich kotze mir - natürlich wirkungslos - unentwegt die Seele aus dem Leib und verzweifle an dieser völlig verblödeten Menschheit.

Freitag, 19. Dezember 2014

Song des Tages: One Small Step




(Ayreon: "One Small Step", aus dem Album "Universal Migrator, part I: The Dream Sequencer", 2000)

"It is the 20th century. I am a little boy peacefully asleep. My father comes to wake me so that I can witness an historic event in the finite story of mankind."
(Edward Reekers, Lana Lane)


On an early summer morning, July '69,
As I dream of the planets,
I hear a voice softly whisper: "Son, it is time
It's happening soon!"

It's a quarter to four now and he carries me down
To our place by the telly.
I see lights on in houses all over town
For the man on the Moon.

One small step for man
But a giant leap for mankind!
The mighty Apollo prevailed -
The Eagle has landed!


I go back to my warm bed, back to my dreams,
But not the one of the planets.
I decided this morning: I don't want to be
The man on the Moon.

One small step for man
But a giant leap for mankind!
The mighty Apollo prevailed -
The Eagle has landed!


As I lie here in this cold tank, living a dream,
I'm the last on the planets.
I decided this morning: I don't want to be
The man on Mars.

One small step for man
But a giant leap for mankind!
The mighty Apollo prevailed -
The Eagle has landed!




Anmerkung: Es ist schon erschreckend zu bemerken, wie der altbekannte "giant leap for mankind" von der selbsternannten "Elite" in nicht einmal fünfzig Jahren zu einem albernen Popanz deformiert wurde, der uns heute einen bis auf die Knochen verkommenen Globus beschert, auf dem es den dort lebenden Menschen unterm Strich noch weitaus schlechter ergeht als damals. Das war wohl nichts mit dem "großen Sprung" - wie sollte es auch anders sein, wenn allerorten der Kapitalismus wütet, rafft und zerstört.

Das dystopische Mammutwerk "Universal Migrator" von Ayreon möchte ich aber nicht nur in diesem Zusammenhang jedem wärmstens ans Herz legen - es ist der Soundtrack für das 21. untergehende Jahrhundert: ein akustisches Mahnmal für das Ende jeder Aufklärung. Offensichtlich ist es ein immer wiederkehrendes, unvermeidbares Thema der Menschheitsgeschichte, dass ein hoffnungsvoller Aufbruch ins Neue stets in der faschistischen Katastrophe endet. Auch heute sind wir ja nicht mehr weit von diesem furchtbaren Sumpf entfernt - diesmal allerdings ganz ohne einen zuvor erfolgten hoffnungsvollen Aufbruch (auch wenn gewisse Kreise den Zusammenbruch des sozialistischen Fehlversuches als solchen missbrauchen mögen). Die "Elite" lernt dazu - der dumpfe Rest der Menschheit offensichtlich nicht.

Mittwoch, 17. Dezember 2014

Die Folterpraktiken der US-Terrormiliz: Murat Kurnaz im Interview


Ich habe lange überlegt, ob ich dieses Interview mit dem ehemaligen Insassen der US-Folterlager Kandahar und Guantánamo, Murat Kurnaz, hier verlinken soll. Beim ersten Ansehen war ich völlig entsetzt wegen der unsäglichen, an trashiges Krawall-TV erinnernden Inszenierung - vor allem aber wegen des unerträglichen, pseudo-ironischen Stils des völlig inkompetenten "Interviewers" Tilo Jung. Wäre ich an Kurnaz' Stelle gewesen, hätte ich diesem zynischen, provozierenden Arschloch gleich an mehreren Stellen schlichtweg in die Fresse gehauen und wäre gegangen - und das trotz meiner pazifistischen Gesinnung.

Doch sei's drum - ich finde, dass die Aussagen und Informationen, die Kurnaz hier endlich einmal in längerer Form kundtun kann, so wichtig sind, dass ich über diese erheblichen Makel der Produktion hinwegsehen muss. Wer sich das Interview dennoch nicht ansehen kann oder möchte, findet hier eine schriftliche Transkription.

Man höre dem Mann genau zu und ignoriere den interviewenden Kasper. Alles weitere sollte das eigene Gehirn zu leisten imstande sein. Ich muss das nicht weiter kommentieren.


Dienstag, 16. Dezember 2014

Tod in Duisburg: Die Polizei, dein Freund und Helfer


Kürzlich las ich auf den Seiten des WDR einen Bericht über den Tod eines Menschen, der sich in "Polizeigewahrsam" befand:

Wer ist Schuld am Tod eines 44-Jährigen, der im August betrunken in einer Polizeizelle in Geldern ausnüchtern sollte und starb? Die Staatsanwaltschaft Kleve sagt: Niemand. Es gibt kein Strafverfahren. Und das, obwohl es Fehlverhalten bei der Betreuung gegeben hat.

Der Bericht sollte aufmerksam gelesen werden - es ergeben sich, jedenfalls für mich, gleich mehrere Fragen und Merkwürdigkeiten daraus. Zunächst fällt auf, dass hier von einer "Betreuung" des Betroffenen durch Polizisten gesprochen wird, als handele es sich um eine Art Wellness-Klinik. Diese Begriffswahl ist hanebüchen, vom WDR aber gewiss bewusst eingesetzt worden, denn schließlich leben wir nach kuhjournalistischem Glaubensdogma in einem "freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat", in dem etwas anderes nicht vorkommt. Wir sind hier schließlich nicht in Russland. - Richtig ist aber vielmehr, dass es für Personen in "Polizeigewahrsam" allerhöchstens so etwas wie eine Beaufsichtigung gibt, die im vorliegenden Falle allerdings auch nicht wirklich stattgefunden hat - der Begriff "Wegschließen" trifft das Szenario wohl am ehesten. Darüber hinaus kommen selbstverständlich auch in Deutschland Übergriffe von Polizisten wie Willkür, Schikane oder gar Brutalität vor - wer im Netz nach solchen Begebenheiten auch nur oberflächlich sucht, wird (selbst in den Kuh-Medien) schnell fündig.

Spannend ist sodann die Argumentation der zuständigen Staatsanwaltschaft, weshalb kein Strafverfahren gegen die beteiligten Polizisten eingeleitet wurde:

Laut Gerichtsmedizin hätte der Mann möglicherweise gerettet werden können, wenn man ihn spätestens alle 4 Minuten überwacht hätte. Das ist aber beim Polizeigewahrsam nicht vorgesehen. Die Beamten sollen in den ersten zwei Stunden alle 15 Minuten kontrollieren, danach dann ein Mal pro Stunde.

Ich fasse das mal verkürzt zusammen: Da wird ein offenbar stark alkoholisierter Mensch von den Staatsschergen aufgegriffen und in eine Zelle gesperrt, anstatt ihn ins Krankenhaus zu bringen oder zumindest zuvor ärztlich untersuchen zu lassen - mit dem absurden Argument, er sei "ansprechbar" gewesen. Die von Gerichtsmedizinern im Nachhinein festgestellte kontinuierliche Vier-Minuten-Frist, innerhalb derer das Leben des Mannes noch zu retten gewesen wäre, gerät so zur kafkaesken Farce: Selbst wenn dieser völlig absurde Rhythmus in der Polizeizelle eingehalten worden wäre - wie hätte so schnell ärztliche Hilfe geleistet werden sollen? Ein Arzt war ja gerade nicht vor Ort, obwohl das von Anfang an gesetzlich angezeigt gewesen wäre.

Dass auch die "regelmäßigen Kontrollen" des Weggesperrten im weiteren Verlauf nicht gesetzeskonform vonstatten gegangen sind, ist nach Ansicht der Staatsanwaltschaft aber unerheblich, denn:

Auch wenn alle Kontrollen regelmäßig und korrekt ausgeführt worden wären, hätten die Beamten nur den Tod des Mannes früher feststellen, ihn aber nicht verhindern können.

Das ist doch sehr beruhigend. Wir lernen: Wenn irgendwelche Staatsschergen ohne den Hauch einer medizinischen Kompetenz befinden, dass jemand zwar betrunken, aber "ansprechbar" sei, können sie ihn ohne jede ärztliche Konsultation beherzt in eine Zelle sperren und hernach sogar ihre "Aufsichtspflicht" verletzen - strafrechtliche Konsequenzen hat ein solches Verhalten selbst dann nicht, wenn die Person verreckt. Wenn das mal nicht ein leuchtendes Beispiel für den "freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat" neoliberaler Prägung ist, weiß ich's auch nicht.


Montag, 15. Dezember 2014

Zitat des Tages: Nocturne


Die Türglocke schrillt! Durchtrennt
die Nacht. Kein Licht, doch die Tapete
grünt, der Regen weiß den Weg
in unser Seegras. Uhrenparadoxon:
die totgeschlagne Zeit
tickt schmerzhaft in der Schläfe.

Schrillt! Leg, einen Bann,
auf die Schwelle dein Hemd.
Holzauge, trüb vom grauen Star.
In Chacabuco, sagst du,
legen sie Elektroden an. Zum Glück
ist hier alles menschlicher.

Die Glocke! Wir nehmen
die Zahnbürsten aus dem Glas,
gehen die Gartentür öffnen

und lassen das Gras herein.

(Harald Gerlach [1940-2001], in: "Mauerstücke. Gedichte", Aufbau 1979)


Anmerkung: Dieses wichtige Gedicht beschreibt sehr eindrucksvoll die eigentlich pompöse und für jedermann wahrnehmbare Ankunft des schnöden Vergessens der faschistischen Schrecken der Vergangenheit. Unüberhör- und unübersehbar macht sich diese verschlagene Gestalt des "grünenden Grases", das bekanntlich zum Zwecke des Vergessens über die Dinge wächst, allerorten breit - allerdings bleibt jede Gegenwehr aus und das "Gras" wird von allzu vielen Menschen offenbar in derselben devot-unbeteiligten Haltung hingenommen wie zu anderen Zeiten, als staatliche Häscher - gerne zu nachtschlafener Zeit - die Türglocke schrillen ließen und die Betroffenen gerade mal ihre Zahnbürste einpacken durften, bevor die böse Reise ins finstere Ungewisse begann.

Diese Anklage des Vergessens oder Vergessen-Wollens finde ich sehr bemerkenswert - gerade auch vor dem Hintergrund der Zeit und dem Ort (erschienen ist das Gedicht schon 1979 in der DDR). Gewiss ist in diesen Zeilen auch eine gehörige Portion Systemkritik an der totalitären Pervertierung des Sozialismus enthalten - der Autor hat in der frühen DDR so manch böses Erwachen durchleben müssen. Dennoch blieb er diesem Staat - trotz aller Kritik - treu, obwohl er 1979 und danach jederzeit hätte auswandern können. 1997, dann längst im "goldenen Westen" angekommen, formulierte er in seinem Roman "Windstimmen" das denkwürdige Resümee: "Wir leben bloß in dem Moment, in dem wir begreifen, dass es das Leben nicht geben wird, auf das wir gewartet haben."

Was es aber geben wird - und da war sich Gerlach offensichtlich schon 1979 länderübergreifend sicher -, ist das dumpfe Vergessen und die damit zwingend verbundene Wiederholung des menschenfeindlichen Terrors. Wir müssen das heute noch viel bedrohlicher empfinden und verängstigter bestätigen - angesichts der faschistoiden neoliberalen Politik für die "Elite", der totalen Überwachung der BürgerInnen und damit einhergehenden staatlichen Repression, der stetig steigenden Kriegsgeilheit, der zunehmenden Verarmung immer größerer Teile der Bevölkerungen, der daraus bekanntermaßen resultierenden zunehmenden Ausländer- und generellen Minderheitenfeindlichkeit und nicht zuletzt der bereits existenten Geheimpolizeien, Lager und Foltermaßnahmen im "Namen der Freiheit und Demokratie", von denen gewiss erst ein Bruchteil wirklich bekannt ist.

Wenn Gras über die vergangenen Menschenfeindlichkeiten wächst, werden die neuen nur umso üppiger darauf blühen. Wir leben in einer äußerst grünenden, wahrlich schlimmen Zeit, die den verwesenden Geruch ihres braunen Untergangs meilenweit vor sich her trägt.

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Wer von uns wacht hier [bei den grünenden Trümmern von Auschwitz] und warnt uns, wenn die neuen Henker kommen? Haben sie wirklich ein anderes Gesicht als wir? Irgendwo gibt es noch Kapos, die Glück hatten, Prominente, für die sich wieder Verwendung fand, Denunzianten, die unerkannt blieben; gibt es noch all jene, die nie daran glauben wollten - oder nur von Zeit zu Zeit.

Und es gibt uns, die wir beim Anblick dieser Trümmer aufrichtig glauben, der Rassenwahn sei für immer darunter begraben, uns, die wir dieses Bild entschwinden sehen und tun, als schöpften wir neue Hoffnung, als glaubten wir wirklich, dass all das nur EINER Zeit und nur EINEM Land angehört, uns, die wir vorbeisehen an den Dingen neben uns und nicht hören, dass der Schrei nicht verstummt.

(Jean Cayrol [1911-2005]: Schlusskommentar in der Dokumentation "Nacht und Nebel" [1955], übersetzt von Paul Celan [1920-1970])

Donnerstag, 11. Dezember 2014

Song des Tages: Tighinn Air A'mhuir Am Fear A Phosas Mi




(Capercaillie: "Tighinn Air A'mhuir Am Fear A Phosas Mi", aus dem Album "Nàdurra", 2000)

Is pòsaidh mi, is pòsaidh mi

Theid thu null air an fhadhail ni thu sin
Thig thu nall air an fhadhail ni thu sin
Theid thu null air an fhadhail ni thu gruagach a thadhal
Far na dh'fhàg thu do roghainn ni thu sin

O tha m'ulaidh air tha m'ulaidh air cha bhith e ris an òl
Tha maighear air tha maighear air cha bhi e ris an òl
Meudail air an t-sùil 's air a mhala th'os a cionn
Gaòl mo chridhe air a ghille gràdhan air

Tighinn air a'mhuir tha fear a phòsas mì
Tighinn air a'mhuir tha fear a phòsas mì
Tighinn air a'mhuir tha'n gille buidhe bòidheach
Cìobair nan oithisgean is pòsaidh mì

O tha m'ulaidh air tha m'ulaidh air cha bhith e ris an òl
Tha maighear air tha maighear air cha bhi e ris an òl
Meudail air an t-sùil 's air a mhala th'os a cionn
Gaòl mo chridhe air a ghille gràdhan air

Tighinn air a'mhuir tha fear a phòsas mì
Tighinn air a'mhuir tha fear a phòsas mì
Tighinn air a'mhuir tha'n gille buidhe bòidheach
Cìobair nan oithisgean is pòsaidh mì

O tha m'ulaidh air tha m'ulaidh air cha bhith e ris an òl
Tha maighear air tha maighear air cha bhi e ris an òl
Meudail air an t-sùil 's air a mhala th'os a cionn
Gaòl mo chridhe air a ghille gràdhan air



Anmerkung: Wenn ich je die tatsächliche Möglichkeit erhalten hätte, meinen ständigen Aufenthaltsort frei zu wählen, wäre Schottland mindestens unter den ersten drei Zielen gewesen. Bislang hat es nur für einen ausgedehnten Rucksackbesuch gereicht, an den ich mich immer wieder sehnsuchtsvoll erinnere - doch ich muss mich wohl mit dem Gedanken anfreunden, dass ich es dank der Schröder'schen Zwangsverarmung der hiesigen Bevölkerung zeitlebens nicht mehr schaffen werde, diese überwältigende Region auf diesem Planeten erneut zu besuchen. So bleiben mir die Musik und die Bilder - und natürlich meine Erinnerung, die mir auch die neoliberale, raffgierige Bande nicht mehr rauben kann.

So schön kann im Übrigen Volksmusik - natürlich nur außerhalb Deutschlands - sein; auch wenn es inhaltlich in diesem traditionellen Liedchen vornehmlich um die Freude eines Mädchens geht, endlich einen heiratswilligen Kerl gefunden zu haben, der nicht säuft. Volksmusik ist manchmal - natürlich ebenfalls nur außerhalb Deutschlands - ernüchternd ehrlich. ;-)

Mittwoch, 10. Dezember 2014

Realitätsflucht (7): Assassins of Kings


Nach längerem Zögern habe ich mich nun endlich auch einmal dem von vielen Seiten gerühmten Fantasy-Spiel "The Witcher 2: Assassins of Kings" gewidmet, das vom polnischen Entwicklerstudio CD Project RED im Mai 2011 veröffentlicht wurde. Gleich vorweg muss ich konstatieren, dass ich sehr gerne zuvor auch den ersten Teil aus dem Jahr 2007 gespielt hätte - leider ist es bislang aber niemandem gelungen, dieses Spiel auf einem Win-7-System (64b) zum Laufen zu bekommen. So startete ich also direkt in den zweiten Teil (in der "Enhanced Edition") und wurde mit einem fulminanten Intro, in dem wir natürlich - wie sollte es anders sein - Zeuge eines Königsmordes werden, begrüßt:



Wer sich über die Handlung dieses Spieles informieren möchte, kann beispielsweise bei Wikipedia nachlesen. Ich wusste jedenfalls, als ich begann, nichts über dieses Spiel und war zunächst wegen des vergleichsweise komplexen Kampfsystems, das in einem Tutorial ausführlich vorgestellt wird, ein wenig überfordert. Nach einer gewissen Eingewöhnungs- und Einarbeitungszeit war mir das Wesentliche aber klar - und ich wusste schon, dass ich hier mit dem aus anderen Spielen gewohnten simplen Herumklicken, um wild auf Gegner einzudreschen, wohl nicht sehr weit kommen würde.

Der Fokus des gesamten Spieles liegt klar auf der Erzählung der Geschichte - es gibt massenhaft Dialoge und viele animierte Zwischensequenzen, so dass ich mich zeitweise eher in einem interaktiven Spielfilm als in einem Rollenspiel wähnte. Das werte ich jedoch nicht negativ, denn die Geschichte ist spannend und bietet genug unerwartete Wendungen, um nicht als "Massenware" negativ aufzufallen. Dazu trägt der Hauptcharakter Geralt von Riva, in dessen Rolle der Spielende schlüpft, wesentlich bei. Besonders hervorheben möchte ich hier auch die endlich einmal professionelle und wirklich gelungene deutsche Synchronisation des Spieles. Gerade die Stimme Geralts unterstreicht die Atmosphäre sehr stark - die markigen Sprüche und oftmals bissigen und (selbst-)ironischen Bemerkungen des Helden machen einfach Spaß. Wenn Geralt wieder einmal von einer Horde Monstern angegriffen wird und sich wagemutig in den Kampf wirft, reicht beispielsweise ein hingeschlonztes "Ich bin zu alt für sowas!", um für wohlige Stimmung zu sorgen. An einer anderen Stelle gibt's gar einen hübschen Verweis auf ein anderes Epos des Fantasy-Genres: Geralt erhält wieder einmal eine schier unlösbare Quest und wird von seinem Auftraggeber abschließend sinngemäß darauf hingewiesen: "Alternativ kannst du natürlich auch einen der 20 Ringe der Macht finden." Darauf antwortet der Held lapidar: "Natürlich, und ich hüpfe dann barfuß über die Hänge des Vulkans ... vergiss es." - Solche Querverweise finde ich wunderbar.

Die Spielewelt von "The Witcher 2" ist nicht komplett offen, sondern in drei Areale unterteilt - für jedes Kapitel (im Spiel "Akt" genannt) eines. Das stört nicht, wie ich finde, denn die Areale sind recht groß und abwechlungsreich gestaltet - und bezogen auf die Handlung gibt es ohnehin keinen Grund, später noch einmal in bereits abgeschlossene Gebiete der vorhergehenden Kapitel zurückzukehren. Grafisch bewegt sich das Spiel auf einem eher unterdurchschnittlichen Niveau - selbst in der höchstmöglichen Auflösung bleibt die grafische Darstellung weit unter dem schon 2011 möglichen Standard. Mich stört so etwas ja nicht, aber wer darauf großen Wert legt, sollte gewarnt sein. (Dies bezieht sich natürlich nur auf die PC-Version des Spiels - der Konsolenfirlefanz muss ja trotz der überteuerten Preise stets mit schlechterer Grafik Vorlieb nehmen.)

Mein Hauptkritikpunkt an diesem Spiel ist die - auch durch Nachbesserungen in der "Enhanced Edition" nicht komplett abgestellte - wenig geglückte Ausbalancierung der Gegner. Gerade im ersten Kapitel wird das sehr deutlich: Nachdem ich mich stundenlang recht erfolgreich durch verschiedenste Gegnerhorden geschnetzelt und dabei auch das eingangs erwähnte komplexere Kampfsystem recht gut erlernt hatte, stieß ich zum Ende des Kapitels auf einen Gegner, der (für mich) nahezu unbesiegbar war. Ich habe alle Tricks, Kniffe und Taktiken ausprobiert und bin dennoch unzählige Male abgenippelt, so dass ich kurz davor war, das Spiel abzubrechen. Es war reines Glück, dass ich es beim gefühlten 187. Versuch - mit einem Restbalken an Lebensenergie, der etwa die Größe eines Fliegenschisses hatte - schließlich doch noch geschafft habe. Das muss - und sollte - nicht sein. Etwas ähnliches hat sich im dritten Kapitel - erstaunlicherweise aber nicht am vergleichsweise leichten Ende - wiederholt.

Abgesehen von einigen wenigen Bugs, wiederholten Abstürzen des Spiels und einer manchmal unzureichenden Quest-Information, was man denn aktuell auf welche Weise erledigen soll, habe ich sonst nur noch einen Kritikpunkt, den ich ansprechen muss, und das ist eindeutig der Umfang. Das Spiel ist zu kurz - obwohl durch die erwähnte "Enhanced Edition" auch in dieser Hinsicht bereits nachgebessert wurde. Gerade das dritte Kapitel, dem erzählerisch eigentlich ein Potenzial für ein ganzes Epos innewohnt, hat mich sehr enttäuscht. Allerdings gilt es zu bedenken, dass "The Witcher" aus einem vergleichsweise kleinen Entwicklerstudio stammt, das zudem - zumindest bisher - sämtliche nachträglichen Inhalte und Verbesserungen gerade nicht als zu bezahlende "DLCs" angeboten, sondern komplett kostenlos zur Verfügung gestellt hat. Wer also seinerzeit die erste Version des Spieles gekauft hat, konnte sich die etwa 10 GB große "Enhanced Edition" später kostenlos herunterladen. So etwas wäre bei den "Großen" auf dem Markt der Spieleentwickler - und nicht nur dort - undenkbar.

"Assassins of Kings" ist ein fantastischer Spielspaß, der trotz einiger Mankos und Schwächen neuerdings zu meinen Favoriten des Rollenspielgenres zählt. Ich bin sicher, dass mein erster Versuch als "Hexer" im Lande Temerien nicht der letzte war.


Dienstag, 9. Dezember 2014

Zitat des Tages: Das Eigentum


Da bin ich noch: mein Land geht in den Westen.
KRIEG DEN HÜTTEN - FRIEDE DEN PALÄSTEN.
Ich selber habe ihm den Tritt versetzt.
Es wirft sich weg und seine magre Zierde.
Dem Winter folgt der Sommer der Begierde.
Und ich kann bleiben wo der Pfeffer wächst.
Und unverständlich wird mein ganzer Text.
Was ich niemals besaß wird mir entrissen.
Was ich nicht lebte, werd ich ewig missen.
Die Hoffnung lag im Weg wie eine Falle.
Mein Eigentum, jetzt habt ihrs auf der Kralle.
Wann sag ich wieder mein und meine alle.

(Volker Braun [*1939], in: "Die Zickzackbrücke. Ein Abrisskalender", mdv 1992)



Statt einer Anmerkung: "Volker Brauns Gedicht 'Das Eigentum' ist eine Klage über das schnelle Ende der DDR, seines Landes, in dem er verwurzelt war und zu dem er sich - bei aller Kritik - öffentlich bekannte. Es erschien im August 1990 unter dem Titel 'Nachruf' in der Tageszeitung 'Neues Deutschland' und war Teil einer heftigen, oft auch verletzenden Kontroverse zur deutschen Wiedervereinigung. West- und ostdeutsche Autoren und solche, die einmal ostdeutsche Autoren gewesen waren und nun im Westen lebten, stritten um die deutschdeutsche Vergangenheit und die gesamtdeutsche Zukunft. Vor allem aber stritten sie über die Literatur, genauer: über die Funktion von Literatur in der Gesellschaft und darum, wie sie sich zur Politik zu verhalten habe. Letztlich ging es um die Frage, in welchem Deutschland die richtige und gerechte deutsche Literatur 40 Jahre lang ihren Wohnort gehabt hatte. In dieser hitzigen Debatte wirkte Brauns leises, trauriges Gedicht wie ein Innehalten, eine wehmütige Erinnerung, der Abgesang auf etwas, das einmal viele Hoffnungen barg und nun unwiederbringlich verloren war."

(Auszug aus einer Gedichtanalyse [pdf] von Rose Sommer von der Uni Duisburg-Essen)

Montag, 8. Dezember 2014

Ramelow: Im Kapitalismus nichts Neues


Der Gärtner hat im vergangenen Jahr in seiner Kolumne bei Titanic-Online ja so manches Kleinod hervorgebracht, das ich gelegentlich auch kommentiert habe. Gestern allerdings hat er sich einmal mehr übertroffen und über den schon im Vorfeld medial in den groteskesten Farben ausgemalten "Skandal" eines drohenden "ersten linken Ministerpräsidenten in Deutschland" - Bodo Ramelow in Thüringen - in wenigen Absätzen alles Nötige gesagt. Wenn ich das dürfte, gäbe ich den komplettem Text hier wieder, so aber muss ich mich den kapitalistischen Rahmenbedingungen unterwerfen und mich mit einem deutlichen Verweis auf die Originalquelle mit einigen wenigen Auszügen begnügen. Ein Kernsatz lautet:

Es ist bei allem, was man weiß und schon erlebt hat, doch wieder erschütternd zu erleben, dass öffentlich-rechtliche Journalisten noch zu dumm sind zu sehen, dass ein Ministerpräsident von der Linkspartei wirklich alles anzeigt, nur eben keine Renaissance des Sozialismus in Deutschland, viel eher schon, im Gegenteil, dessen Mausetod.

Es ist in der Tat immer wieder schmerzhaft, wenn - sowohl in den Propagandamedien, als auch in diversen Blogs - die Linke (zumal deren thüringische Variante) mit dem Begriff "Sozialismus" belegt wird. Sozialistisch ist an dieser im dreckigsten Kapitalismus angekommenen Landespartei soviel wie an der "Kom(munist)ischen Partei Chinas" (KPCh) oder den "Arschgesichtern für Deutschnationale" (AfD). Ich halte die deutschen Kuhjournalisten allerdings nicht für so dumm, dass sie tatsächlich nicht wissen, was für einen gegorenen Quark sie da verbreiten. Der Punkt, an dem man diesen wenigen fürstlich bezahlten GroßverdienerInnen des öffentlich-repressiven Propagandafernsehens, auf die Gärtner sich bezieht, noch Dummheit unterstellen konnte, liegt doch schon lange hinter uns. Hier ist längst die Eskalationsstufe der klaren Korruption erreicht: Sie wissen, was sie tun, und sie tun es - natürlich - für Geld.

Dasselbe gilt freilich für all die jetzt an die Geldtöpfe vorrückenden Figuren, die sich da im Gefolge der Linken in Thüringen tummeln und die damit dem langjährigen Beispiel der korrupten "Altparteien" nachfolgen: Da wird um Posten geschachtert, da gilt es, "Budgets" zu ergattern und möglichst üppig die eigenen Taschen zu füllen und dabei natürlich auch an die Zukunft den eigenen Machterhalt zu denken. Die kommenden Zeiten sind gewiss nicht rosig, da sind sich alle einig, auch wenn die zwingende Frage nach dem "Warum" inzwischen auch bei der Linkspartei in Thüringen keine Rolle mehr spielt und der Kapitalismus samt perversem Superreichtum die gottgegebene, nicht veränderbare Norm des Glaubensinhaltes darstellt. Und, Hand aufs Herz: Wer von uns handelte im Rahmen dieses perversen Systems tatsächlich anders, wenn er oder sie in die Nähe der endlich einmal dauerhaft existenzsichernden Geldquellen käme? Na? Wieviele schreien da wohl: "Ich! Hier!"? - Ich könnte das nicht, dazu ist meine existenzielle Not bereits zu groß. Ich bin längst wieder käuflich, zur billigen Nutte mutiert und zu allem bereit, auch wenn es niemanden mehr gibt, der mich - und sei's auch nur für einen Appel und ein Ei - kaufen möchte.

Deshalb kann der Gärtner in der heutigen Zeit, in der eine möglichst dauerhafte Existenzsicherung der Menschen von den neoliberalen Vasallen nahezu vollständig entsorgt bzw. bereits ins völlig pervertierte Gegenteil verkehrt wurde, auch zu keinem anderen Resümee kommen:

Entkernt, entseelt, bis auf den Grund verdummt. Gäbe es denn eine Saat des Sozialimus, sie fiele auf Beton.

Ich hätte diese bittere Erkenntnis noch ergänzt, nämlich etwa so: "Und auf dem Beton kriechen die bereits verarmten Menschen in ihrem verzweifelten Existenzkampf herum und können die - so es sie denn gäbe - verdorrende, vergebliche Saat gar nicht mehr bemerken, während ihre Anzahl proportional zum Inhalt der Geldspeicher der kleinen Clique der Superreichen stetig steigt."

Das ist Terror. Und niemand bekämpft ihn. Bodo Ramelow ist so ziemlich der Letzte, von dem ich hier irgendetwas Sinnvolles erwarte oder erhoffe. Die kapitalistische Katastrophe nimmt unbeirrt ihren bekannten Lauf.

Lest den Gärtner. Dringend.

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Die Neugewählten


"Das war ein harter Kampf, Herr Kollege ... aber jetzt haben wir ja ein paar Jahre Zeit zum Ausschlafen."

(Zeichnung von Karl Arnold [1883-1953], in "Simplicissimus", Heft 11 vom 09.06.1920)

Samstag, 6. Dezember 2014

Song des Tages: Only When You're Gone




(Madrugada: "Only When You're Gone", aus dem Album "The Nightly Disease", 2001)

Only when you're gone
Only when you're gone
Only when you're gone
And away
Only when you're gone

Gonna need a hammer and nails
To construct this bitter love song
This cruel testamented song
That rings out only when you're gone

Only when you're gone
Only when you're gone
Only when you're gone
And away
Only when you're gone

Rude are the tongues of love
That speak of mercy for us all
And leave us only with a song
And leave us only with a song
Now it's a cold and hollow whisper
That consumes my body when you're gone

Only when you're gone
Only when you're gone
Only when you're gone
And away
Only when you're gone

And it's only when you're gone and away
Your ghost runs through me in that special way
It's a nice old town, my hometown
Come for the darkness of this prison cell
I love you long and I love you well

So bury me in the kitchen
Bury me at the store
Oh, bury me everywhere you go
In the shadows of the hallway
Oh, for we do no longer know
What we can no longer hold
On days like these our heads fill up with smoke
And our memories grow old

Only when you're gone
Only when you're gone
Only when you're gone
And away
Only when you're gone

And gone away
And gone away


Freitag, 5. Dezember 2014

Der Nazi-Terror - und wie er heute kommentiert wird


Es ist ja nichts Neues, dass der umfassende Terror der Nazis zwischen 1933 und 1945 auch im damaligen öffentlichen Leben der Bevölkerung, also auch im Fasching bzw. Karneval, allgegenwärtig war. Aus Köln sind beispielsweise mindestens zwei antisemitische "Motivwagen" seit langem dokumentiert, und zwar aus den Jahren 1933 und 1936:


("Die Letzten ziehen ab", 1933)


("Däm han se op d'r Schlips getrodde!", 1936)

Nun ist in einem Archiv ein Filmdokument aus dem Jahr 1936 aufgefunden worden, das eben diesen zweiten "Motivwagen" zeigt, der aufgrund der kurz zuvor von den Faschisten beschlossenen Nürnberger "Rassegesetze" ganz besonders perfide und widerlich wirkt. Über diesen Fund hat der WDR knapp berichtet - und es dabei wie immer unterlassen, irgendwelche Bezüge zu unserer heutigen Zeit und Realität herzustellen, die ja nun angesichts der um sich greifenden Islamphobie, des zunehmenden Hartz-Terrors samt der ständigen Verharmlosungsversuche oder der permanenten Propaganda gegen Flüchtlinge ganz generell geradezu auf der Hand liegen.

Aber das soll jetzt und hier gar nicht mein Thema sein. Ich habe es nämlich gewagt, die Kommentare zu lesen, die unter diesem Beitrag abgegeben wurden. Wer sich das selber antun möchte, sei gewarnt: Sensible Menschen oder gar Humanisten können da an sehr schmerzhafte Grenzen stoßen. Die Dummheit, Geschichtsvergessenheit, Arroganz und stupide Menschenfeindlichkeit tropft da aus fast allen Zeilen. Mir ist bewusst, dass der Inhalt solcher Kommentarspalten gewiss nicht repräsentativ ist - aber die Tatsache allein, dass sich heute eine gewisse Anzahl von Menschen traut, solche Kothaufen und Jauchegruben öffentlich zu hinterlassen - und das ausgerechnet in Deutschland -, macht mich fassungslos.

Eine Auswahl:

Tom: "Ich stimme 'Kritiker' vollkommen zu. Diese dunkle Zeit wird selbst heutigen Generationen so vorgetragen, dass diese ein Mitschuldgefühl entwickeln. Ein probates Mittel der in- und ausländischen Politik um Deutschland 'gefügig' zu machen."

Zu diesem Statement kann ich nur meinen Kopf auf die Tischplatte knallen und "Setzen, sechs." röcheln. Tom kann offensichtlich nicht unterscheiden zwischen Verantwortung, Sorge und Mitschuld; außerdem wüsste ich gern, wem gegenüber (abgesehen von den USA) "Deutschland" (wer ist damit gemeint?) denn wohl "gefügig" sei. Der Hinweis auf die "in- und ausländische Politik" lässt den Einwurf komplett zur lächerlichen Farce werden, die eigentlich gar nicht kommentiert werden dürfte. Asche auf mein Haupt.

Lümmel: "Mir machen die dummen Neonazis im Übrigen kaum Sorgen. Sorgen bereiten mir die, die im Verborgenen arbeiten in Kombination mit der denkfaulen Masse. Es ist bedenklich, dass wir es in unserem Land nie geschafft haben, einen gesunden Patriotismus auf die Beine zu kriegen."

Mein Kopf ist schon blutig, knallt aber weiter auf die Tischplatte. Der "Lümmel", der wohl eher hirntot ist, beklagt also das angebliche Fehlen eines Patriotismus' in Deutschland - eines "gesunden" noch dazu, was auch immer das wohl sein mag. Angesichts der überall stark zunehmenden Deutschtümelei, der ständigen Reden der korrupten Politmarionetten über die "Führungsrolle Deutschlands in Europa" oder des schwarz-rot-pissgelben Fahnenmeers besonders zu WM-Zeiten wüsste ich ja wirklich gerne, was eine solche Figur unter einem "gesunden Patriotismus" versteht. Wahrscheinlich ist es etwas ähnliches wie die "soziale Marktwirtschaft" bzw. der "Kapitalismus mit menschlichem Gesicht", also eine blödsinnige Schimäre.

Jay: "Ja genau: unseren täglichen Nazi gib uns heute. Ich bin nach 45 geboren, ich schulde der Welt einen Driss."

Dieser Mensch rennt nun nicht mehr nur blind, sondern gleich völlig kopflos durch die Welt: Was interessiert es Jay, was damals geschehen ist - das ist belanglos und geht ihn oder sie nichts an. Solch empathiefreie, egozentrische Arschlöcher schickte ich ja allzu gerne einmal - und sei's auch nur für eine Stunde - mit einer Zeitmaschine ins Köln von 1936 zurück, versehen mit einer hübschen Armbinde, auf der ein gelber Stern prangt. Dabei sind es genau solche Widerlinge, die der Kapitalismus gleich massenhaft hervorbringt - wundern kann sich darüber eigentlich nur jemand, der längst ebenso abgestumpft und verdummt ist. Liebe/r kopflose/r Jay: Im WDR-Text, den Du ja zu "kommentieren" versucht hast, steht nichts darüber, dass ausgerechnet Du Dumpfbacke "der Welt etwas schuldest". Allerdings trägst auch Du - so wie wir alle - die Verantwortung dafür, dass ein solcher Wahnsinn nicht erneut geschieht! Ich verstehe, dass das ohne Kopf relativ schwierig ist, aber vielleicht reicht Dein Rückenmark als Denkorgan ja auch aus.

Sesam: "Und täglich grüßt das Murmeltier!"

Und dies war der finale Klopfer, der meinen Kopf blutig und reglos auf der Tischplatte zurückließ. Ich nehme jedenfalls an, dass Sesam mit diesem wahnsinnig kreativen Pamphlet nicht die furchtbare Zeitschleife der ewigen Wiederkehr des faschistischen Terrors im Kapitalismus gemeint hat, sondern eher die heute noch andauernde Thematisierung des damaligen Nazi-Geschmeißes - wie immer ohne Bezug zum System des Kapitalismus und damit tatsächlich ohne Sinn. Sesam stellt - stellvertretend für 70, 80, 90 (?) Prozent der Bevölkerung - keinen Bezug zwischen Faschismus und Kapitalismus her. Ich konnte aufgrund akuter Bewusstlosigkeitsanfälle nicht mehr darüber nachdenken. Immerhin habe ich es noch fertiggebracht, kurz die Zusammenfassung zu lesen, die sodann folgte und zu der ich tatsächlich nichts mehr sagen kann, weil die Axt in meinem gespaltenen, auslaufenden Schädel jeden weiteren Denkprozess verhindert hat (wodurch mich mit dem Urheber Enno leider einiges verbindet):

Enno: "Ein 'Film, der zurzeit für großes Interesse sorgt.' Ja, ehrlich, großes Interesse? Bei wem denn? Kenne niemand, der sich nach 80 Jahren noch dafür interessiert, wie in der NS-Zeit wohl in Köln ein Karnevalswagen ausgesehen haben mag. Und wie auch schon andere Kommentatoren hier sinngemäß angemerkt haben: sind doch nur die üblichen linksgrünen Medien und Verdächtigen, die dieses Thema seit Jahrzehnten versuchen, am kochen zu halten, damit der schläfrige deutsche Michel auch weiterhin brav seine Klappe hält. Karneval 1936: Aufnahmen aufgetaucht... und in China ist ein Sack Reis umgefallen!

Donnerstag, 4. Dezember 2014

Zitat des Tages: Bürger


Bürger,

nehmt euch in acht vor dem Fremden mit leichtem Gepäck!
Sein Blick durchschneidet die dickste Luft,
sein Blick durchstochert die dunkelsten Gassen,
ein Schabmesser, das an den Hauswänden kratzt,
ein Glasschneider, der die Fenster durchritzt,
eine Klinge, die zwischen Türspalten fährt,
ein Dolch, der aufspießt, was ihm begegnet.

Hütet euch, Kinder, vor seinem freundlichen Wort,
vor seinen Pfiffen, Bonbons und Tricks,
hütet euch vor seiner Flöte!

Nehmt euren Hut vors Gesicht, Bürger,
bevor euch sein Auge trifft,
zieht eure Ohren und Schwänze ein,
haltet den Mund, nicht den Dieb!

Bindet den Hund an die Leine
und fester den Helm, Polizisten!
Doch ich rate euch, nicht seinen Pass zu verlangen,
und macht seinen kleinen Koffer nicht auf!
Lasst ihn laufen, seid froh, wenn er läuft!
Lasst euren Knüppel im Sack!

Bürger, lasst auch den Esel im Stall
und den Tisch ungedeckt, wenn er naht.
Er schnappt euch den Bissen vom Teller,
er schlürft euch den Wein aus der Flasche
und beißt in die Gläser,
er frisst euch die Zeitungen aus der Hand
und kotzt sie zerkaut vor die Füße.

Bietet ihm keinen Stuhl an,
hängt euer Ruhetagsschild vor die Schenken,
Bürger, und staut euch nicht auf dem Steig!
Fallt nicht auf, fallt nicht um,
fallt ihm niemals ins Wort,
nicht in den Arm und nicht in den Schritt,
fallt ihm nur nicht auf die Nerven!

Schont eure Anlagen, Bürger,
lasst eure Steine im Glashaus,
die Katzen im Sack,
und schüttet die offenen Gruben zu!

Prüft eure Blitzableiter, die Feuermelder,
prüft eure Leitungen, Drähte und Schläuche,
schaltet den Strom ab, das Gas und das Denken,
dreht eure Hähne zu und verbergt eure Küken!

Steckt eure Frauen in Lederjacken,
schützt ihre Blusen vor seinem Messer,
und rührt euch nicht, wenn er schon schlitzt.
Steht still! Aber geht, wenn er geht,
und seht ihm nicht nach, seht ihn nicht an,
aber seht auch nicht auffällig weg!
Vermeidet alles, was provoziert,
tretet leise, fahrt Rad oder Auto,
doch leise - und produziert!

Steigert die Umsätze, Männer,
erhöht die Absätze, Frauen,
setzt eure Männer mit um!
Setzt eure Frauen und Kinder mit ab,
sichert euch Nachlass, sichert euch Ablass,
sichert euch und versichert euch,
und zahlt die Reststeuer pünktlicher,

BÜRGER!

(Wolfgang Bächler [1925-2007], in: "Die Erde bebt noch. Frühe Gedichte 1942-1957", Fischer 1988)



Anmerkung: Bächler hat dieses bemerkenswerte Gedicht einige Jahre nach der Veröffentlichung zu einem kurzen Prosa-Text mit dem Titel "Ein Fremder in der Stadt" umgeschrieben, der noch ein wenig deutlicher macht, wer mit jenem Fremden, dem die narkotisierte, verdummte und völlig verschreckte Bevölkerung hier begegnet, gemeint ist. Man muss Worte wie Kapitalismus, Raffgier oder Ausbeutung gar nicht benutzen, um sie bloßzustellen und zu kritisieren.

Vor knapp drei Monaten schrieb ich über den Autor: "Von Bächler ist die wunderbare Selbstbeschreibung überliefert: 'Ich bin ein Sozialist ohne Parteibuch, ein Deutscher ohne Deutschland, ein Lyriker ohne viel Publikum ... kurzum ein unbrauchbarer, unsolider, unordentlicher Mensch, der keine Termine einhalten und keine Examina durchhalten kann und Redakteure, Verleger und Frauen durch seine Unpünktlichkeit zur Verzweiflung bringt.' Ich wüsste nicht, wie man sich mit so wenigen Worten noch besser und sympathischer vom hochglänzenden Lügenterror der neoliberalen Bande und ihrem faschistoiden Menschenbild abgrenzen könnte."

Selbstverständlich ändert das nichts daran, dass wir inmitten eines apokalyptischen, menschenfeindlichen Albtraumes leben, aus dem es keinen gangbaren Ausweg zu geben scheint. Es ist aber, wie ich finde, zumindest hilfreich zu bemerken, dass es in der Vergangenheit Menschen gab, die das ebenfalls in aller Deutlichkeit registriert hatten.

Mittwoch, 3. Dezember 2014

Breaking News: Putins Terror-Regime nun auch in Köln!


Heute durfte ich auf der hochseriösen Website des WDR die folgende Meldung lesen (die Korrekturen der Schreib- oder Tippfehler stammen von mir):

Der halb-nackte Auftritt einer Femen-Aktivistin bei der Weihnachtsmesse 2013 im Kölner Dom hat ein juristisches Nachspiel vor Gericht. Der Frau wird "Störung der Religionsausübung" vorgeworfen. Die Aktivistin muss sich ab Mittwoch vor dem Kölner Amtsgericht verantworten.

Nein, welch ein Skandal, dachte ich belustigt, als ich das las, und musste natürlich sofort an den großen Medienaufreger der Aktion von "Pussy Riot" in Russland, die nur allzu gerne zu "Ikonen des Widerstandes gegen Putin" hochstilisiert wurden, denken. Was haben sich die heimischen Propagandablätter seinerzeit doch das geifernde Maul zerrissen, um über die üble Behandlung von Kirchen- oder gar Politikkritikern in diesem Dämonenreich des Bösen zu schimpfen. Jetzt allerdings schweigen die versammelten Blätter und deren Mietmäuler fast ausnahmslos, denn es ist selbstredend etwas anderes, ob im teuflischen Russland oder in Köln gegen die verkrustete Kirche, die verkrustete Politik oder andere korrupte Verkrustungen protestiert wird.

Der WDR beruhigt seine LeserInnen in bester Orwell-Tradition sogleich, denn die arme Verwirrte, die den unheiligen Protest gewagt hat, hat natürlich in unserer freiheitlich-demokratischen Welt keine ernsthaften Konsequenzen zu befürchten: "Laut Paragraf 167 des Strafgesetzbuches kann der Tatbestand mit einer Geldstrafe oder Gefängnis bis zu drei Jahren bestraft werden. 'Jedoch wird der Richter am Verhandlungstag entscheiden, ob bei der 20-jährigen Angeklagten als Heranwachsender das Erwachsenenstrafrecht oder das Jugendstrafrecht angewendet wird', so Gerichtssprecherin Sonja Heidel gegenüber WDR.de". Na, dann ist ja alles gut - hier ist alles in bester Ordnung, gehen Sie einfach weiter, hier gibt es nichts zu sehen. Welche Strafe der Frau letzten Endes tatsächlich aufgebrummt wird, werden wir aus den Propagandamedien gewiss nicht erfahren.

Was soll man dazu überhaupt noch sagen. Es ist gewiss diskutabel, ob es ausgerechnet diese Form des Protestes sein muss - aber davon abgesehen ist es doch mehr als nur begrüßenswert, dass es überhaupt noch so etwas wie einen "Restprotest" gegen dieses verkommene System gibt. Wenn der sich gegen Putin richtet, stehen die heimischen Propagandamedien streng und aufrecht bei der Stange - wenn dasselbe aber im heiligen kapitalistischen Inland, dem unwiderruflichen "Hort der Menschenrechte und Menschenwürde", geschieht, dann blicken sie pikiert darüber hinweg oder verharmlosen die ebenbürtige staatliche Repression.

Wenn ich dürfte, wie ich wollte, kotzte ich den Altar des Kölner Doms während der Weihnachtsmesse nicht nur möglichst schleimig voll, sondern schlachtete gleich einige Kinder aus Afrika, Asien oder Südamerika darauf. Selbstverständlich würde man das entsprechend ahnden und scharf verurteilen - während dasselbe einige tausend Kilometer entfernt unentwegt weiter geschieht, ohne dass irgendjemanden das interessiert oder man es den völlig vernebelten KirchgängerInnen in Köln und anderswo auch nur ansatzweise erklärte.

Einen so schönen, aufgeklärten Rechtsstaat haben wir hier - da reicht der Vorwurf der "Störung der Religionsausübung" aus, um jemanden in den finanziellen Ruin oder gar ins Zuchthaus zu schicken. Über den Sinn oder vielmehr Unsinn von Religionen macht sich die Obrigkeit keine Gedanken - schließlich verhilft ihr dieser stupide Mumpitz auch weiterhin zur Macht. Das Mittelalter lässt grüßen. Wenn es ein Land gibt, in dem ich - abgesehen von den USA, Nordkorea und China - nicht leben möchte, dann ist es dieses.

Dienstag, 2. Dezember 2014

Song des Tages: Something Wicked This Way Comes




(The Enid: "Something Wicked This Way Comes", aus dem gleichnamigen Album, 1983)

At bedtime when the light goes out once more,
Something wicked this way
Comes creeping soft across the floor.
Don't look now - it might be there ...
Oh, don't look now - it's over there somewhere!

Oh please, oh please help me!
Oh, wonderful world: A passing dream.
Oh, wonderful world: Just passing fancy.

The light's out and it is forever more.
Something wicked this way
Came singing songs of war.
Calm yourself - arm yourself!
No need to fear, your darling mother's here ...

Oh please, oh please help me!
Oh, wonderful world: A passing dream.
Oh, wonderful world: Just fleeting fancy.

In the sun (then there were none)
Three became two (all's said and done)
Two became one (thy will be done)
Then there were none (thy kingdom come)
Then there were none ...

Oh, wonderful world: A passing dream.
Oh, wonderful world: Just fleeting fancy.

(Just passing fancy.)



Anmerkung: Wer eine noch schönere Untergangsmusik kennt, die in solcher ausgefeilter Perfektion die orchestralen Werke des späten 19. Jahrhunderts in die Rockmusik implementiert, möge sich bitte zu Wort melden. Bislang ist Robert John Godfrey, das "Mastermind" von The Enid, der einzige mir bekannte Musiker und Komponist, der dies tatsächlich konsequent getan und mittels immer wieder neuen Komponenten stetig erweitert hat. Die Spanne des Werkes dieser Band reicht von herrlich frickeligen Prog-Kunstwerken aus den 70ern über sinfonisch-epische Konzeptalben aus den 80ern bis hin zu elektronischer Musik sowie geradezu klassisch anmutenden Kleinwerken wie beispielsweise dem reinen Klavierstück "Ballade" vom Album "White Goddess" (1997), das im Netz leider nirgends zu finden ist.

Davon abgesehen ist der hier verlinkte Song eine geradezu sinnbildliche Hymne auf unsere heutige, untergehende Zeit. Dass er trotz aller Dramatik letztendlich ebenfalls in einer harmonischen Dur-Sequenz endet, kann man durchaus als Reminiszenz zur Musik der Spätromantik verstehen, die den Untergang des Bestehenden ja ebenfalls oftmals thematisiert hat. Damals stand noch der Gedanke im Hintergrund, dass aus der Asche etwas Neues, Besseres aufleben könne - heute allerdings sind wir in dieser Hinsicht (abgesehen von manchen Eso-Jüngern, die dem damaligen knorrigen Gedankengut auch weiterhin anhängen) weiter und wissen, dass allenfalls eine Neuauflage des kapitalistischen Terrors auf die Menschheit wartet, wenn dieser wieder einmal zum Chaos und Weltkrieg führt. Aber - wir wissen es ja alle -: Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Das Albumcover illustriert es vortrefflich: "Three became two - two became one - then there were none."

Montag, 1. Dezember 2014

Zitat des Tages: Dies Haus


Dies Haus

in dem wir wohnen
wird hinter uns abgerissen

Wir liefern die Schlüssel ab
beim Verwalter
so ist es

Es sind
ein paar Dialoge geschrieben
die andere sprechen

Die Bücher
machen das größte Kopfzerbrechen

Für die paar Tage bitte
keine Blumen mehr
nichts mehr einkaufen

Vier Stockwerke
das ist die Höhe

Wenn es soweit ist
muss alles sehr schnell gehen

(Nicolas Born [1937-1979], in: "Gedichte 1967-1978", Rowohlt 1978)



Anmerkung: Manchmal werde ich den seltsamen Eindruck nicht los, dass eine Menge kritische Literatur bereits vor Jahrzehnten von Menschen geschrieben worden ist, die wohl über eine Zeitmaschine verfügten und eigentlich über unsere heute zerfallende Weltkulisse geschrieben haben. Vielleicht waren diese Menschen damals aber auch einfach etwas feinfühliger und haben die auch damals natürlich schon vorhandenen, deutlichen Tendenzen, die zum heutigen kapitalistisch-humanistischen Inferno geführt haben, schlicht etwas wacher und deutlicher wahrgenommen als es die damalige Propaganda der "Elite" vorgegeben bzw. vorgesehen hat.

Menschen, die heute vergleichbare Gedanken formulieren, werden nicht nur aus jedem künstlerischen Betrieb rigoros ausgeschlossen, sondern gleich zu "Ketzern" bzw. den allseits beliebten "Verschwörungstheoretikern" erklärt - und damit auch zukünftig an jeglicher Teilnahme am kulturellen Entwicklungsprozess, der ja längst auch gelenkt und damit zum Erliegen gekommen ist, gehindert. Es ist noch gar nicht so lange her, da wurden Gedichte wie dieses in Schulen und Universitäten diskutiert, interpretiert und analysiert - heute kann ich mir das angesichts der grotesken "Lernmodule" und gleichgeschalteten "unternehmerischen", auf reinen Profit getrimmten und vom Wohlwollen irgendwelcher "Unternehmen" abhängigen Hochschulen nicht einmal mehr mit viel herbeigezauberter Fantasie vorstellen.

So werden wir Zeugen, wie die rudimentären Ansätze eines solidarischen Wohlfahrtsstaates, die nach der Katastrophe des letzten Kapitalismus-Endes und der nachfolgenden faschistischen Barbarei in langwierigigen und schweren Auseinandersetzungen ganz langsam erkämpft wurden, nun in immer schnellerem Tempo wieder abgeschafft und niedergerissen werden, während die mahnenden und damals auch teilweise gehörten Stimmen der Vergangenheit allmählich verstummen - in der erneuten untergehenden Glitzerwelt des Kapitalismus gibt es mahnende Stimmen nun ganz offiziell nur noch in der Form von Spinnern, Verschwörungstheoretikern und "ewig Gestrigen" - während das tatsächlich ewig Gestrige zeitgleich wieder rigoros an Fahrt aufnimmt. Die Formulierung des letzten Verses hat Born sicherlich mit großem Bedacht gewählt: Die Zerstörungen und zunehmenden Verwerfungen zugunsten der absurden Superreichtumsvermehrung der "Elite" mögen zunächst langsam vonstattengehen - aber wenn der unvermeidbare Endpunkt naht, muss es in der Tat "sehr schnell gehen", damit auch bloß niemand merkt, was für ein widerliches Spiel da eigentlich wiederholt wird.

"Dies Haus" ist das programmatische Gedicht von Schröder, Fischer und Konsorten, die unter dem Beifall der schwarz-gelben Bande den Abriss der ersten Fragmente eines beginnenden Wohlfahrtsstaates in die Wege geleitet haben - und wir dürfen gewiss sein, dass das Ende dieses Zerstörungsprozesses, den die Bande selbstredend in guter Orwell-Tradition und mit Unterstützung der Propagandamedien auch noch "Reformen" nennt, erst dann erreicht ist, wenn es tatsächlich wieder einmal "sehr schnell" gehen muss, um "Schäden" am Wachstum des Superreichtums (wohlgemerkt: nicht am eigentlichen Superreichtum, sondern lediglich am stetigen, nie endenden Zuwachs dieser grotesken Geldhalden) abzuwenden, indem einmal mehr eine unbeteiligte Minderheit oder, wenn's gar nicht anders geht, eben gleich die ganze faule Bevölkerung zum Sündenbock gemacht wird.

Dieses Haus ist ein Totenhaus, es ist todkrank, ins Perverse abgedriftet und in einer ewigen Zeitschleife der Wiederholung gefangen - in der Literatur nennt man so etwas "Albtraum" oder "Dystopie". Leider leben wir nicht in der Literatur, sondern in der Realität.

Samstag, 29. November 2014

Realitätsflucht (6): Dawnguard, Dragonborn und Hearthfire


In der Regel bin ich ja kein Freund irgendwelcher "Add-ons" zu Computerspielen, da diese oftmals klar erkennbar nur dazu dienen, mehr Profit zu generieren, ohne wirklich etwas dafür zu erbringen. Besonders deutlich wurde dieses perfide Prinzip am Beispiel "Divinity 2: Ego Draconis", wo das "Add-on" schlichtweg ein wesentlicher Bestandteil der Geschichte war, den man vor der Veröffentlichung des Hauptspieles dort offenbar wieder herausgetrennt hat, um ihn danach zusätzlich zu verkaufen. Heute bekommt man das Spiel folgerichtig nur noch in der kompletten Version unter dem Titel "The Dragon Knight Saga".

Im vorliegenden Fall trifft diese Kritik allerdings nicht zu: Die drei "Add-ons" zum Spiel "The Elder Scrolls V: Skyrim" sind tatsächlich zusätzliche Komponenten, die angesichts des ohnehin epischen Umfangs des Hauptspiels auch problemlos als solche verkauft werden können. Hinsichtlich des Inhalts und Umfangs sind sie allerdings höchst unterschiedlich, was ich im Folgenden näher erläutern möchte. Wer diese "Add-ons" noch selber spielen möchte, sollte hier nicht weiterlesen, da Spoiler unvermeidlich sind.

1. Hearthfire

Mit dem negativsten Erlebnis muss ich beginnen: Diese Spielkomponente, mit deren Hilfe man in Himmelsrand ein eigenes Haus bzw. Anwesen aufbauen und erweitern kann, funktioniert mit meinem Spielstand nicht. Eigentlich, so habe ich nachgelesen, sollte nach der Installation ein Kurier erscheinen, der eine Nachricht vom Jarl von Falkenring überbringt, dass man Land erwerben könne, womit "Hearthfire" gestartet werden solle. Bei mir passierte das jedoch nicht - was vermutlich daran lag, dass ich zuvor (vor der Installation des "Add-ons") eine Questreihe der "Dunklen Bruderschaft" gespielt hatte, in deren Verlauf ich auch ein Mitglied des Jarl-Hofes von Falkenring meucheln musste, so dass der Mann mir nun nicht mehr freundlich gesonnen war und seitdem nur noch die allernötigsten Worte mit mir wechselte. Ein solcher Bug darf einem Entwickler wie Bethesda nicht unterlaufen, finde ich. Was soll ich mit einem "Add-on" anfangen, das mit meinem aktuellen Spielstand nicht nutzbar ist, weil es aufgrund solcher Mätzchen schlicht nicht startet?

2. Dawnguard

Wesentlich erquicklicher war da schon die neue Questreihe rund um die "Dämmerwacht". Hier bekommt man es mit einem blut- und rachedurstigen Vampirfürsten zu tun, der ganz Himmelsrand bedroht - und sehr früh muss man sich entscheiden, ob man selber zum Vampir werden möchte oder nicht. Auf den Spielverlauf hat das wohl nicht unerhebliche Auswirkungen. Da ich im Hauptspiel durch den Vampirismus, den ich mir dort mal versehentlich eingefangen hatte und nur unter gewissen Mühen wieder losgeworden war, bereits sehr genervt war, habe ich mich auch hier dagegen entschieden und der untoten Brut rigoros den Krieg erklärt - was vermutlich ein Fehler war, denn danach folgte nur eine ziemlich mickrige Questreihe, die ich in nur zwei Spielesessions hinter mir hatte. Das war nach dem fulminanten Beginn vor eben jener Entscheidung recht ernüchternd - und ich frage mich, wie umfangreich "Dawnguard" wohl sein mag, wenn man sich anders entscheidet.

Trotzdem hat sich diese Komponente gelohnt - allein schon der Umstand, dass ich endlich wieder die aus "Gothic-" und "Risen"-Zeiten so liebgewonnene und in der "Elder-Scrolls"-Reihe bislang schwer vermisste Armbrust wieder nutzen konnte, war mir einen langen Extraausflug in verschiedene Banditenlager und Draugrgräber von Himmelsrand wert, wo ich die Reichweite und Genauigkeit dieser wunderbaren Waffe gefeiert habe. Weitere neu verfügbare und natürlich auch selbst herstellbare Waffen und Rüstungen runden das Bild ab.

Äußerst gelungen sind auch hier wieder die Dialoge und Kommentare - besonders hervorheben will ich hier die neue Gefährtin Serana, die den Spieler in ihrer Eigenschaft als verstoßene Tochter des Vampirfürstschurken auf den Missionen zur Hauptquest begleitet. Überhaupt sind die Entwickler dem TES-Prinzip treu geblieben: Das Erzählen der Geschichte anhand von Kommentaren, Dialogen, Briefen, Büchern, Notizen etc. bleibt essenziell.

3. Dragonborn

"Drachenblut" ist sicher das Highlight dieser drei "Add-ons". Diese Komponente führt den Spieler auf die Insel Solstheim, wo es - wie sollte es auch anders sein - ein Menge zu erledigen und zu erleben gibt. Ich übertreibe nicht, wenn ich behaupte, dass "Dragonborn" allein auf den Umfang bezogen so viel Inhalt bietet wie so manches eigenständige Spiel. Es gibt neue Gegner, neue Waffen und Rüstungen und jede Menge neue Herausforderungen, die manchmal sogar (sofern man so unvorsichtig und tolpatschig ist wie ich) für meine Spielfigur, die sich immerhin auf dem Level 53 befindet, zur Gefahr werden.

Es gilt, einen von einem Daedra-Fürsten ermächtigten Wahnsinnigen zu bekämpfen, der die Insel und dessen Bewohner bedroht und teilweise bereits in einen hypnoseähnlichen Zustand versetzt hat. Im Rahmen dieser Mission muss der Spieler sich auch in die Welt eben dieses Daedra-Fürsten begeben - ganz ähnlich wie in "Oblivion". Diesmal sind es allerdings keine Tore, die durchschritten werden müssen, sondern "schwarze Bücher", die den Spieler beim Lesen in die surreale Daedra-Welt katapultieren. Diese Passagen haben mir ganz besonders gut gefallen. Wer sich gerne einmal durch ein Labyrinth bewegen möchte, das sich aufgrund der eigenen Handlungen stetig verändert, ist hier genau am richtigen Ort.

Außerdem sind auf der Insel drei der bislang abgefahrensten Dwemer-Ruinen zu erkunden - dort gibt es sogar, man glaubt es kaum, einige wenige "Jump-and-run"-Passagen sowie ein paar Rätsel, die diesen Namen endlich auch einmal verdienen. Ich gebe zu meiner Schande zu, dass ich an einem dieser Rätsel den halben Vorrat meiner Armbrust-Bolzen (das waren etwa 100) aufbrauchen musste, bis ich das mathematische Kinderrätsel endlich gelöst hatte. Wenn man ein (Dwemer-)Brett vor dem Kopf hat, dauert es eben manchmal ein wenig.

Daneben gibt es, wie gewohnt, unzählige kleine und große Nebenquests, die mich von wenigen Ausnahmen abgesehen durchweg gefesselt haben. Wenn mich jemand gefragt hätte, wie "Skyrim" noch zu verbessern und zu erweitern wäre, hätte meine Antwort "Dragonborn" lauten müssen.


Freitag, 28. November 2014

Q.e.d.: Im Niveaunirwana zwischen Scheißhaus und Grimme-Preis, oder: Die intellektuelle Kulturoase des Homo erratus




Anmerkung: Nee, einen wirklichen Kommentar muss ich mir dazu sparen - mein Gehirn versagt hier in Gänze. So sehr der gute Herr Kalkofe sich in diesem Beitrag auch bemüht - das ist nicht lustig, sondern allenfalls ein weiteres Indiz für das dritte Ausrufezeichen hinter der imperativ ausgeworfenen Feststellung "Unumkehrbar und unwiderruflich", die den finalen Satz "Und nun verabschiedet sich die Menschheit endgültig - und nicht mehr nur zum wiederholenden Male - in die komatöse Degeneration jenseits der Insektenwelt" vervollständigt.

Eigentlich fehlt hier der Vollständigkeit halber nur noch eine Verlinkung wie beispielsweise diese zum Eso-Blog "HdS", in der allen Ernstes die Quantenphysik und der "Sufismus" miteinander verglichen und auf einen dschungelcampmäßigen RTL-Einheitsweg eingeschworen werden sollen. Diese Menschheit ist (heute sagt man degenerativ wohl eher "hat") fertig, die Evolution ist klar erkennbar am Ende der totalen intellektuellen Degeneration angelangt. Das Scheißhaus gewinnt. Und deshalb wird es auch unsere letzte Heimstatt - hurra! Das Schicksal des Homo erratus ist braun besiegelt.

Ich werde jetzt eine BLÖD-"Zeitung" lesen, danach an einer Demo gegen asoziale Wirtschaftskriminelle aus Syrien teilnehmen, die unser schönes, deutsches Land durchrassen und auf unsere Kosten hier ein fürstliches Parasitenleben führen wollen. Sodann werde ich bei facebook nachgucken, ob die holde Gräfin von und zu Dingsda inzwischen bereits geworfen (das ist ja äußerst wichtig) und ob Jesus, Mohammed, Buddha oder wer auch immer endlich mal eine Antwort geschrieben hat. Unmittelbar danach werde ich mich, unabhängig vom Ergebnis, leidenschaftlich mit einer Amöbe paaren und so den neuen (deutschen) Lichtmenschen erschaffen. Jawohl. Es ist soweit. Endlich.

[Irres Gekreische erfüllt die Luft rund ums Narrenschiff.]

Mittwoch, 26. November 2014

Ich glotzte zwei Monate TV: Ein Resümee


Vor einiger Zeit hatte ich angekündigt, dass ich mich - als bekennender "So-gut-wie-nie-TV-Glotzer" - verstärkt mit diesem Medium auseinandersetzen werde. Ich habe das im Rahmen meiner Möglichkeiten inzwischen getan und muss das "Experiment" nun abbrechen und teilweise für gescheitert erklären, weil ich es schlicht nicht mehr ertrage, so viel Zeit mit Propaganda, Müll und Schlimmerem zu verplempern. Das Ergebnis mag weder für mich, noch für so manchen Mitlesenden befriedigend sein - aber dazu mehr in den Einzelheiten:

Zunächst musste ich die Auswahl dessen, was ich anzusehen gedachte, schon allein aus Zeitgründen sehr stark einschränken: Offensichtliche Trash-Formate, wie ich sie exemplarisch aus Kreymeiers Magazin "Fernsehkritik-TV", das ich inzwischen allerdings auch kaum mehr anschaue, kannte, habe ich von vorn herein ausgeschlossen; dasselbe galt für all die mehr oder minder politischen Quassel-Shows, sämtliche Unterhaltungs-Shows sowie die täglichen Propagandaschleudern wie "Tagesschau" oder "heute". Gerade zu den letztgenannten Sendungen muss ich mir keine Meinung mehr bilden, dazu reicht die Lektüre der geschriebenen Online-Varianten völlig aus.

Ich wollte mir statt dessen anschauen, was das heutige Fernsehen jenseits dieser Jauche- und Desinformationsgruben noch zu bieten hat, stieß dann aber gleich auf das nächste Problem, nämlich die ständige, allgegenwärtige und für einen "Ungeübten" wie mich nicht erträgliche Reklame, die in der Zeit nach 20 Uhr (und darauf beschränkte sich mein "Experiment") glücklicher Weise nur die Privatsender betrifft. Selbst wenn ich dort einmal eine Sendung entdeckt hatte, die ich mir ansehen wollte, hat diese permanente, aufdringliche und schrille Reklame das erfolgreich und konsequent verhindert - ich bekomme von solchem Schmutz auf der Stelle Kopfschmerzen und juckenden Hautausschlag. Es tut doch weh mitansehen zu müssen, wie irgendwelche "Promis" sich gegen meist wohl recht fürstliche Bezahlung zum lächerlichen Affen machen und dem Zuschauerdeppen irgendeinen Mist präsentieren - ganz zu schweigen von den vielen, vielen Nicht-Promis, die dasselbe für einen Bruchteil dieses Geldes tun. Aufgefallen sind mir in den wenigen Spots, die ich ertragen habe, beispielsweise Heike Makatsch, Jürgen Vogel, Mehmet Scholl, dieser Basketball-Heini aus den USA und natürlich Thomas Gottschalk. Nagen diese Leute, die größtenteils längst Multimillionäre sind, plötzlich am Hungertuch - oder wieso halten sie ihre Fratzen zu Reklamezwecken gegen Geld sonst in die Kameras? Ich verstehe das nicht - ich verstehe maßlose Habgier nicht.

Jedenfalls waren damit auch die Privatsender ausgeschieden - es macht ja keinen Sinn, eine Sendung lediglich bis zur ersten Werbeunterbrechung zu beurteilen. Ich muss an dieser Stelle darauf hinweisen, dass in einigen wenigen Fällen bei Privatsendern tatsächlich Spielfilme im Programm waren, die ich mir gerne angesehen hätte - aber wenn ein guter Film, der in der Regel ja so etwas wie Spannung und Atmosphäre aufbaut, durch Reklame so zerstückelt und auseinandergerissen wird, dass von eben jener Spannung und Atmosphäre nichts mehr übrig bleibt, verzichte ich dankend. Man stelle sich einmal eine Mahler-Symphonie oder meinetwegen auch ein oberflächliches Lloyd-Webber-Musical vor, das an der einfühlsamsten Stelle von lauter, blinkender Reklame für einen Kloreiniger oder Damenbinden unterbrochen wird. Wie halten Menschen, die sich so etwas ansehen, das bloß aus? Der Abstumpfungseffekt dürfte hier extrem ausprägend sein.

So blieben noch die öffentlich-rechtlichen Sender samt deren "Spartenkanälen", die "dritten Programme" sowie 3sat, Arte und Phoenix für das "Experiment" übrig. Ich will es kurz machen: Das Ergebnis war mehr als ernüchternd. Es gab gelegentlich Spielfilme, die ich mir gern und mit Gewinn angesehen habe; es gab sogar vereinzelt kulturelle Beiträge (beispielsweise über den Maler Max Ernst auf 3sat), Dokumentationen (diese allerdings meist zu nachtschlafener Zeit, also nach Mitternacht) oder auch Kabarettsendungen, die ich empfehlen kann. Der weit überwiegende Anteil des Programms (geschätzte 95 Prozent) bestand allerdings aus im besten Fall redundantem, im schlimmsten Fall tendenziösem, propagandistischem Mist, der mir böse Hirnfäule beschert hat.

Eines aber ragt in diesen Sumpf ganz besonders tief hinein, nämlich das ewige, auf sämtlichen Kanälen stetig wiederholte Krimi-Gedöns in all seinen widerlichen Facetten. Es vergeht ja kaum ein Tag, an dem auf irgendeinem Kanal nicht eine "Tatort"-Wiederholung liefe, dazu kommen unzählige Filme und Serien, in denen Kommissare oder SOKOS sich - allzu oft gesetzeswidrig - auf "Verbrecherjagd" begeben: diesem Sujet ist im TV nicht zu entkommen. Mich hat das regelrecht entsetzt. Wer schaut sich das in dieser Überkonzentration an, welche Auswirkungen hat das auf die Zuschauenden - und wieso geht es da fast immer nur um (möglichst bestialischen) Mord? In Deutschland gab es 2012 insgesamt 281, ein Jahr später 282 statistisch erfasste Mordopfer. Ein drängendes, gesellschaftlich-soziales Problem ist das offensichtlich nicht. Ich vermute, dass diese Konzentration im TV mehr darauf abzielt, die in diesen Filmen und Serien oft illegalen Polizeimethoden gesellschaftsfähig zu machen, wofür sich böse Morde und sympathische, "menschelnde" Kommissare natürlich ganz besonders gut eignen - eine andere sinnvolle Erklärung für dieses Phänomen fällt mir auf die Schnelle jedenfalls nicht ein. Für weitere Denkanstöße bin ich dankbar.

Zuletzt bleibt noch das Thema "Unterhaltung", das ja recht kontrovers gesehen und diskutiert wird: Der eine schaut sich das "Dschungelcamp" an oder liest die BLÖD-"Zeitung" (beispielsweise weil man sich darüber trefflich lustig machen kann), der andere findet das ekelhaft und alles andere als unterhaltend. Da treffen wieder einmal Welten aufeinander, die unvereinbarer kaum sein könnten. Es ist eine Binsenweisheit, dass unterschiedliche Menschen selbstverständlich auch völlig andere Interessen und Vorlieben haben, was die Unterhaltung betrifft - allerdings muss ich doch festhalten, dass es hier, wie immer, Grenzen gibt und auch geben muss. Wenn jemand beispielsweise Boxkämpfe unterhaltend findet, in denen sich die Protagonisten unter dem Gejohle des Publikums die Fressen blutig schlagen (das lief in der ARD), finde ich das ebenso inakzeptabel wie eine spaßorientierte Lektüre der BLÖD-"Zeitung", die ja bekanntermaßen ebenfalls eine mehr als üble Rolle in der Tragödie des zerstörenden Kapitalismus spielt. Ich meine, dass es tatsächlich unerheblich ist, wovon sich ein Mensch gerne unterhalten lässt - solange - und das ist der wichtigste Teil - die Konsequenzen dessen, was er wählt, ebenfalls unerheblich sind. Für die BLÖD-"Zeitung" gilt das nicht, für Boxkämpfe gilt das nicht, für Krawall-TV gilt das nicht - ob es für das "Dschungelcamp" gilt, ist immerhin diskutabel.

Fernsehen jedenfalls, das hat mein "Experiment" gezeigt, ist für mich weder ein Informations-, noch ein Unterhaltungsmedium. Auf breiter Front informiert und unterhält es mich nicht. Die wesentlichsten Aufgaben dieses Mediums im Kapitalismus sind augenscheinlich nicht Information und Unterhaltung, sondern Desinformation (Propaganda), Manipulation und schnöde Ablenkung.

Ich bin sehr froh, dass ich meine Zeit jetzt wieder mit sinnvollen Dingen verbringen kann. Und ich hoffe, dass diesem Beispiel immer mehr Menschen folgen und sich diesem völlig pervertierten Medium weiter entziehen. Oder, wie Kreymeier das in seinem Magazin immer so schön sagt:

"Schalten Sie mal wieder ab!"

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[Das Fernsehen] als Erzieher


"So, nu ham wa mal wieder in Mitleid gemacht! Frage ist: Wo nu essen?"

(Zeichnung von Wilhelm Schulz [1865–1952], in "Simplicissimus", Heft 31 vom 31.10.1926)

Montag, 24. November 2014

Zitat des Tages: Gesang der Rudersklaven bei Sturm


Es leidet, o Herr, deine Erde
An Untergehenden
Keinerlei Mangel! Noch kannst du wenden
Von uns dein Angesicht!
Was taugen wir angekettet der Welt auf dem Grund des Wassers?
Ziehe du ab von uns
Deine sausende Hand, peitsche
Deine christliche See über andere Meere
Und lass uns leben, leben, leben, o Herr
Auf der Galeere!

(Richard Leising [1934-1997], in: "Gebrochen deutsch. Gedichte", Langewiesche-Brandt 1990)



Anmerkung: Zu diesem Meisterwerk der politischen Lyrik in der Tradition Brechts muss ich nicht viele Worte verlieren: Es ist höchste Sprachkunst, wie Leising hier das altbekannte politisch-mediale-gewerkschaftliche Geplärre um den "Erhalt von Arbeitsplätzen" mit einer Religionskritik verbindet, die selbstverständlich gleichzusetzen ist mit einer generellen Kapitalismuskritik. Die furchtbare kapitalistische Ideologie ist längst zur perversen Religion degeneriert - freilich ohne dass dies, weder von den betroffenen "Rudersklaven", noch von den selbsternannten "Eliten" bzw. "Göttern" und deren mannigfaltigen Handlangern, offen anerkannt oder auch nur gedanklich gestreift wird. Aus künstlerischer Sicht ist es ein Meilenstein, eine derartig groteske, geradezu kranke Situation in so wenigen, klar verständlichen Worten komprimieren zu können - aus humanistisch-gesellschaftlich-sozialer Sicht ist es hingegen ein Fanal des Niedergangs, es tun zu müssen.

Dieses Gedicht kommt mir seit Jahren immer wieder in den Sinn, wenn ich irgendwo Streikende mit Plakaten wie "Wir kämpfen für den Erhalt unserer Arbeitsplätze!" sehe - trotz meines Verständnisses für die berechtigte Angst der Betroffenen vor dem sozialen Absturz. Wenn Sklaven für den Erhalt ihrer Sklavenarbeit demonstrieren, ohne das "göttliche" Prinzip des absurden Superreichtums ihrer "Herren" überhaupt in Betracht zu ziehen (geschweige denn, es endlich wieder in Frage zu stellen), ist jede Hoffnung längst obsolet.

Die Brisanz und die Relevanz dieses Gedichtes haben - welch ein Irrsinn - in den vergangenen 24 Jahren stark zugenommen. Der "göttliche Sturm" droht einmal mehr zum umfassenden Menschenfresser zu werden. Und viele schreien auch heute quasi betend wieder: "Friss nicht mich, friss doch lieber das andere Pack, dem es noch schlechter geht als mir!" - Und die einzigen Nutznießer dieser perversen, menschenfeindlichen Zeitschleife, eben jene Betreiber der Galeeren, bleiben heute wie damals weitgehend unbehelligt - heute allerdings noch weitaus mehr als damals:

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Die reichen [Steuerkriminellen]


"Ich habe dir ein paar deutsche Zeitungen mit den neuen Steuergesetzen gekauft. Falls du wieder Heimweh kriegst, Schatz."

(Zeichnung von Otto Ottler [1891-1965], in "Simplicissimus", Heft 19 vom 05.08.1919)

Samstag, 22. November 2014

Song des Tages: Blood On The Rooftops




(Steve Hackett: "Blood On The Rooftops", aus der DVD "Once Above A Time", 2004)

Dark and grey, an English film, the Wednesday play
We always watch the Queen on Christmas Day
Won't you stay?

Though your eyes see shipwrecked sailors you're still dry
The outlook's fine though Wales might have some rain
Saved again.

Let's skip the news, boy (I'll make some tea)
Arabs and Jews, boy (too much for me)
They get me confused, boy (puts me off to sleep)
And the thing I hate, oh Lord!
Is staying up late to watch some debate on some nation's fate.

Hypnotized by Batman, Tarzan, still surprised!
You've won the West in time to be our guest -
Name your prize!

Drop of wine, a glass of beer, dear, what's the time?
The grime on the Tyne is mine all mine all mine ...
Five past nine.

Blood on the rooftops, Venice in the spring
The Streets of San Francisco, a word from Peking
The trouble was started by a young Errol Flynn
Better in my day, oh Lord!
For when we got bored, we'd have a world war, happy but poor ...

So let's skip the news, boy (I'll go and make some tea)
Blood on the rooftops (too much for me)
When old Mother Goose stops and they're out for twenty three
Then the rain at Lords stopped play
Seems Helen of Troy has found a new face again.


Anmerkung: Einige wissen vielleicht, dass der ehemalige Gitarrist von Genesis, Steve Hackett, diesen Song bereits vor Jahrzehnten geschrieben hat und er 1976 auf dem Genesis-Album "Wind & Wuthering" erstmals veröffentlicht wurde. Diese Live-Version von 2004 mit dem Schlagzeuger und Sänger Gary O'Toole sowie dem Saxophonisten Rob Townsend gefällt mir allerdings wesentlich besser als die damalige, von Phil Collins allzu weinerlich und kitschig gesungene Genesis-Variante. Es war sicher kein Zufall, dass Hackett nach diesem Album dem Beispiel Peter Gabriels gefolgt ist und die in immer seichtere Pop-Untiefen abrutschende Band verlassen hat.

Gleichzeitig ist das Stück auch ein wunderbar böser Hinweis auf das leidige Thema des verdummenden Zombie-Fernsehens, dem ich mich momentan mit argen Bauch- und Hirnschmerzen widme, um etwas dazu schreiben zu können. Hacketts Metaphern von Troja und der zugehörigen Helena sind hier nur allzu trefflich gewählt.

Freitag, 21. November 2014

Orwellmania: Die geliebte Presse und die geliebten Hartz-Wohltaten


Der WDR hat einmal mehr investigativen Qualitätsjournalismus betrieben und ein doppelplusgutes Interview mit einem Schlips-Borg vom völlig unabhängigen, hochseriösen "Institut zur Zukunft der Arbeit" zum Thema "10 Jahre Hartz-Terror" geführt. Das Ergebnis kann sich wahrlich sehen lassen, denn der Leser lernt hier so überaus wichtige Dinge wie zum Beispiel:

  1. "Die Bilanz [nach 10 Jahren Hartz-Terror] ist durchaus positiv".
  2. "Positiv ist, dass die Zahl der Langzeitarbeitslosen (...) stark zurückgegangen sind [sic!]. (...) Negativ ist aber, dass die Zahl der Langzeitarbeitslosen konstant auf hohem Niveau geblieben ist." [Ja, echt!]
  3. "Aber die [Förder-]Instrumente müssen weiterentwickelt werden, noch mehr in Richtung Aktivierung der Langzeitarbeitslosen."
  4. "Nahles hat den Plan, 30.000 Langzeitarbeitslosen den Weg in die Betriebe zu ebnen, durch hundertprozentige Lohnkostenzuschüsse. Die Gefahr ist allerdings groß, dass sich zu wenige Unternehmen finden, die Langzeitarbeitslose einstellen – selbst bei massiver Subventionierung. Das zeigen Modellversuche."
  5. "Immerhin ist durch den Niedriglohnsektor zusätzliche Beschäftigung entstanden."
  6. "Das Wichtige ist nur, dass die Menschen nicht dauerhaft in der Grundsicherung verbleiben (...)."

In einer so komprimierten Form findet man die neoliberale Hasspropaganda eher selten - das "Interview" scheint direkt aus Orwells Liebesroman "1984: Während wir schliefen" entnommen zu sein. Der korrupte Lobbyist lügt dumm und dreist ins Mikrofon und der seriöse öffentlich-rechtliche Sender verbreitet den Schmutz unkommentiert, als stünde die superreiche "Elite" mit gezückter Pistole hinter ihm. Was unterscheidet dieses Land samt seinen Medien doch gleich von einem "Unrechtsstaat"?

Eigentlich hatte ich vor, diese schmierigen Aussagen Punkt für Punkt abzuarbeiten und so ihre Lächerlichkeit aufzuzeigen - je länger ich an diesem Text sitze, desto alberner kommt mir diese Absicht aber vor, denn eine Kommentierung ist hier ja völlig unnötig - der Unsinn entlarvt sich von selbst, auch ohne explizite Hinweise. Letztlich fällt mir dazu nur noch ein Dialog aus Star Trek - Voyager ein:

[Auf der Brücke findet wieder einmal eine Diskussion zwischen Tuvok und Paris statt.]
Paris: Argh! Ich gebe es auf!
Chakotay: Nach zwei Minuten schon? Tuvok, wie machen Sie das?
Tuvok: Ich warte, bis er von seiner eigenen Unlogik überwältigt wird.

Es ist bloß fatal, dass es in Deutschland offensichtlich zu wenige Tuvoks gibt, denn ich gehe jede Wette ein, dass es immer noch Massen von verblödeten, narkotisierten, rein eigenwohlorientierten Deppen da draußen gibt, die weder die grelle Unlogik, noch das völlig Absurde in den zitierten Propagandahülsen entdecken (wollen). Allein das wiederholte Bemühen der infantilen Phrase von der "Aktivierung von Langzeitarbeitslosen" ist dermaßen grotesk, dass meine sprachliche Fantasie schlicht versagt, um das zynisch zu kommentieren. Wer in der heutigen Zeit ernsthaft behauptet, Arbeitslose seien überwiegend selber an ihrer Situation schuld und müssten lediglich "aktiviert" werden, um endlich wieder in der Ausbeutungsmaschinerie einen Platz zu finden, ist nichts weiter als ein übler, menschenfeindlicher Faschist. Dasselbe gilt für die inzwischen schon obligatorische Gleichstellung von Langzeitarbeitslosen mit Suchtkranken.

Der korrupte Schlips-Borg vom Lobbyverein des Kapitals kommt in seinem Sermon zu demselben Schluss, wenn er abschließend bemerkt, dass ja nichts schlimmer sei als der "dauerhafte Verbleib" der Betroffenen außerhalb der Ausbeutung.

Die Hauptsache aber bleibt, dass der WDR wieder einmal ein durch Zwangsgebühren finanziertes Glanzstück des investigativen Journalismus abgeliefert hat - und die Herde wird es auch diesmal brav schlucken und weiterhin "Freiheit" und "Demokratie" mähen, während die Schlachtbank bereits in unmittelbarer Sichtweite ihren Betrieb aufgenommen hat.

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Herbstlied, heute neu

Die Technik schreitet munter fort,
Man sucht den Krebserreger,
Doch haben viele kaum das Geld
Für einen Bettvorleger.

Es dröhnt das blaue Himmelszelt
Vom Lärm der Zeppeline,
Die meisten haben kaum das Geld
Für eine Apfelsine.

Die Mode aber ändert sich,
Es blüht die Leichtathletik.
Die meisten Menschen hätten jetzt
Ein warmes Zimmer nötig.

Die Menschen grübeln vor sich hin,
Es ist bedeutend kälter,
Und außerdem, es kürzt der Staat
Die Löhne und Gehälter.

Die Menschen gehn zum Arbeitsamt.
Sie möchten gerne heizen,
Und pfeifen auf den Herbst mitsamt
Den schönen Farbenreizen.

(Theodor Riegler [18??-1942], in "Simplicissimus", Heft 28 vom 12.10.1931)